08.04.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Berlin-Tiergarten: 29-Jähriger fremdenfeindlich beleidigt und geschlagen +++ Gedenkstein für NSU-Opfer in Kassel geschändet +++ Verbotsverfahren: NPD-Spitze wirft Neonazi Wulff aus dem Amt.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Berlin-Tiergarten: 29-Jähriger fremdenfeindlich beleidigt und geschlagen

Ein 29-Jähriger ist am frühen Sonntagmorgen in Tiergarten offenbar aufgrund seiner Hautfarbe beleidigt und dann geschlagen worden sein. Er saß gegen 4.30 Uhr mit einer Begleiterin in einem Imbiss an der Potsdamer Straße Ecke Lützowstraße, als sich ein Mann und eine Frau sich unaufgefordert dazu setzten und den 29-Jährigen zunächst verbal attackierten. Plötzlich bekam er einen Faustschlag ins Gesicht, außerdem ging einer der Angreifer mit einem Stuhl auf ihn los (Berliner Morgenpost).

Gedenkstein für NSU-Opfer in Kassel geschändet

Unbekannte haben in Kassel den Gedenkstein für die NSU-Opfer mit Farbe beschmiert. In der Nacht zum Montag - wenige Stunden nach der Gedenkfeier zum achten Todestag des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat - sei der Stein am Halitplatz mit einer bitumenartigen Substanz übergossen worden, teilte die Polizei am Montag mit (focus.de).

Verbotsverfahren: NPD-Spitze wirft Neonazi Wulff aus dem Amt

Thomas Wulff, einer der bekanntesten Akteure der rechtsextremen Szene in Deutschland, ist nicht mehr NPD-Landeschef in Hamburg. Er wurde vom NPD-Bundesvorstand mehrheitlich "mit sofortiger Wirkung" seines Amtes enthoben. Wulff darf zudem seine Mitgliedsrechte nicht mehr ausüben. Die offizielle Begründung: Wulff habe "wiederholt und schwerwiegend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen". Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE geht es um einen Vorfall auf dem Hamburger Landesparteitag vor etwa vier bis fünf Wochen, bei der der bisherige Vizelandeschef zum Vorsitzenden gewählt wurde. Auf der Parteiveranstaltung nannte er sich Nationalsozialist (Spiegel online).

Romani Rose: "Vorurteile gegen Sinti und Roma sitzen tief"

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kämpft für die Rechte der größten europäischen Minderheit. Im DW-Interview zum internationalen Tag der Roma sagt er, was sich dringend ändern sollte (Deutsche Welle).

Amnesty: Diskriminierung von Roma wird hingenommen

Amnesty International hat die zunehmenden Angriffe auf Roma kritisiert. Es handele sich um eine systematische Diskriminierung, die oft „stillschweigend“ hingenommen werde. Einige EU-Staaten würden sich mitschuldig machen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), erklärte, die Lage der Sinti und Roma gebe Anlass „zu großer Sorge“. „Es ist völlig inakzeptabel, dass an manchen Orten in Europa Roma in ständiger Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen oder Anschlägen leben müssen“, erklärte Caliskan. Gewalttäter würden „ermutigt von der passiven Haltung der Regierungen, die eine systematische Diskriminierung von Roma stillschweigend hinnehmen“. Äußerungen von Politikern, wonach die größte europäische Minderheit für ihre Ausgrenzung selbst verantwortlich sei, nannte Caliskan „eine Verdrehung der Tatsachen“. Vielmehr lasse sich die Situation vieler Roma auf jahrelange Missachtung ihrer Rechte zurückführen (FAZ).

Worms: "Die Rechte" sagt Demo ab - Aktionsbündnis entfernt Aufkleber

Die von der Gruppe „Die Rechte“ für diesen Samstag zunächst angemeldete Demonstration mit einem Zug durch die Innenstadt ist am Montag abgesagt worden. Das berichtete am Abend die Stadtverwaltung. Nach Informationen der WZ sind interne Querelen bei den Rechten der Grund, bei denen es bei den führenden Leuten offenbar Wechsel gegeben hat. Der frühere Vorsitzende des Landesverbandes, Oliver Kulik, ist angeblich Anfang dieses Monats nach Meinungsverschiedenheiten aus der Partei wieder ausgetreten. Die Stadt will aber weiter an ihrem ebenfalls am Samstag, 12. April, am südlichen Domvorplatz geplanten Bürgerfest unter dem Motto „Worms ist bunt“ festhalten. Es soll um 11 Uhr am Vormittag starten und ein Programm von politischen Reden über Musik bis zu Infoständen und einem ökumenischen Gottesdienst bieten (Wormser Zeitung).

Hohenstadt: Neonazis von "Der III. Weg" verteilen Flugblätter - ältere Dame argumentiert, bis sie gehen

In der nächsten Zeit sollen aus dem Buchenhof und dem früheren Hemingway s in Hersbruck Häuser für Flüchtlinge werden. Noch wurde kein Flüchtling zugewiesen - aber Neonazis versuchen jetzt schon auf Stimmenfang zu gehen. Am Samstag verteilte eine Gruppe Flugblätter der erst jüngst gegründeten rechtsextremen Partei „Der dritte Weg“. Sie versucht, Stimmung gegen Flüchtlinge und Asylbewerber zu machen. Auch eine 71-Jährige erhielt am Samstagabend von zwei jungen Männern und einer Frau am Hersbrucker Krankenhaus ein Flugblatt. Darauf zu lesen: altbekannte, unhaltbare Parolen. Die Frau ging nicht einfach weiter. Sie stoppte und unterhielt sich mit dem Trio. „Ich kam zu dem Ergebnis, dass diese jungen Menschen erschreckende Bilder und wenig Gutes in ihren Köpfen hatten. Wenig wussten sie über unsere Erde und die deutsche Geschichte. Es war ihnen nicht bewusst, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Ausländer uns beim Wiederaufbau der Wirtschaft geholfen hatten.“ Als die junge Frau geantwortet habe, sie bräuchte drei Jobs, um sich über Wasser zu halten, holte die Dame erst richtig aus. „Ich habe ihr mal erklärt, wie es zu meiner Zeit war - dass wir 70 Stunden gearbeitet haben, auch am Samstag.“ Das und wohl noch einige passende Sätze mehr hätten genügt, damit die Gruppe abzog. „Frieden und Wohlstand nur durch Freiheit, Demokratie und gute Beziehungen zu Nachbarländern zu erhalten ist gewiss nicht immer leicht. Dagegen ist es wohl sehr leicht, sich einer Gruppe anzuschließen und als Brandstifter unterwegs zu sein.“ Sehr cool! (n-Land)

Bochum: Ruhr-Universität will keine Nazis

Was tun, wenn ein bekannter Nazi-Kader plötzlich im Seminar neben einem sitzt? Seit dem „Outing“ eines Dortmunder Neonazis in einem Jura-Seminar der Ruhr-Universität im Dezember hat sich die Hochschule mit dem Thema auseinandergesetzt. Zum Semesterstart ist nun eine Kampagne das Ergebnis. „RUB bekennt Farbe“ setzt ein Zeichen gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit und steht auf breiter Basis (WAZ).

Zwischen Lippenstift und Hakenkreuz: Mädchen in der rechten Szene

Tanja ist erst 13, als sie in die rechtsradikale Szene einsteigt. Und sie gerät immer tiefer in den rechtsextremen Strudel: Wenn junge Frauen in die rechte Szene abrutschen. Komische Musik und Parolen gegen Ausländer: Schlittert die Freundin etwa ins rechtsextreme Milieu ab? Wichtig ist, als Freund oder Freundin den Mund aufzumachen. Denn wer schweigt, bestätigt die andere in ihren Ansichten (n24.de).

NPD-Frauen mit Maulkorb

Der „Ring Nationaler Frauen“ hat sich von seiner offenbar als zu modern empfunden Vorsitzenden Sigrid Schüßler getrennt – das Ruder übernehmen wieder die „traditionsbewussten und volkstreuen“ Aktivistinnen (Blick nach rechts).

Halle: Demonstrant am Unterleib verletzt: Freispruch für Polizisten  

Aus Mangel an Beweisen ist in Halle ein Polizist freigesprochen worden, der einen Mann während einer Demonstration verletzt haben soll. Wie ein Sprecher des Amtsgerichts am Montag sagte, konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass der angeklagte Beamte der Täter war. Ein Demonstrant war im August 2012 in Halle durch Tritte in die Genitalien verletzt worden. Laut medizinischem Gutachter musste ihm ein Hoden entfernt werden. Bei der Demonstration waren tausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Die Polizei war im Großeinsatz. Der später Verletzte wollte den Angaben zufolge durch eine Absperrung der Polizei (t-Online-News).

1500 Euro wegen Neonazi-Protest: Grünen-Politiker Lichdi zu Geldstrafe verurteilt

Die Teilnahme an der Sitzblockade gegen einen Neonazi-Aufmarsch kommt den sächsischen Grünen-Politiker Johannes Lichdi teuer zu stehen. Das Amtsgericht verurteilte ihn am Montag wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 1500 Euro. Laut Urteil hat der Landtagsabgeordnete am 19. Februar 2011 in Dresden einen genehmigten Aufmarsch der Rechten anlässlich des Jahrestages der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg mit verhindert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Lichdi kündigte Rechtsmittel an (LVZ).

Rechte Aufmärsche in Berlin: Polizei macht aus Nazis Geheimnis

Die NPD will in Berlin wieder marschieren: am 26. April in Kreuzberg, am 1. Mai in Neukölln. Entsprechende Anmeldungen lägen der Polizei vor, hatte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) vergangene Woche im parlamentarischen Verfassungsschutzausschuss gesagt (siehe Text unten). Die Abgeordnete Clara Herrmann hatte nachgefragt. Hätte sie das nicht getan, Krömer hätte geschwiegen. Denn: Demonstrationen von Rechtsextremisten hält die Versammlungsbehörde mit Vorliebe möglichst lange geheim. Die Opposition kritisiert das (taz).

Asylbewerber sind in der Arbeitsagentur demnächst willkommen

Ökonomische Gründe weichen das Arbeitsverbot für Flüchtlinge in Deutschland auf. Doch wie sehen die Arbeitsplätze aus und wie werden sie bezahlt? "Wir müssen die falschen Anreize beseitigen, dass Menschen von den Leistungen unseres Sozialsystems angezogen werden.“ Mit diesem populistischen Satz zur Flüchtlingspolitik will der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer im beginnenden Europawahlkampf gegen die Konkurrenz von der AfD in Stellung gehen. Dabei geht das Bundesamt für Migration und Flucht schon seit Monaten ganz andere Wege, um die Anreize zu beseitigen, dass Geflüchtete im deutschen Sozialsystem landen. Schon vor einigen Monaten wurde das Projekt "Ausländerbehörden – Willkommensbehörden" gestartet. Das Ziel: Flüchtlinge sollen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen (Telepolis).

Brasilien: Rassismus auf dem Rasen

Sie sind Opfer und Idole gleichermaßen: Brasiliens Fußballstars sind vor rassistischen Attacken im Stadion nicht sicher. Nach erneuten Ausschreitungen will das Land die verdeckte Diskriminierung stärker bekämpfen. Da ist es wieder, das Schreckgespenst des Rassismus. Nur wenige Wochen vor dem Anpfiff der WM in Brasilien zeigt es seine hässliche Fratze. Dass schwarze Torjäger ausgerechnet in der Heimat von Fußballkönig Pelé beschimpft und beleidigt werden, überrascht auch viele Brasilianer. Anfang März traf es den Mittelfeldspieler Marcos Arouca da Silva vom FC Santos. Während eines Interviews nach der siegreichen Partie gegen den Fußballclub Mogi Mirim beschimpften Fans den 28-Jährigen als "Affen". Der Vorfall trieb Arouca die Tränen in die Augen (Deutsche Welle).

Österreich: Warum David Alaba kein "wirklicher Österreicher" sein soll 

David Alaba ist der größte Werbeträger für den österreichischen Fußball: Mit nur 21 Jahren ist er eine Stütze des FC Bayern München, der derzeit wohl besten Vereinsmannschaft der Welt. Natürlich spielt er in der österreichischen Nationalmannschaft. Und wenn Alaba öffentlich auftritt, dann stets als ein äußerst freundlicher Zeitgenosse. Kurzum: Einen besseren Werbeträger für Österreich hätte man sich kaum ausdenken können. Doch ist Alaba überhaupt ein "wirklicher Österreicher"? Nein, findet F. X. Seltsam. Unter diesem Pseudonym ist 2012 in der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit" ein Artikel erschienen, in dem Alaba und seine Familie rassistisch verunglimpft werden. Mit-Herausgeber des Blattes ist Andreas Mölzer, seit 2004 Mitglied des EU-Parlaments und Spitzenkandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei der Europawahl am 25. Mai. Und mehr noch, Mölzer soll auch der Mann hinter dem Pseudonym F. X. Seltsam sein. Das berichten österreichische Medien, etwa der Standard und die Salzburger Nachrichten. Sie berufen sich unter anderem auf die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch (Sueddeutsche.de).

Zehn Schritte zum „Nipster“: Hipster unterm Hakenkreuz#

Unradikales Auftreten erleichtert es Nazis, Nachwuchs zu rekrutieren. Wie wird man hip? Eine Handreichung für die nationale Jugend von der taz.

Ein Theaterstück für die NSU-Opfer: Von der Last des falschen Lebens

Ihre Schauspieler sollen sich zurücknehmen, das Bühnenbild niemanden ablenken. Christine Umpfenbachs Theaterstück „Urteile“ dokumentiert das Leiden der Familien von NSU-Opfern. Nicht weit entfernt vom Münchner Gericht, wo zeitgleich der Prozess stattfindet. „Urteile“ – so heißt Christine Umpfenbachs dokumentarisches Theaterprojekt über die Opfer und Angehörigen der größten Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zehn Tote zwischen September 2000 und April 2007, darunter acht türkischstämmige Händler und ein griechischer Kleinunternehmer, Opfer des selbst ernannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Erst im November 2011 kommt heraus, dass mutmaßlich Neonazis die Täter waren. Das Theaterstück basiert vor allem auf Interviews, die Umpfenbach mit Angehörigen, Freunden und Arbeitskollegen der Opfer geführt hat, aber auch mit Journalisten, Anwälten, Politikern. Nur was die Polizei sagte, durfte sie nicht verwenden (Tagesspiegel).

Film ab! Medienseminare gegen Antisemitismus

Viele Schülerinnen und Schüler empfinden die Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus oftmals trocken, anstrengend oder langweilig. Doch was tun, damit sich auch junge Menschen für dieses Thema interessieren? Vor diesem Hintergrund haben die Verdi Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe und das Projekt Bildungsbausteine gegen Antisemitismus gemeinsam das Medienseminar gegen Antisemitismus „Film ab!“ entwickelt. Junge Menschen setzen sich bei dem Projekt somit nicht nur ernsthaft mit der Problematik des Antisemitismus auseinander, sondern bekommen Medienkenntnisse vermittelt, das ihnen beim Drehen eigener Filme hilft (mut-gegen-rechte-gewalt.de).

drucken