20.06.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Ermittlungsverfahren: Rechtsextreme Führungsfigur Tino Brandt unter Zuhälterei-Verdacht +++ NPD vor dem Verbotsverfahren: Ein letztes Aufbäumen +++ Verschwiegene NSU-Pfade: Was wusste NPD-Funktionär Heise?

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Ermittlungsverfahren: Rechtsextreme Führungsfigur Tino Brandt unter Zuhälterei-Verdacht

Gegen den früheren Chef des rechtsextremen "Thüringer Heimatschutzes" und V-Mann Tino Brandt wird wegen Zuhälterei ermittelt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Thomas Villwock sagte am Donnerstag in Gera, Brandt stehe unter Verdacht, minderjährige Jungen sowie Männer an Freier vermittelt zu haben. Deswegen sei am Vortag Brandts Wohnung in Rudolstadt durchsucht worden. Nach einem Bericht der Online-Ausgabe der "Thüringer Allgemeinen" wurden auch Wohnungen von mindestens fünf Jugendlichen und Männern durchsucht, die sich in Brandts Auftrag prostituiert haben sollen. Dies wollte Villwock "zumindest nicht dementieren". Nach Informationen der Zeitung gehen die Ermittler davon aus, dass die Geschäftsanbahnung in sozialen Netzwerken im Internet stattfand. Brandt soll für die männlichen Prostituierten eigens Wohnungen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bereitgestellt haben. Der Verdacht gegen Brandt habe sich bei den Betrugsermittlungen ergeben, die seit mehr als zwei Jahren gegen ihn und zwölf weitere Beschuldigte laufen. Sie sollen Versicherungen mit fingierten Arbeitsunfällen um eine Millionensumme betrogen haben. Gegen Brandt wurden laut Zeitung bisher 27 Ermittlungsverfahren geführt. Er sei allerdings noch nie rechtskräftig verurteilt worden (mdr). Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE steht Brandt im Verdacht, bereits seit 2011 mehrere männliche Jugendliche und Heranwachsende, die der Prostitution nachgingen, "ausgebeutet" und von ihnen "Provisionen" von bis zu 60 Prozent ihres Freierlohns gefordert zu haben. Zudem soll er den Jungen mehrere Wohnungen - unter anderem in Rudolstadt und Bad Blankenburg - zur Verfügung gestellt haben.

NPD vor dem Verbotsverfahren: Ein letztes Aufbäumen

 Es ist das letzte Aufbäumen der NPD vor dem drohenden Verbot. Mit doppelter Parteiprominenz luden die Neonazis am Donnerstag in ihre Berliner Parteizentrale: NPD-Chef Udo Pastörs und der gerade gewählte Europaabgeordnete Udo Voigt. Ihre Forderung: Das angelaufene Verbotsverfahren gehöre eingestellt, sofort. Das Verfahren sei „ideologisch motiviert“, wettert Pastörs altbewährt in einem kleinen, kargen Schulungsraum. Der Bundesrat, der im Dezember beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seinen Verbotsantrag einreichte, fand andere Gründe: Die NPD strebe eine rein deutsche „Volksgemeinschaft“ an und ziele darauf, die Demokratie abzuschaffen. 2003 war ein erster Verbotsversuch gescheitert, als V-Leute in der Parteispitze bekannt wurden. Auf diese Karte setzen die Neonazis nun erneut. Zwar hatten die Innenminister der Länder in Testaten versichert, das Verbotsmaterial komme nicht von staatlich bezahlten Spitzeln. NPD-Anwalt Peter Richter, ein 28-jähriger Saarländer, nennt diese aber „unglaubwürdig“. Die Testate gelten nur für die Bundes- und Landesvorstände. „Was aber ist mit Kreisvorständen? Den Landtagsfraktionen? Gilt das für die auch?“, fragt Richter. Auch sei nicht auszuschließen, dass V-Leute aus dem Umfeld die Parteiführung „anstachelten“ Richter beantragte deshalb diese Woche in Karlsruhe, sämtliche V-Mann-Akten zu beschlagnahmen und der NPD vorzulegen. „Passiert das nicht“, so der Jurist, „dann Feierabend.“ „Dann findet kein faires Verfahren statt, dann muss eingestellt werden.“ Eine Öffnung der Akten aber lehnen die Innenminister ab. (taz).

Verschwiegene NSU-Pfade: Was wusste NPD-Funktionär Heise?

Der Draht eines NSU-Angeklagten zum einflussreichen Neonazi Thorsten Heise war intensiver als bisher bekannt. Eine niedersächsische JVA kontrollierte deren regen Briefverkehr. Zeitgleich ging 2000 auch Post aus Südafrika an Heise – von einem mit Haftbefehl gesuchtem Altnazi (Publikative.org).

Schleswig-Holstein: Jede*r 11. Schüler*innen denkt rechtsextrem

Unter 900 befragten Jugendlichen in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie in Lübeck ist es jeder Elfte, besagt eine neue Studie. Sie wurde in Ratzeburg vorgestellt. Etwa jeder elfte Mittelstufenschüler im Südosten Schleswig-Holsteins hat eine rechtsextreme Gesinnung. Zu diesem Ergebnis sind Wissenschaftler der Kieler Christian-Albrechts-Universität in einer nun vorgestellten Studie gelangt. Im Auftrag des schleswig-holsteinischen Innenministeriums haben sie gut 900 Siebt- bis Zehntklässler an 18 Schulen in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn sowie in der Hansestadt Lübeck befragt. Unter den befragten Jungen ist rechtsextremes Gedankengut offenbar deutlich verbreiteter, rund zwölf Prozent von ihnen passen in das von den Wissenschaftlern definierte Raster; bei den Mädchen sind es 6,3 Prozent. Eine weitere Erkenntnis der Wissenschaftler: Jeder vierte der Befragten hat nach eigenem Bekunden schon mal Kontakt zur rechtsextremen Szene gehabt, sei es durch Freunde (41,1 Prozent), "Bekannte" (24,3 Prozent), Eltern oder Geschwister (je 4,9 Prozent), Lehrer (4,3 Prozent) oder durch die Feuerwehr (2,1 Prozent) (Hamburger Abendblatt).

Regensburg: Vier Burschen skandierten Nazi-Parolen

Mit „Sieg Heil“-Rufen und dem Hitler-Gruß zogen die jungen Männer durch die Thundorferstraße in Regensburg. Die Polizei schritt daraufhin ein (mittelbayerische.de).

Wenn Neonazis in Gefängnissen Netzwerke bilden

Codewörter, Briefe und der Name Beate Zschäpe Mit einer Annonce aus dem Knast heraus suchte ein Neonazi nach Gleichgesinnten. Die Gruppierung flog 2013 auf. Jetzt ist klar: Es gibt keinerlei juristische Folgen für die Betroffenen. Doch Experten warnen, dass sich solche Netzwerke wieder bilden könnten (main-netz.de).

Brandenburg: Mehr Bürgerbeteiligung gegen Rechts

In Brandenburg leben mehr Asylbewerber als je zuvor. Damit rechtsextreme Kreise diesen Umstand nicht für ausländerfeindliche Propaganda nutzen, sollten die Bürger besser einbezogen werden – etwa wenn ein neues Heim geplant wird, empfiehlt eine neue Studie. Auch die Zusammenarbeit im Netzwerk "Tolerantes Brandenburg" soll verbessert werden (rbb).

Erklärung von Landtag und Innenministerium Sachsen: Rößler und Ulbig verteidigen "Asyl" für Neonazis

Die Spitzen des Sächsischen Landtags und des Innenministeriums haben den umstrittenen Einlass von Teilnehmern einer NPD-Kundgebung ins Parlamentsgebäude verteidigt (netz-gegen-nazis.de berichtete). Sie teilten in einer gemeinsamen Erklärung mit, dies sei die bestmögliche Alternative zum Schutz der Rechtsextremen vor Übergriffen gewaltbereiter Gegendemonstranten gewesen. Das Landtagspräsidium hatte am Donnerstag die Ereignisse noch einmal erörtert. Dafür war sogar die Sitzung des Plenums unterbrochen worden. Gefährdung sahen die Sicherheitskräfte offenbar in Sitzblockaden, Plakaten und einem Flaschenwurf auf Polizisten (mdr).

Weiter Streit um Polizeieinsatz in Demmin

Der umstrittene Polizeieinsatz bei der Anti-NPD-Demonstration am 8. Mai in Demmin (Landkreis Vorpommern-Greifswald, Belltower.news berichtete, Text I & Text II) hat am Donnerstag den Innenausschuss des Landtags beschäftigt. Während die Opposition von einem überzogenen Vorgehen der Einsatzkräfte spricht, sehen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) und die Unionsfraktion keine Versäumnisse. Caffier erklärte, die Polizei habe gute Arbeit geleistet. In Demmin sei das Demonstrationsrecht der NPD, aber auch das der Gegendemonstranten gesichert worden. Für die Beamten gelte nun einmal das Neutralitätsgebot, laut Grundgesetz gebe es keine guten oder schlechten Demonstranten. Er wünsche sich, dass in Demmin von den Demokraten weiter klar Flagge gezeigt werde, aber ohne Gewalt, sagte Caffier. Der Innenexperte der Linken, Peter Ritter, beklagte dagegen, dass die Polizei im Vorfeld die Gewalt regelrecht herbeigeredet habe.  (NDR, Nordkurier).

Morgen "Sonnwendfeier" im Raum Pirmasens

Der NPD-Landesverband Rheinland-Pfalz veranstaltet am kommenden Samstag seine diesjährige Sommersonnwendfeier. Gefeiert wird am 21. Juni unter konspirativen Umständen an einem geheim gehaltenen Ort in der Südwestpfalz. Ansprechpartner für die traditionelle Veranstaltung ist der rheinland-pfälzische NPD-Landesvorsitzende Markus Walter (Jg. 1975). Vor Jahren bekannte der einschlägig verurteilte Walter in einem NS-Untergrundblatt: „Ich bin Nationalsozialist“ (Blick nach rechts).

Morgen "Schlossfest" bei Karl-Heinz Hoffmann in Oberfranken

Der frühere Rechtsterrorist Karl-Heinz Hoffmann (Jg. 1937) lädt für den 21. Juni zu einem „Schlossfest“ auf sein Anwesen in Oberfranken. Dort will er aus seinen "Lebens-Erinnerungen" lesen und Gedichte vorlesen. Auf dem Programm steht auch ein hebräisches (!) Lied und es gibt Essen, dass "halal" ist (Blick nach rechts).

Urteil Zwickau: Gefängnisstrafe für Angriff auf migrantische Gäste von Tanzcafé

Das Amtsgericht Zwickau hat nach dem Überfall auf ausländische Gäste einen der Täter zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Mann muss wegen gefährlicher Körperverletzung zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Er gab im Prozess zu, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Für die schweren Verletzungen sei er aber nicht verantwortlich. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung, bei dem Überfall sei beinah ein Mensch ums Leben gekommen. Der Angeklagte könne deshalb nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Eine weitere Angeklagte muss wegen Beihilfe eine Geldstrafe zahlen, eine dritte Angeklagte wurde freigesprochen. Als Motiv wurde ihnen Fremdenhass vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft gehörten sie zu einer zehnköpfigen Gruppe, die am 26. August 2012 gegen ein Uhr nachts zusammen das Lokal in Zwickau betrat und dabei laut Zeugenberichten ausländerfeindliche Parolen skandierte. Danach soll sie vor dem Tanzcafé zwei Migranten attackiert haben. Die Angreifer schlugen der Anklage zufolge den 26 Jahre alten Türken und den 46-jährigen Iraner zu Boden und traten auf sie ein. Die Opfer wurden schwer verletzt. Der türkische Mann lag zwei Tage im Koma. Besonders der 34 Jahre alte Angeklagte Enrico H. soll eines der Opfer mit Fußtritten traktiert haben. Er gab zum Prozessauftakt zu, sich aktiv an der Schlägerei beteiligt zu haben. Den Vorwurf, auf das wehrlose Opfer am Boden eingetreten zu haben wies er jedoch zurück (mdr).

Berlin: Strafen nicht bezahlt - Neonazis festgenommen

Die Berliner Polizei hat drei bereits verurteilte rechtsextreme Straftäter gefasst. Sie wurden mit Haftbefehlen gesucht, da sie Geldstrafen nicht bezahlt hatten, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Die Beamten nahmen die 26, 29 und 40 Jahre alten Männer am Mittwoch in Spandau, Neukölln und Marzahn-Hellersdorf fest. Zwei von ihnen waren verurteilt worden, weil sie Hakenkreuze geschmiert hatten. Sie bezahlten die Geldstrafen und blieben frei. Der Dritte, der wegen Diebstahls und Fahrens ohne Führerschein verurteilt worden war, konnte seine Strafe nicht bezahlen und muss nun für 456 Tage in Haft. Auch er sei ein polizeibekannter Rechtsextremist, hieß es (Berliner Kurier).

Dortmund: Klima der Angst

Polizei und Politik verharmlosten kontinuierlich Dortmunds Neonaziszene. Nun offenbaren sich die Konsequenzen (jW).

Südtiroler Grüne wehren sich gegen Vereeinnahmung von Nazi-Versandhandel "antisem.it"

Ein rechtsextremes Versandhaus namens „antisem.it“ mit Sitz in Dortmund bietet neonazistisches Propagandamaterial an – und wirbt im Netz mit einem zauberhaften Panorama-Bild der Südtiroler Berge. Die grünen Landtagsabgeordneten haben jetzt eine formelle Anfrage an die Landesregierung gerichtet. Sie verweisen darauf, dass mit der Verwendung des Seiser Alm-Panoramabildes der Eindruck erweckt werde, als wären – Zitat – Südtirol und seine Bergwelt der Garten Eden neonazistischer Umtriebe. „Es liegt im Interesse der Landesregierung wie ganz Südtirols, solche Zusammenhänge zwischen Südtirol und rechtsextremer Agitation umgehend zu beenden, gegen die Betreiber der Seite mithilfe der Staatsanwaltschaft rechtlich vorzugehen und die Südtirol-Anklänge von antism.it zutilgen.“ (tageszeitung.it).

Antisemiten und Rassisten: Berlin warnt vor Schweizer Extremisten-Netzwerk "Europäische Aktion"

Die «Europäische Aktion» will aus der Schweiz heraus ein internationales Netzwerk mit braunem Gedankengut knüpfen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat diese Woche den Verfassungsschutzbericht präsentiert. Der Verfassungsschutz verweist in dem 360 Seiten langen Bericht unter anderem auf die Europäische Aktion (EA), die ein internationales braunes Netzwerk von der Schweiz aus knüpfen will. «Eine selbst für Rechtsextremisten besonders ausgeprägte antisemitische und revisionistische Agitation betreibt die Europäische Aktion», heisst es in dem Bericht. «Die international ausgerichtete EA verfolgt das Ziel, ein rechtsextremistisch-rassistisches Netzwerk aufzubauen.» In den Führungsstrukturen der EA seien «namhafte Rechtsextremisten» eingebunden, die Organisation finde mit einer «verbal-aggressiven Rhetorik Zugang zu jüngeren rechtsextremistischen Führungspersonen und somit auch zum Umfeld der aktionsorientierten neonazistischen Kameradschaftsszene». Die Schweizer Behörden sehen aber keinen Handlungsbedarf (bz.ch).

Gedankenspiele zu Landtagswahl: Brandenburgs CDU-Chef schließt Zusammenarbeit mit AfD nicht aus

Brandenburgs CDU-Chef und Spitzenkandidat Michael Schierack schließt eine Zusammenarbeit mit der euroskeptischen Alternative für Deutschland (AfD) nach der Landtagswahl im Herbst nicht aus. "Es gibt keine Denkverbote und keine Sprechverbote", sagte Schierack am Donnerstag. "Ausgeschlossen ist nur eine Koalition mit der Linken und der NPD. Dabei bleibt es." (PNN).

Ausstellung "Rechtsextreme Gewalt in Deutschland" in Baden-Württemberg

21 Fotos, die in ihrer vermeintlichen Einfachheit eine zum Nachdenken anregende Intensität in sich haben: Mit der Ausstellung „Rechtsextreme Gewalt in Deutschland 1990-2013“ bietet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg im Haus auf der Alb in Bad Urach keine leichte Kost. „Das ist keine angenehme und pflegeleichte Ausstellung", weiß Dr. Markus Hug. „Sie fordert viel von den Betrachtern.“ Intensive Auseinandersetzung mit den großformatigen Fotos und den Menschen nämlich: Die blicken meistens direkt den Betrachter an, stehen sozusagen Auge in Auge mit ihm – ob Täter oder Opfer, zivilcouragierter Politiker oder engagierte Privatpersonen, Aussteiger oder Aktivisten. Haus auf der Alb-Leiter Hug hat's beim Gang durch die Ausstellung selbst erfahren: „Man muss sich mit dem, was man sieht, extrem auseinandersetzen", beschreibt er seine Empfindungen. „Das lässt sich nicht vermeiden.“ Der Fotograf gebe dabei keine richtige oder falsche Leseart seiner Bilder vor. Dieser Fotograf ist Sean Gallup, der 1968 in Kalifornien geboren wurde und nun seit 2003 in Deutschland lebt. Er reiste mehrere Jahre durchs Land und dokumentierte rechtsextreme Gewalt, die ihm im Alltag begegnete und machte das Unbegreifliche greifbar: Jedes Gesicht auf seinen Fotos erzählt eine Geschichte (swp).

Flüchtlingsheim in Harvestehude: Mitten in den Wohlstand

Mitten in einer der teuersten Gegenden Hamburgs werden demnächst Kriegsflüchtlinge einziehen: In Harvestehude ist ein Flüchtlingsheim geplant. Der Bezirksamtschef sieht keinen Grund zur Diskussion, Anwohner schon (Spiegel Online).

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