Nach den Rechten sehen: Brandanschlag auf Linkes Konzert – Neonazi soll straffrei bleiben +++ Geflüchteten Behandlung verweigert – Struktureller Rassismus tötet +++ Querfront kapert Montagsdemos.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Brandanschlag auf Linkes Konzert – Neonazi soll straffrei bleiben
Nachdem vor sieben Jahren ein Brandanschlag auf ein antifaschistisches Fest in Bern missglückte, soll der Hauptverdächtige, ein Neonazi aus Seeland, nach dem Willen der Staatsanwaltschaft straffrei davon kommen. Der Brandanschlag hatte nur deshalb keinen Erfolg, weil der Rucksack mit der Brandbombe entdeckt und aus dem Gebäude getragen wurde, bevor der Brandsatz explodierte. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei Materialien zum Bombenbau und Schusswaffen. Eine DNA-Probe ergab eine Übereinstimmung des Profils des Mannes mit auf dem detonierten Brandsatz sichergestellten Spuren. Trotz dieser starken Indizien ist die Bundesanwaltschaft sich sicher- dem Neonazi kann keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden. Gegen die Einstellung des Verfahrens hat der Anwalt der Konzertveranstalter*innen Beschwerde eingelegt (derbund.ch).
Geflüchteten Behandlung verweigert – Struktureller Rassismus tötet
Die Verweigerung einer ärztlichen Behandlung endete für das Kind einer Geflüchteten aus Ghana tödlich. Die Kinderklinik in Hannover wies das Frühchen ab, weil der Krankenschein fehlte. Als die Mutter über eine ihr bekannte Kinderärztin die Einweisung ins Krankenhaus organisierte, war es zu spät. Ihr Kind starb auf dem Weg in die Klinik. Der Landesvorsitzende des afrikanischen Dachverbands, Abayomi Bankole, äußerte sich empört: "Wir werden es uns nicht mehr gefallen lassen, dass die medizinische Behandlung vom Status einer Person abhängig ist." Für den Flüchtlingsrat Niedersachsen ist dies ein klarer Fall von strukturellem Rassismus. In Notfällen müssten Geflüchtete keinen Krankenschein vorlegen, wie dies durch das Asylbewerberleistungsgesetz vorgeschrieben wird. Der Krankenschein sei eine unnötige Hürde, die die Gesundheit von Geflüchteten gefährde: "Eine Aufnahme im Krankenhaus wäre wohl ohne Probleme erfolgt, wären Mutter und Kind in einer regulären gesetzlichen Krankenversicherung gewesen" (taz.de, hannover-zeitung.net).
Querfront kapert Montagsdemos
Rund um Montagsabenddemonstrationen hat sich eine "neurechte" Friedensbewegung gegründet. Hier treffen Reichsbürger*innen auf Querfrontler*innen aus dem "Compact"-Umfeld, Truther auf Neonazis. Inhaltlich getrieben werden die Organisator*innen von der Idee, dass unter anderem "die Medien-Mafia" einen 3. Weltkrieg gegen Russland entfesseln wolle. Auch die klassische antisemitische Verschwörungstheorie, dass das "jüdische Finanzkapital" über die Federal Reserve Bank der USA die Welt lenke, wird verbreitet. Gleichzeitig äußert sich Demo-Organisator Mährholz lobend über den Münchner BIA-Stadtrat und NPD-Mitarbeiter Kai Richter. Die Organisator*innen des Bündnisses "Weg mit Hartz IV!", die traditionell Montagsdemos anmelden, haben sich bereits von der neuen "Bewegung" distanziert und warnen vor Verschwörungstheorien sowie "nationalistischen und rassistischen" Tendenzen. Die Taz und der Stoerungsmelder beleuchten die Hintergründe dieser Montagsdemos ausführlich (taz.de, stoerungsmelder).
Deutsche Medien: Spamangriff mit rechten Verschwörungstheorien
Darüber hinaus werden Verschwörungstheorien, nach denen die deutsche "Propaganda-Presse" die Wahrheit über den Konflikt in der Ukraine bewusst verschweigen würde, massiv im Internet beworben.Dies passiert zumeist ausgehend von der Facebook-Seite "Anonymous.Kollektiv", die der Presse kriegstreiberisches und hetzerischisches Verhalten vorwirft, und Anhänger*innen aufruft, die Facebook-Präsenzen deutscher Leitmedien mit Werbung für ihre Ansichten zu bombadieren. Aktivist*innen der ursprünglichen Anonymous-Bewegung distanzierten sich von der Facebookseite, die ebenso wie die Montagsdemos in Verbindung zu rechten und antisemitischen Verschwörungstheoretiker*innen steht (spiegel.de, deutschlandfunk.de).
Unterlassene Hilfeleistung in Geflüchteten-Unterkunft
In einem Prozess gegen einen Arzt, zwei Pförtner und eine Angestellte der Unterkunft in Zirndorf müssen sich die Angeklagten wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung sowie unterlassener Hilfeleistung eines kranken Kindes verantworten. Eine befragte Ärztin belastete die Angeklagten schwer. Das Kind, welches Anzeichen einer Meningokokkeninfektion aufwies, hätte wesentlich schneller behandelt werden müssen. Stattdessen ignorierten die Angeklagten den schlechten Gesundheitszustand des Kindes (aerztezeitung.de).
NSU: Sinti und Roma beklagen Generalverdacht
Der Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland fordert eine Entschuldigung des Landes Baden-Württemberg wegen diskriminierender und pauschalisierender Aussagen in den Ermittlungsakten zu den NSU-Morden. Mehrere Roma hatten sich in der Nähe des Tatorts des Mordes an Michèle Kiesewetter aufgehalten, und wurden deshalb von Kriminalbeamt*innen befragt. So heißt es beispielsweise über einen vernommenen Roma-Mann, die Lüge sei "ein wesentlicher Bestandteil seiner Sozialisation". Auch andere diskriminerende Ausdrücke wurden in den Akten gebraucht (tagesspiegel.de).
NSU: Mal wieder Zeugin mit Gedächtnislücken
Im NSU-Prozess wurde Jana J., die frühere Freundin des mutmaßlichen NSU-Unterstützers André Kapke vernommen. Sie beschrieb das Trio aus Zschäpe, Mundlos, und Böhnhardt als "eingeschworene Bande". Bei anderen Ereignissen sieht es mit ihren Erinnerungen nicht so gut aus. So kann sich J. nicht daran erinnern, dass Zschäpe an einer Straßenbahnhaltestelle eine junge Frau zu Boden geworfen und schwer verletzt haben soll. Laut den Akten stand J. allerdings bei der Tat direkt daneben (rp-online.de).
Leipzig: Rechte Moschee-Gegner*innen scheitern mit Petitionsübergabe
Mitglieder der von der NPD gestützten Bürgerinitiative "Gohlis sagt Nein" scheiterten mit ihrem Vorhaben, Oberbürgermeister Jung (SPD) eine Petition mit Unterschriften gegen den Bau der Ahmadiyya-Moschee zu übergeben. Jung verweigerte die Annahme: "Ich nehme von Nazis persönlich keine Petition entgegen". Als Gegengewicht zur rechten Bürgerinitiative hat sich das Bündnis "Leipzig sagt Ja" gegründet (dnn-online.de).
Österreich: Schwarze von Behörden diskriminiert
Laut einer Grazer Studie glauben 70% der befragten Schwarzen Österreicher nicht an eine Gleichbehandlung durch das österreichische Rechtssystem. Die Hälfte der Befragten gab zudem an, schon einmal rassistisch angegangen worden zu sein. Ein Drittel der Befragten beklagt darüber hinaus von Behördenvertreter*innen respektlos behandelt worden zu sein. Das Fazit der Wissenschaftler*innen des Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC): "Von den österreichischen Justiz- und Verwaltungsinstitutionen wird in hohem Ausmaß hinsichtlich der Anzahl der Betroffenen und mit großer Häufigkeit in Hinblick auf die Erfahrung einzelner Personen das Verbot rassistischer Diskriminierung verletzt" (derstandard.at).
Südtirol: Ermittlungen gegen antisemitisches Hetznetzwerk
Die Bozener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ein neonazistisches Netzwerk, welches über Internetplattformen, Vereine mit unverdächtigen Namen, DVDs und selbsthergestellte Zeitschriften antisemitische, neonazistische und rassistische Propaganda verbreitet. Offenbar wird das Netzwerk von Norwegen aus gesteuert und hat Verbindung zur organisierten europaweiten Neonaziszene. Nach einem Gewaltaufruf gegen sie stellten zwei Mitglieder der jüdischen Gemeinde Südtirol Strafanzeige. 7 Personen konnten in Italien ermittelt werden, gegen sie wurde Anklage wegen Anstiftung zum Rassenhass, Verteilung antisemitischer Hetzschriften und Diskriminierung der jüdischen Religion erhoben (salto.bz).
USA: Neonazis verlieren an Zuwachs und bleiben gefährlich
Aktuelle Zahlen aus den USA zeigen, dem kürzlich verübten Attentat auf jüdische Einrichtungen zum Trotz, einen Rückgang der Mitgliedszahlen von rassistischen und neonazistischen Gruppen. Dies ergeben die Zahlen aus dem Jahresbericht des "Southern Poverty Law Center "(SPLC). Die Zahl der rassistischen Gruppen sank zwischen 2012 und 2013 von 1007 auf 939, die der rechtsnationalen "Patriot-Gruppen" von 1360 auf 1096. Im historischen Vergleich bleiben die Zahlen aber dennoch hoch, allerdings ist der Aufwind, den solche Gruppen nach der Wahl von Barack Obama erhielten, vorerst vorüber. Die Gewaltbereitschaft der Rassist*innen ist nach wie vor groß. Das SPLC kündigte die Veröffentlichung einer Studie an, nach der alleine Benutzer der neonazistischen Website "Stormfront.org" in den letzten fünf Jahren fast 100 Morde verübten (20min.ch).
AfD-Spitzenkandidat für Düsseldorf ist ehemaliger Republikaner
Im Wahlkampf für den Düsseldorfer Stadtrat wird die AfD von einem ehemaligen Mitglied der Rechtspartei "Die Republikaner" angeführt. Ulrich Wlecke war zwischenzeitlich Schatzmeister der Partei, arbeitete nach seinem Austritt auf Einladung der FPÖ im österreichischen Parlament. Wlecke ist außerdem Mitglied der rechtsgerichteten Burschenschaft "Franconia" Münster" (rp-online.de).
Scheinfeld organisiert sich gegen NPD-Veranstaltungen
Die nordbayrische Stadt Scheinfeld, in der die NPD am Abend vor der Europawahl ihren Wahlkampfabschluss feiern möchte, kann auf die breite Unterstützung der Bevölkerung zählen. Auf einer Informationsveranstaltung wurde das Konzept der Stadt vorgestellt. Diverse Kundgebungen und Veranstaltungen gegen Rechts sollen stattfinden, zudem sind die Auflagen für die Nazi-Veranstaltungen so streng wie möglich. Eine NPD-Mahnwache wurde verboten, für das anschließende Konzert ist die Gästezahl auf 400 Neonazis beschränkt, obwohl die NPD deutlich mehr Gäste erwartet (nordbayern.de).
Initiative "Hellersdorf hilft" geehrt
Die Berliner Initiative "Hellersdorf hilft", die sich spontan aus Unterstützer*innen der neu nach Hellersdorf gekommenen Geflüchteten gründete, wurde für ihr zivilgesellschaftliches Engagement mit einem Preis des Wettbewerbs "Aktiv für Demokratie und Toleranz" geehrt. Die Initiative setzt sich für eine bessere "Willkommenskultur" für Geflüchtete in Berlin-Hellersdorf ein. Demnächst soll ein von Geflüchteten selbstverwaltetes Ladenlokal im Bezirk eröffnet werden. Dieses soll als Begegnungsstätte für die Bewohner*innen des Heims und der Nachbarschaft dienen (rbb-online.de).