11.11.2013 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Juden fürchten wachsenden Hass in Europa +++ Jüdische Friedhöfe in Siegen und Bad Berleburg geschändet +++ Pogromgedenken in Sachsen: Bürgerproteste in Schneeberg und Leipzig im Blick.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Juden fürchten wachsenden Hass in Europa

Die EU-Agentur für Grundrechte hat eine der umfangreichsten Studien zum Alltag der Juden in Europa vorgestellt. Das Ergebnis ist erschreckend: Die Mehrheit fühlt sich bedroht. (n24, Tagesspiegel) Der Direktor der EU-Agentur für Grundrechte Morten Kjaerum nannte die Studie in einem Interview "einen Weckruf". (Jüdische Allgemeine) Antisemitismus ist in allen Bevölkerungsgruppen präsent und wird offen gezeigt, warnen Experten. Judenfeindliche Klischees gehörten mittlerweile zum Alltag. (Zeit Online) Und das laut der Studie in ganz Europa – in Ungarn denkt etwa jeder zweite Jude über eine Auswanderung nach. (der Standard)

Unterdessen hat der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, anlässlich der Gedenkfeiern zum Jahrestag der Reichspogromnacht einen weiterhin in Deutschland herrschenden Antisemitismus beklagt. Dem NDR sagte Kramer am Samstag, Juden erlebten nach wie vor Hass "in seiner gesamten Brutalität, wie wir ihn eigentlich seit Jahrhunderten erleben." (Augsburger Allgemeine) Auch Rabbiner Daniel Alter erklärte im Interview: "Es gibt No-Go-Areas für Juden." (Tagesschau.de) Ebenfalls zum Jahrestag der Reichspogromnacht forderte Bundespräsident Joachim Gauck, die Deutschen sollten gegen Neonazis aktiv aufstehen. Gedenken allein reiche nicht. (Deutsche Welle, Stern.de) NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)rief ebenso dazu auf, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegen zu treten. (WDR Online) In Berlin haben scheinbar zerstörte Schaufenster an die Pogromnacht 1938 erinnert. (Tagesspiegel) Währenddessen wurden auf der Homepage der Gedenkstätte Yad Vashem 900 Interviews mit Überlebenden der Pogromnacht online gestellt. (der Standard) Fünf junge Historiker haben derweil die Geschichte des 9. November 1938 via Twitter nacherzählt. (Kölner Stadt-Anzeiger)

Jüdische Friedhöfe in Siegen und Bad Berleburg geschändet

Die Neonazi-Szene hat im Raum Siegen-Wittgenstein offenbar wieder zugeschlagen. Ausgerechnet in der Nacht vor dem Jahrestag der Judenpogrome der Nationalsozialisten vor 75 Jahren wurden gleich zwei jüdische Friedhöfe geschändet. (Der Westen)

Pogromgedenken in Sachsen: Bürgerproteste in Schneeberg und Leipzig im Blick

Sachsen hat am 75. Jahrestag der Pogromnacht von 1938 an diesem Samstag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und zum Widerstand gegen Hass und Rassismus gemahnt. Die aktuellen Proteste von Bürgerinnen und Bürgern gegen das Schneeberger Flüchtlingsheim oder den Moschee-Neubau in Leipzig zeigten, dass es nicht mehr nur um Rechtsextremismus geht, sagte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Dresden, Nora Goldenbogen, am Freitag bei einer Feierstunde an der Neuen Synagoge. (Leipziger Volkszeitung) Unterdessen erklärte Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer, Schneeberg sei "nicht fremdenfeindlich" und kündigte seine Teilnahme an der Protestveranstaltung gegen eine Anti-Flüchtlings-Demonstration an. (Freie Presse) Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat indes Fehler bei der Unterbringung der Asylbewerber im Freistaat eingeräumt. "Wir waren mit dem Zustrom in Chemnitz überfordert", sagte er am Samstag mit Blick auf die dortige Erstaufnahmeeinrichtung beim Landesparteitag der CDU. "Die Vorbereitungen sind nicht so gewesen, dass es reibungslos hätte laufen können." Außerdem habe man mit der Verlagerung von Asylbewerbern aus der Erstaufnahmeeinrichtung in eine ehemalige Kaserne in Schneeberg (Erzgebirgskreis) die dortigen Bürger überfordert. (Leipziger Volkszeitung)

Essen und Trier demonstrieren gegen Rechts

In Essen setzte das Bündnis "Essen stellt sich quer" am Samstag ein deutliches Zeichen gegen Rechts. Eine erst am Freitag genehmigte NPD-Kundgebung am Jahrestag der Pogromnacht fand hingegen kaum Zuspruch. (Der Westen, WDR Online) Auch eine NPD-Kundgebung in Trier am Samstag verlief ohne Zwischenfälle. Elf Anhänger der rechtsextremen Partei hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz zu einer Kundgebung getroffen. Ihnen standen am Gedenktag für die Opfer der Pogromnacht am 9. November 1938 etwa 50 Gegendemonstrierende gegenüber. (Trierischer Volksfreund)

Gewalttäter mit geschlossenem Nazi-Weltbild: Rechter Terror wird verharmlost

Auch 75 Jahre nach der Reichspogromnacht sind rassistische Übergriffe noch immer an der Tagesordnung. Wer in Deutschland Ziel eines rechtsextremistisch motivierten Angriffs wird, erlebt eine seltsame Seite des Rechtsstaates. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. (n-tv) Auch die NSU-Morde haben nach Ansicht von Expertin Birgit Mair nicht zu einem Umdenken geführt. Ihrer Ansicht nach tragen dafür auch die Sicherheitsbehörden eine Verantwortung. (Augsburger Allgemeine, Main Post)

Friedland: NPD bleibt bei Anti-Asyl-Demo unter sich

Rund 230 Neonazis und Sympathisierende folgten dem NPD-Aufruf, am Jahrestag der Reichspogromnacht durch Friedland zu marschieren, um dort gegen ein geplantes Flüchtlingsheim zu wettern. Doch wie in derzeit etlichen anderen Orten gelang es der hiesigen NPD nicht, die Bevölkerung zur Teilnahme zu mobilisieren. Die Anzahl der Gegendemonstrierenden übertraf hingegen die des rechtsextremen Spektrums, was für die ländliche Gegend durchaus aus Erfolg gewertet werden kann. (Endstation Rechts, Nordkurier)

NPD-Bürgerinitiativen: Des Volkes Stimme?

Vielerorts machen selbsternannte "Bürgerinitiativen" Stimmung gegen Asylbewerberheime und Flüchtlingsunterkünfte. Dahinter steckt oft die organisierte extreme Rechte. Die Sorge vor Anschlägen wächst. (Publikative.org)

Hildebrand Gurlitt: Der Mann, der für die Nazis Bilder verhökerte

Hildebrand Gurlitt, der Kunsthändler, der für die Nazis Bilder verhökerte, starb als angesehener Mann. Er war bis zu seinem Tod 1956 Direktor des Kunstvereins in Düsseldorf. Dort wurde 1965 sogar eine Straße nach ihm benannt. Er ist der Vater von Cornelius Gurlitt, in dessen Wohnung 1406 als verschollen geltende Kunstwerke gefunden wurden. (Der Westen) Unterdessen hat der Berliner Rechtsanwalt und Kunstexperte Peter Raue einen Deal mit dem 79-jährigen Cornelius Gurlitt vorgeschlagen. "Er überlässt die Werke dem Staat und geht dafür straffrei aus. Das würde die Rückgabe an berechtigte jüdische Familien oder Museen erheblich vereinfachen", sagte Raue dem Berliner "Tagesspiegel". (n-tv)

Ex-Verfassungsschutzchef Sippel entschuldigt sich für Trinkaus-Anwerbung

V-Mann Trinkaus war nach Aussage des Ex-Verfassungsschutzchefs Sippel unzuverlässig und unkontrollierbar. Jetzt bedauerte er im U-Ausschuss dessen Anwerbung - und verteidigte sie zugleich. Außerdem kontrollierte das Thüringer Innenministerium jahrelang den Einsatz von V-Leuten im Verfassungsschutz nicht. Das haben zwei Mitarbeiter des zuständigen Referates vor dem Ausschuss bestätigt. Auch der ehemalige Innenstaatssekretär Stefan Baldus war vor den Untersuchungsausschuss geladen. Er habe nicht von der Anwerbung von Trinkaus gewusst. (MDR Online, Freies Wort)

Gericht prüft im NSU-Prozess die Befragung einer 91-Jährigen

Das Thema ist sensibel. Die Verteidigung von Beate Zschäpe im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München fordert die 91-Jährige Charlotte E. aus Zwickau befragen zu dürfen. Doch das ist nicht so einfach. Die Frau ist alt und krank. Sie wurde in diesem Jahr bereits operiert und leidet an Demenz. Das Interesse der Verteidigung an der Zeugin ist aber auch nicht von der Hand zu weisen. Die damals 89-Jährige Charlotte E. war eine Nachbarin von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 - dem letzten Quartier des Neonazi-Trios. (Thüringer Allgemeine)

Deutsche Asylpolitik: Zahlen gegen Vorurteile

Alle Flüchtlinge wollen zu uns, es kommen immer mehr, und sie wollen nur unser Geld: Wenn über Asylpolitik gesprochen wird, gibt es Vorurteile. Wir haben fünf Aussagen über Flüchtlinge auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. (Sueddeutsche.de)

Mörderischer "Rassenkrieger"

Ein Rassist aus der Ukraine wollte in England mit Terrortaten gegen Muslime einen "Rassenkrieg" initiieren. Der High Court verurteilte den Neonazi zu einer 40-jährigen Haftstrafe. (blick nach rechts)

Keine Exhumierung von Heinrich Müller: Der Gestapo-Chef bleibt auf Jüdischem Friedhof

16 Sammelgräber sind auf dem Jüdischen Friedhof zu finden, in denen fast zweieinhalb tausend Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg liegen. Eine dieser Leichen ist der Gestapo-Chef Heinrich Müller. Das ruft Unbehagen hervor, doch die Jüdische Gemeinde setzt auf den Faktor Zeit. (Tagesspiegel)

Bekenntnisse eines Neonazis bei Lesung in Herne

Es war eine besondere Lesung, zu der der ev. Kirchenkreis am Freitag in die Alte Druckerei eingeladen hatte. Zu Gast war Johannes Kneifel (31) - ehemaliger Neonazi und Gewalttäter. Er las aus seinem Buch "Vom Saulus zum Paulus". (Der Westen)

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