17.09.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Hamburg: Übergriffe auf jesidische und christliche Asylbewerber +++ Debatte zum AfD-Wahlsieg: Wenn das "normal" ist, ist es lange nicht gut +++ Rassismus in NRW-Polizeiklasse: Auch Mitläufer wird suspendiert.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Hamburg: Übergriffe auf jesidische und christliche Asylbewerber

Ein privater Hamburger Sicherheitsdienstleister beschäftigte bis vor kurzem Sunniten, die christliche Flüchtlinge in der Unterkunft Schnackenburgallee "quälten und schlugen". Obwohl es nach dem Bekanntwerden dieser Vorfälle zu Entlassungen kam, sind kurdischsprachige Jesiden (die von islamischen Extremisten als "Teufelsanbeter" verfolgt werden) und Christen nach Informationen der Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir weiterhin Schikanen ausgesetzt. In den konkreten Fällen, die die kurdischstämmige Linken-Fachsprecherin für Soziales und Integration in einer Pressemitteilung nennt, kommen die Täter allerdings nicht aus dem Sicherheitspersonal, sondern aus den Reihen anderer Asylbewerber und von außerhalb (heise.de).

Debatte zum AfD-Wahlsieg: Wenn das "normal" ist, ist es lange nicht gut

Ewiggestrige Protestpartei, die sich von selbst entzaubern wird: So lautet das gängigste Urteil über die Alternative für Deutschland. Doch im internationalen Vergleich hat dem bundesdeutschen Parteienspektrum eine Partei wie die AfD gefehlt. Denn rückwärtsgewandte, auf den eigenen Vorteil bedachte, latent rassistische und homophobe Spießer gibt es in Deutschland - wie in vielen anderen europäischen Ländern - eben viele (Kommentare bei Spiegel online). Cicero nutzt das schöne Bild: "Man wartete immer auf einen glamourösen Mann oder eine glamouröse charismatische Frau, die dieses Potenzial hierzulande kristallisieren und an sich binden würde. Und dann kam Bernd Lucke. Eine viel idealere Figur für den Neo-Nationalismus hierzulande. Denn der muss auf leisen Kreppsohlen daherkommen."

Aydan Özoguz: "AfD macht Stimmung gegen Migranten und Schwule"

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hat der Alternative für Deutschland (AfD) Stimmungsmache gegen Ausländer vorgeworfen. "Die AfD macht Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten, Muslime, Homosexuelle und behinderte Menschen", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post". Die AfD schüre Angst vor Asylrecht, Flüchtlingshilfe und Zuwanderung, kritisierte Özoguz. Damit verschärfe die rechtskonservative Partei Probleme, statt zur Lösung beizutragen (Berliner Morgenpost).

Streitet endlich mit der AfD!

Die Arroganz der Volksparteien hat die Alternative für Deutschland erst möglich gemacht. Die Politik der Ausgrenzung stärkt sie immer weiter. Auch wenn es sehr unangenehme Ausfälle gegeben hat: Der Versuch, die bisweilen spießig daherkommenden Konservativen der AfD allesamt als rechtsextrem zu brandmarken, hat diese zuletzt nur weiter gestärkt. Weil sie sich einmal mehr als Opfer der Ausgrenzung aufführen konnten. Für den Hamburg-Wahlkampf sollte man daraus lernen: Isolierung funktioniert nicht. Also streitet endlich mit der Partei der populistischen Professoren! Ein Blick in ihr wenig brillantes Programm zeigt: Angst muss man davor nicht haben (Hamburger Abendblatt). Der stern kommt übrigens zu einem anderen Schluss: Vergesst die AfD, kümmert Euch um die Nichtwähler! Man kann ja auch das eine tun und das andere nicht lassen.

Nichtwähler: „Die Dörfer kapseln sich ab“

Rechtsextreme Parteien hatten bei der Landtagswahl keine Chance. Allerdings sehen Parteienforscher die geringe Wahlbeteiligung als problematisch an. Henning Kraudzun sprach darüber mit Dirk Wilking, Rechtsextremismus-Experte und Geschäftsführer des Instituts für Gemeinwesen, das demokratische Mitwirkung fördert. Der meint: "Im ländlichen Raum sind etablierte Parteien kaum noch existent. In manchen Gemeinden haben sie kein einziges Mitglied. Die Menschen in den Dörfern kapseln sich immer mehr ab, da sie ihre Interessen kaum noch vertreten sehen." (moz).

Brandenburg und Thüringen: Das sind die Neuen von der AfD

Ein Foto-Panoptikum über die neuen Politiker in Brandenburg, dass die Partei interessant illustriert, beim rbbmaz-online hat dazu geschrieben. Und die Thüringische Landezeitung macht eine solche Betrachtung für die Thüringer Abgeordneten, in der sich schöne Sätze finden wie "Politische Expertise, sagt sie, besitze sie keine - was sie aber als Vorteil betrachte. Dass Wiebke Muhsal mal eben so Abgeordnete mit einer monatlichen Grundentschädigung von 5030,24 Euro wird, hat mit einer anderen bemerkenswerten Kombination von Zahlen zu tun."

Back to the 90s und zum Extremismus der Mitte?

Dreimal wurde in den ostdeutschen Bundesländern unlängst gewählt, dreimal ist die rechtsextreme NPD durchgefallen. Ein Grund zur Freude, doch leider kein Grund zur Entwarnung. Es droht ein Rückfall in die 90er Jahre, als die Parlamente zwar nazifrei waren, die Abgeordneten dennoch Flüchtlingsrechte abschafften und der rassistische Mob gegen Asylbewerberheime und Häuser von Migranten wütete. Längst sind auch in Bayern Petitionen, Demos und Übergriffe gegen Flüchtlinge wieder an der Tagesordnung (Bayerischer Rundfunk).

Rassismus in NRW-Polizeiklasse: Auch Mitläufer wird suspendiert

Nach dem Rassismusvorfall in einer Polizeiklasse in NRW muss auch ein zweiter Polizeianwärter gehen. Er hatte rassistische Bilder verbreitet. Im Rassismusskandal unter rheinischen Polizeianwärtern stand der Hauptbeschuldigte nicht allein. Zu diesem Schluss kommt eine vom Aachener Polizeipräsidenten eingerichtete Ermittlungskommission. Nach Vorlage ihres Berichts wurde am Dienstag ein weiterer Beteiligter suspendiert und ein Entlassungsverfahren eingeleitet. Es geht um Vorfälle in einem 32-köpfigen Studienkurs an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Köln. Über Monate hatte ein Teilnehmer eine Kommilitonin mit ausländischen Wurzeln rassistisch beleidigt und rechtsextreme Bilder über die Polizeianwärtergruppe im Kurznachrichtendienst WhatsApp gepostet. Der 19-Jährige wurde letzte Woche suspendiert (tazAachener Zeitung).

Muslime gegen Hass und Rassismus: Bundesweite Aktion am 19. September

Die vier großen muslimischen Religionsgemeinschaften im Koordinationsrat der Muslime (KRM) rufen zu einer gemeinsamen Aktion gegen Hass und Rassismus am 19. September auf. In Berlin wurde das Vorhaben in der Bundespressekonferenz vorgestellt. 2.000 Moscheen werden sich laut KRM beteiligen.Die Anschläge und Übergriffe auf Moscheen haben die Muslime in Deutschland laut Ali Kızılkaya, Islamratsvorsitzender und aktueller Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), beunruhigt. „Gotteshäuser sind Orte des Friedens, sie gehören besonders geschützt“, sagte Kızılkaya heute in der Bundespressekonferenz in Berlin. Das gelte für alle Gotteshäuser, egal ob Kirche, Synagoge oder Moschee. Auch weil die Anteilnahme der Bevölkerung an den Moscheebränden vermisst wurde, rufen nun die Religionsgemeinschaften am Freitag (19.09.2014) zu einer gemeinsamen bundesweiten Aktion gegen Hass und Rassismus auf. „Wir wollen Extremismus jeglicher Couleur eine Absage erteilen“, erklärte Kızılkaya zum Vorhaben. Man hoffe, dass ein Miteinander in Deutschland bei dieser Aktion auch eine positive Signalwirkung auf die Konflikte im Nahen Osten habe (islamiq.de).

NPD-Politisierung im Stadion: "Flagge zeigen für Hehli" beim SV Waldhof

Beim vergangenen Waldhof-Spiel haben mehrere Männer “Flagge für Hehli” gezeigt – sie beklagten ein Stadionverbot für den neu gewählten NPD-Stadtrat. Droht eine Politisierung der Fan-Szene durch Rechtsextreme über das “gewohnte Maß” hinaus? (rhein-neckar-blog).

SZ Osterbek entlässt fünf Spieler wegen Nazi-Verdacht

Tattoos mit Nazisymbolen und ein Spieler, der die erste Strophe des Deutschlandliedes vor dem Anstoß gesungen haben soll: Wegen mutmaßlicher rechtsradikaler Vorkommnisse bei einigen Kickern hat der SC Osterbek die dritte Herren-Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet. Außerdem hatte der Verein vor dem Rückzug der Mannschaft bereits erste Konsequenzen gezogen und fünf Spielern, die unter dem Neonazi-Verdacht stehen, die Vereinsmitgliedschaft gekündigt. "Wir haben umgehend gehandelt, als wir davon erfahren haben", sagte Präsident Jürgen Lehmann. Derzeit wird untersucht, ob es noch weitere Fälle in der Mannschaft gibt (t-online-News).

Frank Franz will die NPD "sympathischer" machen

Das erscheint wie eine ziemlich unlösbare Aufgabe, die sich der aktuelle NPD-Pressesprecher und designierte Kandidat für einen NPD-Bundesvorsitz da vorgenommen hat!. Die taz berichtet über Strategiegespräche in der NPD.

„Überrascht?”: Aktion räumt mit Vorurteilen gegenüber Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien auf

„Wir haben in Dortmund ein erfolgreiches Konzept – und das lautet Vielfalt“, betont Bürgermeister Ullrich Sierau. „Ökonomisch, sozial, kulturell. Das war nie anders. Die Menschen sind immer gerne nach Dortmund gekommen.“ Genau das macht auch den Erfolg der heimischen Unternehmen auf dem Weltmarkt aus. Ihre internationalen Mitarbeiter und Kunden fühlen sich wohl. „Doch die Willkommenskultur hat Brüche erlebt“, warnt der OB. Daher hat unterstützt er als Schirmherr die neue Aktion des Planerladens gegen Rassismus (nordstadtblogger.de).

Rechte Schwedendemokraten: Der Wolf im Schafspelz

Die Schwedendemokraten geben sich seriös. Doch die Ziele der Partei sind knallhart rechtspopulistisch. Ihr Erfolg bei der Parlamentswahl hat selbst Experten überrascht. Doch wie mit der drittstärksten Kraft umgehen? (Handelsblatt)

Ukrainischer Abgeordneter vor Parlament in Mülltonne geworfen

Am Rande der Sitzung des ukrainischen Parlaments in Kiew, bei der über das Assoziierungsabkommen mit der EU abgestimmt wurde, kam es vor dem Parlamentsgebäude zu gewalttätigen Ausschreitungen von Anhängern der rechtsextremen Parteien Swoboda und Rechter Sektor. Dabei wurden Barrikaden aus Autoreifen in Brand gesteckt. Der oppositionelle Abgeordnete Vitaly Zhuravsky wurde vom Mob angegriffen und in eine Abfalltonne geworfen. Danach warfen die Demonstranten einen Autoreifen auf den Mandatar und überschütteten ihn mit einer Flüssigkeit (Der Standard).

NSU-Prozess: Zschäpe-Verteidiger werfen Gericht Formfehler vor

Das Oberlandesgericht München hat ein weiteres Mal versucht, die genaue Herkunft der wichtigsten Mordwaffe des NSU-Trios zu klären. Als Zeuge war am Dienstag ein Schweizer Polizist geladen, der einen mutmaßlichen Mittelsmann in der Schweiz zu der „Ceska“-Pistole vernommen hatte. Die Befragung des Polizisten wurde immer wieder wegen Streits um juristische Verfahrensfragen unterbrochen. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und ihres mutmaßlichen Helfers Ralf Wohlleben warfen dem Gericht Formfehler vor. Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl widersprach der Verwertung der Zeugenbefragung als Beweismittel (Mainpost).

Vom Radikalen zum Versöhner: Ahmad Mansour - ein palästinensischer Muslim, der Antisemitismus bekämpft

Alternativen zum Hass: Ahmad Mansour ist in Berlin für seine Arbeit mit muslimischen Jugendlichen mit dem Moses-Mendelssohn-Preis 2014 ausgezeichnet worden. Eine Laudatio (Tagesspiegel).

Dragqueen tritt vor Europaparlament auf: Europa streitet um die Wurst

Conchita Wurst soll vor dem EU-Parlament singen: Das wird in Brüssel zum Politikum. Ihr Auftritt dürfte bis zu 22.000 Euro kosten. Gut angelegtes Geld, finden die Grünen. Die AfD tobt – doch nicht wegen der Kosten (Handelsblatt).

Politischer Comic: Der Rassist im Bilderbuch

In seinem Comic "Papa in Afrika" lässt Anton Kannemeyer weiße Protagonisten auf Schwarze schießen. Der Südafrikaner will mit seinen brutalen und verstörenden Zeichnungen klar machen: Rassismus ist längst nicht ausgestorben (Spiegel online).

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