22.12.2016 ... Presseschau

+++ Herne: PKW ausgebrannt, möglicherweise rassistischer Hintergrund +++ Schloß Holte-Stukenbrock: Flüchtlingshelfer werden bedroht +++ 80 Hakenkreuze an Schule in Gelsenkirchen geschmiert +++ Kundgebung der AfD am Kanzleramt: Und kaum einer kommt +++

 

Herne: PKW ausgebrannt, möglicherweise rassistischer Hintergrund

In der Nacht zum Mittwoch brennt im Herner Stadtteil Horsthausen ein schwarzer Skoda völlig aus. Die Flammen griffen auf ein benachbartes Gebäude über, konnten aber von der Feuerwehr schnell gelöscht werden. Beschädigt wurden ein Vordach, Hausfenster und Rollos. Möglicherweise wurde das Feuer gelegt und die Tat hat einen rassistischen Hintergrund: In der gleichen Nacht wurde an der benachbarten Hauswand ein drei Meter langes Graffiti mit der Aufschrift „Islam ist Frieden“ von Unbekannten übersprüht. Ermittler warnen vor der Bildung rechtsterroristischer Strukturen in Nordrhein-Westfalen.

 

Schloß Holte-Stukenbrock: Flüchtlingshelfer werden bedroht

"Hör auf, wenn Dir Dein Leben lieb ist." Giesela Hörster war fassungslos, als sie diese E-Mail las. Die 75-Jährige, die vor zwei Jahren die Flüchtlingshilfe ins Rollen brachte, hat sie schnell weggeklickt, um nicht in Panik zu verfallen. Karsten Wilke von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Herford beobachtet, dass sich Drohungen, Einschüchterungen und Hass-Mails gegen Flüchtlingshelfer und befürworter in diesem Jahr zu einem regelrechten Phänomen entwickelt haben.

 

80 Hakenkreuze an Schule in Gelsenkirchen geschmiert

Bislang Unbekannte haben in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch etliche Fenster einer Grundschule im Gelsenkirchener Stadtteil Erle beschmiert. Die Täter brachten circa 80 Hakenkreuze und Nazi-Parolen wie „Heil Hitler“ mit Edding auf diverse Fenster und Fensterrahmen auf.

 

Riesa: Hakenkreuzschmiererei auf Schaufenster

Vermutlich in der Nacht zum Dienstag haben Unbekannte ein Schaufenster in Riesa (Sachsen) mit einem Hakenkreuz beschmiert. Die Täter sprühten das etwa 40 mal 40 Zentimeter große Symbol an das Geschäft, teilt eine Sprecher der Polizeidirektion Dresden am Mittwoch mit.

 

Kundgebung der AfD am Kanzleramt: Und kaum einer kommt

Eigentlich war es eine Steilvorlage für Rechtspopulisten: Doch es sind nur gut zweihundert Demonstranten, die sich am Mittwochabend in der Nähe des Kanzleramts versammeln. Vorne, hinter einer Absperrung aus rot-weißem Band, stehen die Dirigenten der neurechten Bewegung: Die AfD-Politiker Björn Höcke und Alexander Gauland. Hans-Thomas Tillschneider, der Chef der Patriotischen Plattform in der AfD ist. Götz Kubitschek, der neurechte Vordenker vom Institut für Staatspolitik. Und Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer. Hinter ihnen das Transparent: „Merkel muss weg“.

20 bis 30 „Identitäre“ setzten sich bei eisiger Kälte auf den Bürgersteig vor einer leeren CDU-Parteizentrale und feierten diese Aktion als „Besetzung“.

Mit roten Herzen und Plakaten mit der Aufschrift „Keine Nazis, nirgends. Keine Islamisten, nirgends“ haben am Mittwochabend mehrere hundert Menschen nahe dem Bahnhof Zoo gegen einen Aufzug der Berliner NPD protestiert. Die Partei hatte zuvor in der Nähe des Breitscheidplatzes zu einer Demonstration unter dem Motto „Grenzen dicht machen“ aufgerufen, zu der rund 50 Menschen kamen.

 

Den Holocaust befürwortet? Freispruch für Rentner in Bochum

Eine Äußerung über den Holocaust auf „Facebook“ hat einen Rentner (67) am Mittwoch auf die Anklagebank des Amtsgerichts Bochum gebracht. Vorwurf: Volksverhetzung. Über die IS-Terroristen schrieb der Bochumer: „Am besten ausräuchern wie die Juden damals. Etwas anderes haben diese Barbaren nicht verdient.“ Es gab einen umstrittenen Freispruch. Die Staatsanwältin wollte eine Geldstrafe (400 Euro) auf Bewährung. Der Angeklagte habe mit dem Eintrag vom vorigen März den Holocaust befürwortet.

 

Braunschweiger Neonazi: Zwei Jahre auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung

Der Braunschweiger Pierre B. ist am Mittwoch vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Die Strafe: Zwei Jahre Haft auf Bewährung und 7.000 Euro Schmerzensgeld, die der Anhänger der rechten Szene an eines seiner Opfer zahlen muss. Im Februar hatte B. auf dem Schulhof eines Gymnasiums mit solcher Wucht auf zwei 19-Jährige eingeschlagen, dass einer von ihnen einen Kieferbruch, der andere eine Gehirnerschütterung erlitt.

 

Mit dem Nothammer zur Demo: Geldstrafe für Pegida-Demonstranten

In Köln stand ein 37-jähriger Mann wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vor dem Amtsgericht – er war dabei, als die Pegida am 9. Januar 2016 am Hauptbahnhof demonstrierte. Er hatte einen „waffenähnlichen Gegenstand“ mitgenommen und tischte dem Richter eine kuriose Ausrede dazu auf: „Ich wurde kurz vor der Polizeikontrolle mit dem Nothammer beworfen, der sich in meiner Kapuze verfing.“ „Das ist doch an den Haaren herbeigezogen“, sagte der vorsitzende Richter und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro – insgesamt 1500 Euro.

 

Mit angespitztem Fahnenstab zur "Allgida"-Demo: Geldstrafe

Für einen 30-jährigen Oberallgäuer hatte seine Teilnahme am „Allgida“-Aufmarsch (Allgäuer gegen die Islamisierung des Abendlandes) im Februar in Obergünzburg jetzt  jetzt strafrechtliche Konsequenzen: Der junge Mann trug damals eine Deutschlandfahne mit sich, deren Stock am unteren Ende angespitzt war. Die Staatsanwaltschaft erkannte darin einen waffenähnlichen Gegenstand. Im Prozess vor dem Kaufbeurer Amtsgericht schloss sich der Richter dieser Sicht an und verurteilte den Angeklagten zu 70 Tagessätzen zu je 33 Euro (insgesamt also 2310 Euro).

 

NSU-Prozess: Gutachter stuft Zschäpe als voll schuldfähig ein

Dem psychiatrischen Gutachter im NSU-Prozess zufolge gibt es bei Beate Zschäpe keine Hinweise auf Schuldunfähigkeit. Eine Persönlichkeitsstörung wollte der Psychiater jedoch nicht ausschließen.

 

Offensive der „Rechten“ in Dortmund

Kurz vor Weihnachten  versucht sich die „Die Rechte“ in der Ruhrgebietsmetropole wieder in Szene zu setzen – nach der kurzzeitigen Kirchturmbesetzung ist erneut eine Demonstration gegen „Polizeiwillkür“ an Heiligabend geplant. Die Schlagzeilen waren der Neonazi-Truppe nach der Aktion auf dem Kirchturm gewiss. Doch trotz aller parteioffiziellen Jubelmeldungen über Kirchturmsbesteigungen: Was wie ein Erfolg Dortmunder Neonazis wirkt, verdient diese Bezeichnung nur mit Einschränkungen. Dortmunds tiefbraune Szene ist zwar nach wie vor die stärkste im Westen der Republik – doch die Zeiten, da sie Trends setzte, sind vorbei.

 

Keine NPD mehr im Kreistag Bautzen

Die NPD ist endgültig raus aus dem Bautzener Kreistag. Bis zuletzt saßen noch Jürgen Kötzing und Christian Jahn für die rechtsextreme Partei im Saal des Landratsamts. Nach parteiinternen Streitigkeiten sind die beiden aber nun aus der NPD ausgetreten. Die Mandate behalten sie dennoch, machen nun als Fraktionslose weiter. Für die Partei geht es damit weiter steil bergab – auch in Sachsen.

 

Gibt es ein Leck bei der Berliner Polizei? Lutz Bachmann brüstet sich mit Insider-Infos

Gibt es ein Leck bei der Berliner Polizei? Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann will schon kurz nach dem Anschlag die Nationalität des mutmaßlichen Täters gekannt haben – aus Polizeikreisen.

 

Der Anschlag, die AfD und ihre Masche

Die AfD instrumentalisiert den Anschlag vom Breitscheidplatz sofort und aggressiv. Ein Lehrstück über den Ablauf von Provokationen, Medien im Dilemma - und Populisten, die den Ekel-Faktor unterschätzen.

 

Kommentar: Islamisten und Rechtspopulisten spielen sich gegenseitig in die Hände

Die Debatten, die für die nächsten Wochen ins Haus stehen, sind schon abzusehen: Die Forderungen nach Verschärfung von Sicherheitsgesetzen, von Asylgesetzen, nach schnellerer, härterer Abschiebung werden laut werden. Aufwind für jene, die das Ende des Doppelpasses fordern, das Burka-Verbot, all das ist bekannt. Und keinem, keinem der Opfer von Berlin ist damit geholfen. Wer die Freiheitsrechte verteidigt, wird als Weichei abgestempelt. Die Extremisten treiben uns in eine autoritäre, vor Angst erstarrte Gesellschaft hinein, eine, die die Gesellschaft als Errungenschaft selbst zunehmend missachtet. Und das, was sie ausmacht: Freiheit.

 

Anschlag in Berlin: Erstaunliche Angstresistenz

Nach Anschlägen schlägt die Stunde der Hetzer: Bild warnt vor "ANGST"! Die AfD twittert sich in Ekstase. Natürlich macht Seehofer mit. Allein: Die Bürger sind klüger.

 

Anschläge in Frankreich und Deutschland: Willkommener Anlass für alte Parolen

Der Anschlag in Berlin ähnelt in vielen Punkten dem Anschlag von Nizza: Ein Blick nach Frankreich zeigt, was Deutschland in den kommenden Monaten an Debatten erwartet.

 

Juden in Sachsen: Gefühl der Unsicherheit

Sachsens sprichwörtlicher Glanz hat einige hässliche Kratzer bekommen. Bundesweit wird der Freistaat als besonders rassistisch wahrgenommen. Und in keinem anderen Bundesland fanden im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viele rassistische Gewalttaten statt. Doch unsicher fühlte man sich in der jüdischen Gemeinde bis vor drei, vier Jahren nicht. Nora Goldenbogen, Historikerin und Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden denkt, dass der Boden für die aktuelle Entwicklung über Jahrzehnte bereitet wurde.

 

Strategischer Philosemitismus, Säkularismus: Wie sich Allianzen des Rechtspopulismus verschieben

Am Wissenschaftskolleg Berlin analysiert der amerikanische Soziologe Rogers Brubaker den europäischen Populismus. Heute wende sich der Säkularismus der Rechtspopulisten strategisch gegen muslimische Einwanderer und die als rückständig imaginierte islamische Welt. Um alles Muslimische von sich zu weisen, geriere sich der pseudo-christliche Säkularismus als Verfechter liberaler Werte, berufe sich auf Frauenrechte oder, wie in den Niederlanden, auf Lesben- und Schwulenrechte. Die Rechte formiere sich neu: Ihren Antisemitismus habe sie abgeschüttelt, zeige sich aus strategischen Gründen betont „philosemitisch“: „Man vereinnahmt Jüdinnen und Juden, um sie sodann als Opfer des bösen Islam zu stilisieren.“

 

#berlinattack – 24 Stunden im deutschen Internet

Erbärmliche Reflexe, herzzerreißendes Mitgefühl, trotzige Selbstvergewisserung: Beobachtungen aus den sozialen Netzwerken nach dem Anschlag in Berlin.

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