18.06.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Ermittler finden Nagelbombe bei Rechtsextremisten in Gerolstein - Drei Festnahmen +++ Roma-Junge bei Paris fast zu Tode geprügelt +++ Projekte gegen Rechtsextremismus: Große Pläne, wenig Geld.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Ermittler finden Nagelbombe bei Rechtsextremisten in Gerolstein - Drei Festnahmen

In der Wohnung eines Rechtsextremisten in Gerolstein hat die Polizei einen mit Nägel bestückten Sprengkörper gefunden. Der 33-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Zwei weitere Männer wurden festgenommen. Das Landeskriminalamt hat die Bombe mittlerweile gesprengt. Nach Angaben der Polizei hatten Beamte des Zollfahndungsamtes Frankfurt die Wohnung am 3. Juni wegen Verdachts des Drogenhandels durchsucht und den selbst gebauten, etwa zehn Zentimeter langen und mit Nägeln bestückten Sprengkörper in der Wohnung gefunden (Volksfreund.de, SWR).

Roma-Junge bei Paris fast zu Tode geprügelt

Nach einem Lynch-Angriff in einem Pariser Vorort kämpft ein Roma-Junge um sein Leben. Der 16-Jährige liege im Koma, sein Leben sei in Gefahr, hieß es am Dienstag aus Justizkreisen in der französischen Hauptstadt. Ein Polizeivertreter sagte, der Jugendliche sei am vergangenen Freitag in einem sozialen Brennpunktviertel im Norden von Paris bewusstlos in einem Einkaufswagen gefunden worden. Er sei zuvor von "einem Dutzend" Menschen, die ihn für einen Einbruch in eine Wohnung verantwortlich machten, gewaltsam verschleppt und in einem Keller brutal misshandelt worden. Seine Mutter alarmierte die Polizei, weil sie ihren Sohn vermisste. Er lebte zusammen mit seiner Familie und anderen Roma in einem Lager rings um ein verlassenes Haus (Tagesspiegel, Hintergrund zur Situation der Roma in Frankreich in der Frankfurter Rundschau).

Projekte gegen Rechtsextremismus: Große Pläne, wenig Geld

Nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde versprachen alle Parteien mehr Mittel für Projekte gegen Rechts. Davon ist jetzt keine Rede mehr. So wird es auch mit dem neuen Bundesprogramm nichts mit einem Beratungsprojekte-Aufbau in den alten Bundesländer, die diese dringend benötigten (taz). Die Amadeu Antonio Stiftung begrüßt das neue Bundesprogramm, fordert aber auch eine finanzielle Aufstockung (Report-K). Der Anti-Linksextremismus-Bereich hat sich nicht bewährt und wird aufgegeben. Das neue Stichwort heißt "Deradikalisierung" (taz II). Die Süddeutsche Zeitung beschreibt zu Recht, dass bei der Hilfe für Opfer rechtsextremer Gewalt allerdings nur sehr wenig Geld ankommt: "Dabei werden insgesamt 30,5 Millionen Euro für Beratung aller Art ausgegeben. Doch von den Millionen gehen viele für bürokratische Wasserköpfe drauf, für all die Netzwerke und Lenkungsgruppen und Zertifizierungsanläufe, die sich das Ministerium in Berlin in den vergangenen Jahren ausgedacht hat. Viel Papier wurde da beschrieben, viel Zeit für Abstimmung vertan, alles hört sich wichtig, groß und wissenschaftlich an. Doch wenn es darum geht, den überfallenen Asylbewerber in seiner Unterkunft am Waldrand aufzuspüren, mit ihm zu reden und sein Vertrauen zu gewinnen, dann bleibt das meist an vier, fünf Menschen in einem Bundesland hängen - Menschen wie Antje Arndt.  Dabei besteht Bedarf: 737 Angriffe von Rechtsradikalen mit insgesamt 1086 Betroffenen zählten die Opferberatungen im vergangenen Jahr. Und das ist nur die Zahl für die fünf neuen Länder und Berlin.

Halle: Verharmlosendes Plädoyer für rechte Schläger: "Jeder hat sich mit jedem geschlagen"

Im Prozess um einen Überfall vor einem Jugendclub im sachsen-anhaltinischen Sangerhausen 2011 sieht die Staatsanwaltschaft einen Angriff von Neonazis auf Punks als nicht erwiesen an. Jeder habe sich mit jedem geschlagen und sich gegenseitig provoziert, zudem seien die Zeugenaussagen teils widersprüchlich gewesen, sagte Staatsanwalt Albrecht Wetzig am Montag vor dem Landgericht Halle. Mangels Beweisen forderte er Freispruch für vier der fünf Angeklagten. Keinen Zweifel habe er an der extrem rechten Gesinnung der Männer. Ein 32 Jahre alter Angeklagter solle wegen fahrlässiger Körperverletzung zu sieben Monaten Haft verurteilt werden. Die fünf Neonazis im Alter von heute 22 bis 33 Jahren waren wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Sie sollen vor dem Jugendclub, wo ein Konzert stattfand, mehrere Punks mit Eisenstangen überfallen und verprügelt haben, hieß es in der Anklage. Die Nebenklage zeigte sich vom Plädoyer der Staatsanwaltschaft schockiert. Das Urteil soll am 25. Juni gesprochen werden (JW).

Verfassungsschutz: Rechte Szene in Thüringen zunehmend aktiv

Die rechtsextreme Szene in Thüringen hat im vergangenen Jahr ihre Aktivitäten in der Öffentlichkeit erheblich verstärkt. Wie aus dem am Dienstag in Erfurt vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2013 hervorgeht, rief allein die NPD als Partei zu 32 Kundgebungen und Demonstrationen auf. Ein Jahr zuvor waren es noch 18 Demos gewesen. Allerdings konnte die Partei nicht mehr so viele Teilnehmer wie 2012 mobilisieren. Auch die Neonazi-Szene trat häufiger öffentlich in Erscheinung (Thüringer Allgemeine). "Bestürzend" aber ist für Innenminister Jörg Geibert (CDU) vor allem die gestiegene Zahl von schweren Gewaltdelikten. Im vergangenen Jahr wurden 49 derartige Vorfälle erfasst - auch das waren etwa doppelt so viele wie 2012. Unter den Begriff Gewaltkriminalität fallen Delikte wie Tötungen, Körperverletzung, Brandstiftung oder Erpressung (Thüringer Allgemeine II).

Kundgebung in Dresden: Polizei eskortiert NPD-Demonstranten in Landtagsgebäude

In Dresden ist eine Demonstration der NPD eskaliert. Nach Abschluss der Veranstaltung flüchteten etwa 40 Mitglieder und Anhänger der rechtsextremen Partei vor etwa hundert Gegendemonstranten in den nahe gelegenen Sächsischen Landtag. Die Polizei musste die NPD-Sympathisanten dabei sogar beschützen. Dem Bericht zufolge hatten die NPD-Demonstranten die Eskalation selbst provoziert: Lautstark hätten sie verkündet, dass sie unter Polizeischutz zum Landtag ziehen würden (Spiegel online, ND, OVZ)

Prozess in Mannheim: Neonazi-Erzieher hetzte bei der Arbeit

Die Stadt Mannheim hat Mitte Mai einen 25-jährigen Erzieher fristlos entlassen, nachdem bekannt geworden war, dass der junge Mann, der seit 2010 im Hort eines Kinderhauses auf dem Waldhof arbeitet, als Neonazi und Hooligan aktiv sein soll. Dieser hat dagegen umgehend Klage beim Arbeitsgericht eingereicht. Nun läuft der Prozess. Dabei gibt es spannende Details, wie der Erzieher bei der Arbeit hetzte:Entlarvend seien einige Bilder auf seinen Facebook-Profilen: Eines zeige, dass er im Hort mit Legosteinen eine Straßenkampfszene mit einer stilisierten Blutlache nachgestellt habe, ein anderes zeige ihn selbst mit einem langstieligen Stichmesser zwischen den Zähnen, erläuterte der Anwalt. All dies spreche aus Sicht der Stadt dafür, dass der 25-jährige für den Beruf des Erziehers nicht geeignet sei und die Gefahr bestehe, dass er versuche, die ihm anvertrauten Kinder in seinem Sinne zu beeinflussen. Dies sei offenbar auch schon geschehen. Als ein Kind ihm einmal einen großen Stein gezeigt habe, den es gefunden habe, habe der Kläger ihm erklärt, der sei „ja wirklich sehr gut für den 1.  Mai geeignet“; ein andermal habe er einem Hortkind, das auf einem Bild mehr dunkel- als hellhäutige Kinder gemalt hatte, erklärt, es sei doch traurig, dass es nun schon mehr ausländische als deutsche Kinder gebe (Stuttgarter Zeitung). 

Volksverhetzung, Drohungen, Videos: Akten gegen "Besseres Hannover" kommt in Umzugkartons ins Gericht

Zwei Wachtmeister karren Umzugskartons voller Akten ins Landgericht Hannover. Inhalt: Belastendes Material gegen die verbotene rechtsextreme Organisation „Besseres Hannover“!
Verstaut in 19 Kisten, traf die Papierlawine der Staatsanwaltschaft Hannover bei der 2. Großen Strafkammer ein: Hunderte Ordner, in denen der mächtige Ermittlungskomplex „Besseres Hannover“ penibel aufgeführt ist (u. a. Hefte mit Spurenauswertungen und Durchsuchungsergebnissen). Die Anklageschrift ist 31 Seiten lang. 
Monatelang hatten Staatsschützer gegen die rund 40 Mitglieder starke Neonazi-Gruppe wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Doch der Verdacht hat sich nicht bestätigt. Thomas Klinge, Sprecher der Staatsanwaltschaft: „Die Begehung von Straftaten war nicht Vereinszweck von ‚Besseres Hannover.’“ Übrig blieb die Anklage gegen die Führungsspitze. Gegenwärtig laufen noch Ermittlungen gegen weitere Ex-Mitglieder: Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz (BILD).

Braunes Stühlerücken in Baden-Württemberg – ein Rechtsruck im Ländle?

Am 25. Mai 2014 haben in Baden-Württemberg und neun anderen Bundesländern Kommunalwahlen stattgefunden. Nun sind in mindestens 10 kommunalen Vertretungen rechtsextreme oder rechtspopulistische Abgeordnete vertreten, können dort hetzen und ihre rechte Propaganda vor Publikum verbreiten. In Mannheim schickt die NPD erstmals seit 40 Jahren einen Neonazi in den Gemeinderat, der wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung vorbestraft ist. In Baden-Württemberg erzielen rechte Parteien auf kommunaler Ebene bescheidene Wahlerfolge, aber sie schaffen es dauerhaft, ihr Wählerinnen- und Wählerpotential zu mobilisieren (mut-gegen-rechte-gewalt.de).

Lesetipp: Alter Hass in neuen Kleidern - "Die Rechte"

Eine neue Broschüre der Beratungsstelle “Back up” aus Dortmund berichtet detailliert über die Neonazi-Partei “Die Rechte”. Zur Arbeit des Vereins gehört die Beratung von Opfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt sowie Hilfe zum Ausstieg aus der rechtsextremen Szene. Aber auch die Information der Öffentlichkeit über die rechtsextremen Strukturen und Aktivitäten in Westfalen sind Vereinsziel. Auf 36 Seiten wird in “Alter Hass in neuen Kleidern” analysiert, wie “Die Rechte” als Sammelbecken militanter Neonazis aus verbotenen Kameradschaften fungiert. Sie führen unter dem Deckmantel der Partei ihre Arbeit weiter (Störungsmelder).

Regierung zur Deutschen Burschenschaft: "Vereinzelt" Kontakt zu Rechtsextremen

Die stramm rechten Akademiker und völkischen Ideologen der Deutschen Burschenschaft haben von der Politik derzeit nichts zu fürchten: Es gebe kaum Kontakte zu Rechtsextremen, sagt die Bundesregierung. Die Opposition ist entsetzt. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei, Ulla Jelpke, kommt zu einer anderen Einschätzung: Der Dachverband sei zu einem "harten rechtsextremen Kern zusammengeschrumpft", teilt sie mit. Doch weiterhin schütze die Regierung den Verband. Warum? Weil die Bundesregierung Rücksicht nehme auf die Alten Herren in Wirtschaft und Politik, erklärt Jelpke. "Diese Verharmlosung der Neonazis in Nadelstreifen muss endlich ein Ende haben." (Spiegel online) Die Burschenschaft "Danubia" lädt derweil einen rechtsextremen Journalisten aus Österreich ein - und wieder aus (sueddeutsche.de).

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