09.07.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Rassismus: NRW will islamfeindliche Straftaten gesondert erfassen +++ Aachen: Polizei ermittelt nach rechtsextremer Schlägerei Mittäter per Video +++ NPD-Mann Udo Voigt wird Mitglied im EU-Innenausschuss.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Rassismus: NRW will islamfeindliche Straftaten gesondert erfassen

Nordrhein-Westfalen will antimuslimische Straftaten in Zukunft gesondert erfassen. Einem entsprechenden Antrag wurde seitens des Landtages zugestimmt. Die CDU allerdings enthielt sich der Stimme, ihr fehlte der Faktor Linksextremismus (Tagesspiegel).

Aachen: Polizei ermittelt nach rechtsextremer Schlägerei Mittäter per Video

Im Nachgang zum WM-Fußballspiel Deutschland gegen Frankreich kam es am Freitagabend gegen 20.35h zu einer größeren Schlägerei in der Aachener Innenstadt im Bereich Gasborn-Promenadenstraße-Synagogenplatz. Dabei wurden zwei Personen leicht verletzt; in einer Gaststätte ging diverses Mobiliar zu Bruch. Eine Gruppe von rund 50 Neonazis zündete Bengalos, zeigte den Hitlergruß und zeigte eine Reichskriegsflagge. Ein 58-Jähriger sprach sie auf das Verhalten an und wurde daraufhin von mehreren Personen aus der Großgruppe verfolgt. Er flüchtete sich in eine Kneipe, wo er von einem Verfolger gestellt und geschlagen wurde, so dass er eine Platzwunde erlitt. Der Haupttäter konnte auf Basis von Zeugenaussagen und der heutigen Auswertung des sichergestellten Videomaterials ausgemacht werden. Auf Antrag der Aachener Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Aachen aktuell einen Beschluss zur Öffentlichkeitsfahndung nach dieser Person. Zwei Mittäter konnten durch ein Video identifiziert werden (dueren-magazin).

NPD-Mann Udo Voigt wird Mitglied im EU-Innenausschuss

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, Anti-Rassismusaktivisten und verschiedene jüdische Organisation sind schockiert, dass NPD-Politiker Udo Voigt Mitglied des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres wird. Unabhängigen Abgeordneten wie Voigt wird eine feste Zahl von Ausschusssitzen zugeteilt, die unter ihnen verteilt wird. Voigt ließ eine Anfrage zur Stellungnahme unbeantwortet. Ein Sprecher des Europäischen Jüdischen Kongress sagte: "Es spricht nicht für das Europaparlament, dass Leute im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten sitzen, die sich den bürgerlichen Freiheiten nicht nur nicht verpflichtet fühlen, sondern diese auch unterwandern wollen und die in ihrer gesamten politischen Laufbahn eine rassistische und intolerante Agenda verfolgt haben. Wir fordern die Mitglieder des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten und alle Fraktionen im Europaparlament auf, sicherzustellen, dass Herr Voigt nicht die öffentliche Aufmerksamkeit für seine abstoßende Sichtweise bekommt, die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit so sehr sucht." (EurActiv).

Zeugin will Zschäpe nach dem Ende des NSU in Eisenach gesehen haben

Eine 47-jährige Frau will Beate Zschäpe am Wochenende nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach in der Nähe des Wohnmobils gesehen haben. Das bekräftigte sie am 124. Verhandlungstag beim NSU-Prozess in München (Thüringer Allgemeine). Beate Zschäpes Oma wird jetzt doch nicht beim Prozess aussagen: Zum einen ist sie krank, zum anderen will sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen (Abendzeitung).

Thomas Jauch – der Anwalt, dem die Nazis vertrauen

Im Münchner NSU-Prozess treffen die fünf Angeklagten auf einen alten Bekannten: Der Szene-Jurist Thomas Jauch ist als Zeuge geladen und versteckt sich hinter Abwehrfloskeln und Erinnerungslücken (Welt online).

Überlebender des Breivik-Attentats besucht NSU-Prozess

Björn Ihler war als Betreuer auf der norwegischen Insel Utøya, als der Attentäter Anders Breivik dort um sich schoss. Er hat nun die Verhandlungen im NSU-Prozess in München besucht - für ihn gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen (Focus.de).

Partei-Webseite manipuliert: Hacker macht sich über die NPD lustig

Ein Hacker manipuliert am Dienstag über Stunden den Internetauftritt der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands. Auf der NPD-Webseite platziert er den Schriftzug „Kein Mensch ist illegal“ – und eine Botschaft, die die Partei stören dürfte (stern.de, gulli.com).

Rechtsrockdesaster in Gera

Seit mehr als einem Jahrzehnt zählt das „Rock für Deutschland“ in Gera zu den Rechtsrock-Großveranstaltungen der extremen Rechten in Deutschland. Eingebrochene Besucherzahlen und nicht erscheinende Musiker sorgten diesmal für wenig braune Freude und einen Szenestreit (Publikative.org).

Urteil im Saarland: Bildungsminister darf NPD als "braune Brut" bezeichnen

Auch Minister dürfen sich negativ über die NPD äußern. Die Partei ist mit einer Klage gegen den saarländischen Bildungsminister Commerçon gescheitert (Spiegel online).

Saarland II: Überschaubare Szene

Verfassungsschutzbericht: Das Saarland hat umtriebige „Hammerskins“ und die mäßig aktive NPD hat in dem kleinen Bundesland mehrere überregionale Veranstaltungen durchgeführt. Aus dem Verfassungsschutzbericht des Saarlandes geht hervor, dass die NPD im Vorjahr einige überregionale Zusammenkünfte in dem Bundesland hatte. Neben der so genannten Sommeruniversität (unter anderem mit dem Vorsitzenden der British National Party, Nick Griffin, als Gast) gab es im Frühjahr und Herbst 2013 Kaderschulungen sowie Endes des Jahres ein Treffen des Arbeitskreises Christen in der NPD. Dass das Saarland häufiger Ort solcher Aktivitäten gewesen ist, dürfte auch mit Peter Marx zusammenhängen, der zum einen Landesvorsitzender ist, aber für die Bundespartei bis zu seinem Rücktritt im April dieses Jahres auch den Posten des Generalsekretärs ausübte. Mit Frank Franz stellt die saarländische NPD den Pressesprecher der Bundespartei (Blick nach rechts).

Rechter Aufmarsch in Plauen: Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Nazi-Gegner ein

Am 1. Mai marschierten im sächsischen Plauen Rechtsextreme auf - rund 2000 Menschen stellten sich ihnen in den Weg. Für Hunderte Nazi-Gegner folgten Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Nun wird klar: Sie verlaufen im Sande (Spiegel online).

Niederbayern: Rechte engagieren sich zunehmend in der Jugendarbeit

Über Ute Meier* (alle Namen von der Redaktion geändert) hört man in ihrem Wohnort nur Gutes. Seit Jahren engagiert sich die Mutter von drei Kindern im Elternbeirat der Grundschule in der Gemeinde in Niederbayern. Seit zwei Jahren ist sie sogar dessen Vorsitzende. Sie lädt Mädchen und Buben im Rahmen des Ferienprogramms der Gemeinde in ihren "Erlebnisgarten" ein, wo gemeinsam Kräuterspiralen aus Flusssteinen gebaut werden oder Meiers Mann Jochen die kleinen Gäste mit dem Geländewagen herum kutschiert. Überhaupt: Kinder liegen den Meiers am Herzen. Über ihr Bauunternehmen spenden die beiden für die Schule oder sponsern Jacken für die E-Jugend des Sportvereins im Nachbarort. Kurzum: Ute und Jochen Meier sind gesellschaftlich engagiert, im Ort anerkannt. Genauso wie in der rechtsextremen Szene. Das Ehepaar gehört zu den Gründungsmitgliedern des rechtsextremistischen Umweltvereins Midgard, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Für das von Midgard herausgegebene Magazin "Umwelt & Aktiv" waren beide als Autoren tätig. Jochen Meier ist in der rechten Szene kein Unbekannter, trat für die NPD bei Wahlen an und war als Schatzmeister im Vorstand von Midgard. Vereinsarbeit ist für die Rechtsextremen eine wirkungsvolle Strategie (pnp.de).

Thüringens Kabinett behält Burschenschaftler

Ein Gutachten, aber keine Konsequenzen. Thüringens Landesregierung liegt eine Bewertung der Deutschen Gildenschaft (DG) durch den Historiker Wolfgang Benz vor. Sein Fazit: Mitglieder der Gildenschaft seien "für das Amt des Sprechers einer demokratischen Regierung nicht tragbar". Nachdem vor knapp einen Jahr über die DG-Mitgliedschaft des thüringischen Regierungssprechers Karl-Eckhard Hahn ein Streit entbrannt war, hatte die SPD das Gutachten in Auftrag gegeben. In Thüringen bildet sie mit der CDU eine Große Koalition. Das Kabinett um Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) ist sich aber offenbar nicht einig, ob sie der Forderung folgen soll. Das Gutachten soll auch nicht veröffentlicht werden, sagt Elisabeth Lier, Pressesprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Hahn erklärt als Regierungssprecher in eigener Sache der taz, dass die Staatskanzlei in seinem Fall zu keiner neuen Einschätzung gekommen sei (taz).

Barbara John – "Kreuzberg zeigt, wie es nicht laufen darf"

An der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt. Doch für die ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats hat sich der Bezirk erpressen lassen (Berliner Morgenpost). Zum Thema siehe auch Frankfurter Rundschau.

Wie die Wehrmacht doch gewinnt - Virtueller Revanchismus im Computerspiel "Frontline"

Ein Spiel hatte in den letzten Wochen den Apple-App-Store erobert: "Frontline: Road to Moscow". Das Besondere, für manche Bedenkliche: In dem Strategiespiel wird der Spieler aufgefordert, den Zweiten Weltkrieg nachzuspielen, genauer gesagt den Russland-Feldzug auf deutscher Seite (Deutschlandradio Kultur).

Japan: Ein Urteil gegen Hassredner, die vor Grundschule hetzten

Sie repräsentieren die hässliche Seite Japans. Nationalistische Gruppierungen, die mit Megaphonen Hasstiraden in Stadtvierteln loslassen, wo traditionell viele koreanischstämmige Menschen leben und ihre Geschäft haben. Sie halten ihre rassistischen Reden auf der Strasse und vor Schulen und berufen sich dabei auf die in der Verfassung garantierten Rede- und Meinungsfreiheit. Ihr Verhalten wird oft stillschweigend toleriert. Das Lokalgericht in Kyoto ging im letzten Jahr jedoch einen anderen Weg. In einem historischen Urteil hatte es sieben Mitglieder der nationalistischen Gruppierung Zaitokukai («Bürgervereinigung, die keine Sonderprivilegien für Ausländer in Japan toleriert») zu einer Geldstrafe über 12,2 Millionen Yen (93’000 Euro) verdonnert. Die selbst ernannten Anti-Korea-Aktivisten hatten sich zwischen Dezember 2009 und März 2010 drei Mal vor einer koreanische Grundschule in Kyoto versammelt, um lautstark Hetztiraden gegen das Nachbarland loszutreten. Es fielen Sprüche wie «Schmeisst die koreanischen Schulen aus Japan heraus!», «Ihr stinkt nach Kimchi!» oder «Diese Schüler sind Kinder von Spionen!». Die betroffene Grundschule reichte Klage ein (Asienspiegel).

Ungarn: Nachspiel zur Budapest Pride: Prügelnde Ordner, Nazis setzen Kopfgeld aus, Regierungspartei: politische Provokation des "Unnatürlichen"

Die am Samstag abgehaltene Budapest Gay Pride Parade mit fast 10.000 Teilnehmern, darunter Politiker linker Parteien und unterstützende Botschafter, die nur unter maximalen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei ohne größere Attacken durch rechtsextreme Gegendemonstranten über die Bühne gehen konnte, hat für einige Beteiligte ein juristisches Nachspiel. Gegen rund ein Dutzend Rechtsextremisten, die versuchten, einen Polizeizaun zu durchbrechen wird wegen Landfriedensbruchs und Widerstand gegen die Staatsgewalt ermittelt. An mehreren anderen Stellen konnten Polizisten nur mit Mühe Zusammenstöße zwischen den Gruppen verhindern. Drei Ordner der Parade müssen sich wegen Körperverletzung verantworten, weil sie einen Vertreter der Neonazi-Gruppe "64 Burgkomitate", der einen der Feier-Trucks erkletterte, zusammentraten. Der Veranstalter bedauerte den Zwischenfall, wollte sich aber nicht dazu äußern, ob es sich um einen angeheuerten Sicherheitsdienst oder eigenes Personal handelte. Alle vier Beteiligten befinden sich noch in Polizeigewahrsam, auch gegen den LKW-Besteiger wird wegen "Unruhestiftung" ermittelt (Pester Lloyd).

Norwegischer Rechtsextremist Vikernes in Frankreich verurteilt

Der unter Terrorverdacht in Frankreich vorübergehend festgenommene norwegische Rechtsextremist Kristian Vikernes ist wegen judenfeindlicher Blog-Einträge zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Strafgericht von Paris verhängte gegen Vikernes am Dienstag zudem eine Geldstrafe von 8000 Euro (ZEIT online).

"Für Zuhause und im Büro': Walmart verkauft Poster mit Nazi-Slogan

Geschmacklos: Drei Onlineshopping-Anbieter verkauften den Eingang zum KZ Dachau als Poster – den Nazi-Slogan «Arbeit macht frei» inklusive (Blick.ch).

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