21.01.2016 ... Presseschau

Berlin: Das missbrauchte Mädchen +++ Studie: Das Pegida-Fußvolk hört Bachmann gar nicht zu +++ Rechtsextremismus: Starker Anstieg von Neonazi-Straftaten in Sachsen.

Berlin: Das missbrauchte Mädchen

Eine 13-Jährige soll in Berlin von Arabern vergewaltigt worden sein. Das Mädchen gibt es, die Tat nicht, sagt die Berliner Polizei. Viele bedienen sich aber der Geschichte - etwa das russische Staatsfernsehen und die NPD. Bekannt ist über Lisa, eine 13-Jährige aus einer russlanddeutschen Familie in Berlin, fast nichts und doch zu viel. Sie ist am 11. Januar verschwunden und von ihrer Familie als vermisst gemeldet worden. Kurz darauf ist sie wieder aufgetaucht. Es wäre gut gewesen, wenn von dieser Geschichte nur die Eltern, die Polizei, womöglich einige Freunde und Verwandte erfahren hätten, niemand sonst. Stattdessen aber wurde Lisas vermeintliche Geschichte von den russischen Staatsmedien und allen, die Flüchtlinge für potenzielle Vergewaltiger halten, öffentlich ausgeschlachtet. Ihr voller Name kursiert im Internet, genauso wie ein Foto des Mädchens. Lisa wird von nun an immer erkennbar, ihr Name mit dem 11. Januar 2016 verbunden sein. Vermutlich hat sie niemand gefragt, ob sie das will. Aber um ihre Meinung und ihre Geschichte geht es auch nicht in dieser skrupellosen Propagandaschlacht gegen vermeintlich liberale Werte.

Netz-gegen-Nazis.de hat zu Lügen über sexualisierte Gewalt durch Flüchtlinge mit dem ZDF Morgenmagazin gesprochen (Video auf Facebook):

Das Pegida-Fußvolk hört Bachmann gar nicht zu 

Pegida ist auch für Wissenschaftler ein Phänomen. Jetzt liegt eine erste umfassende Analyse der fremdenfeindlichen Bewegung vor. Mit dem Ergebnis: Viele Teilnehmer hören bei den Reden gar nicht zu. "Ressentiments gegenüber Muslimen, Asylbewerbern, Ausländern sowie Hass- und Hetzreden, die sich gegen die politischen und medialen Eliten der Bundesrepublik richten" – das eint die Pegida-Bewegung laut einer Analyse von Politikwissenschaftlern um den Dresdner Professor Hans Vorländer. Allerdings gebe sie in Deutschland kein einheitliches Bild ab, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung der in Buchform verfassten Untersuchung "Pegida – Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung". Für die Analyse hatte er zusammen mit seinen Co-Autoren, den Politikwissenschaftlern Maik Herold und Steven Schäller von der TU Dresden, eigene Beobachtungen und Befragungen angestellt sowie vorliegende Studien zu Pegida ausgewertet.

Die Sächsische Zeitung fasst die Ergebnisse zusammen:

  • Nicht rechtsextrem (Nationalismus, Rassismus, aber nicht zugleich antidemokratisch, diktaturaffin oder gar neo-nationalsozialistisch)
  • Einfaches Demokratieverständnis, kein Bewusstsein für Komplexität demokratischer Prozesse
  • Typisch Dresden: Konservatismus, Traditionalismus, aggressiv gegen vermeintliche Bedrohung der "Heile-Welt-Nostalgie"
  • Typisch Sächsisch: Pegida pflegt „eine Art sächsischen Chauvinismus“, der mit Selbstüberhöhung und dem Bestehen auf Vorrechte für Alteingesessene einhergeht und dabei indirekt „Anderes“ abwertet.
  • Mehr Aggression: Pegida führt zu Normalisierung rassistischer Äußerungen und Aggressionen gegenüber Andersdenkenden und zu mehr Übergriffen auf Flüchtlingsheime.
  • Kein Ende in Sicht: Die Proteste führen höchstwahrscheinlich nicht zu einer „Frischzellenkur der Demokratie“, sondern Pegida bleibt eine populistischeEmpörungs- und Klagebewegung.

Rechtsextremismus: Starker Anstieg von Neonazi-Straftaten in Sachsen

Sachsens Polizei schlägt Alarm: Im vergangenen Jahr gab es im Vergleich zu 2014 einen deutlichen Anstieg von Straftaten durch Neonazis. Vor allem Anschläge auf Asylunterkünfte nahmen zu. Allein zwischen Januar und September 2015 gab es in Sachsen 66 Angriffe auf Asylunterkünfte. Ein Jahr zuvor waren es 27 gewesen: Die sächsische Polizei hat vergangenes Jahr einen deutlichen Anstieg von politisch motivierter Kriminalität registriert. 

Kohlen-Sahlis: Käufer des Ritterguts Sahlis will dort ein "Konzentrationslager" errichten

Für 160.000 Euro wechselte der Eigentümer des Rittergutes Sahlis. Laut seiner Vertreterin plant er, dort ein „Konzentrationslager“ einzurichten. Das kann nur ein geschmackloser Scherz sein… Am Amtsgericht Leipzig wurde das marode Rittergut Sahlis des Rechtsextremisten Karl-Heinz Hoffmann (78) zwangsversteigert. Für 160.000 bekam ein anonymer Bieter den Zuschlag. Auf die Frage, was der neue Eigentümer nun mit dem Gut vorhabe, antwortete eine Sprecherin des Bieters, nach Angaben der Radio-Reporterin: „Konzentrationslager“. Laut Radiofrau fügte sie noch hinzu: „Wie das zu interpretieren ist, überlasse ich Ihnen.“ Weitere Erklärungen lehnte sie ab.

Rechte haben Oberwasser in Berlin

Rechtsextreme planen im März eine Großdemonstration in Berlin. Gewalt gegen Flüchtlinge nimmt weiter zu. Am stärksten betroffen: Marzahn-Hellersdorf. Nahezu täglich fänden in Berlin Demonstrationen und Kundgebungen statt, auf denen gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht wird, heißt es in der Lageanalyse des Verfassungsschutzes. Hier seien die östlichen Stadtgebiete überproportional betroffen. Auf den einschlägigen Plattformen im Internet und den sozialen Netzwerken liefen die Fäden zusammen. „Das ist der wesentliche Kommunikationsstrang“, sagte Henkel. Für den 12. März planen die Rechtsextremen in Berlin offenbar eine fremdenfeindliche Großdemonstration. Im Netz werde dafür bereits heftig getrommelt, so Henkel. „Merkel muss weg – wir schaffen das“, laute das Motto. Die Aktivitäten zielten zudem darauf, dass in diesem Jahr fünf Landtagswahlen – auch in Berlin – anstehen.

Breiter Widerstand gegen Pegida in Dresden am 6. Februar

Gegen den von der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung angekündigten Aktionstag am 6. Februar formiert sich breiter Widerstand in Dresden. Wie die Stadtverwaltung auf DNN-Anfrage mitteilte, sind bislang zwölf Veranstaltungen im Stadtgebiet angezeigt.

Das Netz und die Dummheit: Hilferuf an die mindestens durchschnittlich Begabten

Was sich an Schwachsinn in die sozialen Medien ergießt, ist mittlerweile nicht mehr auszuhalten. Oft scheint es, als sei es gar nicht Hass, sondern vor allem Dummheit, die sich da Bahn bricht. Das hat einen einfachen Grund: Überall anders sind durchschnittlich mehr gebildete Menschen in Sozialen Netzwerken. In Deutschland nicht. Kolumne von Sascha Lobo.

NSU-Prozess: Warum dauert er so lange?

Diese Frage ist immer wieder zu hören und nach über 250 Verhandlungstagen mehr als verständlich. Antworten von DW-Prozessbeobachter Marcel Fürstenau aus München.

NSU-Prozess: Lob mit Signalwirkung

Ralf Wohlleben hat im NSU-Prozess ausgesagt, doch an seinen Angaben bestehen Zweifel. Über die Auskünfte der Mitangeklagten Carsten S. und Holger G. äußerte sich ein Staatsanwaltschaft hingegen geradezu begeistert: "Wahnsinnig spannend."

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