05.06.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Hausdurchsuchungen bei 35 mutmaßlichen "Thiazi"-Unterstützern +++ Wer klaut in Mecklenburg-Vorpommern? Offenbar ein NPD-Spitzenkandidat +++ Polizei zensiert Gedenkplakat für NSU-Opfer wegen Verunglimpfung des Staates.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Hausdurchsuchungen bei 35 mutmaßlichen "Thiazi"-Unterstützern

Gut zu tun haben werden die Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) in Rampe in den kommenden Wochen und Monaten. Sie müssen das Material auswerten, das heute früh auf Betreiben der Rostocker Staatsanwaltschaft bei Durchsuchungen von 38 Büros und Wohnungen in ganz Deutschland sichergestellt wurde.Ziel war es, Beweise dafür zu finden, dass 35 Beschuldigte die rechtsextreme Internet-Plattform thiazi.net finanziell unterstützt haben. In zwölf Bundesländern haben Beamte des LKA Mecklenburg-Vorpommern, das die Ermittlungen leitet, mit Hilfe der Polizei vor Ort die Gebäude durchsucht. Das sichergestellte Material, vor allem Daten- und Rechentechnik, wird komplett nach Rampe gebracht und dort von den Mitarbeitern des LKA untersucht. Grund für die Durchsuchungsbeschlüsse war der Verdacht der Bildung beziehungsweise der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Betroffenen werden verdächtigt, das Forum durch Sach- und Geldspenden unterstützt oder darin verbotene Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben. Identifiziert wurden sie im Zuge der Ermittlungen gegen die vier Betreiber des "Thiazi"-Forums, gegen die vor einem Jahr der Prozess am Rostocker Landgericht begonnen hat. Insgesamt hat die Rostocker Staatsanwaltschaft 500 Unterstützer des Forums, das als größte deutsche Neonazi-Plattform im Netz galt, ermittelt (das-ist-rostock.de, n-tv, Spiegel online, NDR)

Wer klaut in Mecklenburg-Vorpommern? Offenbar ein NPD-Spitzenkandidat

Überall in Mecklenburg-Vorpommern plakatierte die NPD: "Grenzen dicht! Eigentum vor Plünderern sichern". Nur sitzen die Diebe bei der NPD offenbar in den eigenen Reihen: Der Vorsitzende des Kreisverbandes Mecklenburgische Seenplatte soll laut Polizei zwei Füße eines Bauzauns gestohlen haben - wobei ihn zahlreiche Zeugen beobachteten, die auch sein Auto-Kennzeichen notierten und Anzeige erstatteten. Betrachtet man nur die Schadenssumme gehört dieser Diebstahl gewiss zu den geringfügigsten, mit dem die Polizei je zu tun hatte. Schlappe 100 Euro beträgt die laut Polizei. Brisanz gewinnt der Vorfall, wenn man erfährt, wer im Verdacht steht, lange Finger gemacht zu haben: Norman Runge. Der lebt in Burg Stargard, hat bei den Kommunalwahlen am 25. Mai gerade einen Sitz in der dortigen Stadtvertretung und auch im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte errungen. Und Runge ist Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Mecklenburgische Seenplatte. Noch sind die Füße aber nicht gefunden (Nordkurier).

Polizei zensiert Gedenkplakat für NSU-Opfer wegen Verunglimpfung des Staates

Ein Plakat sollte an den NSU-Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vor 10 Jahren erinnern. Doch die Berliner Polizei griff ein und zerstörte das Plakat. Begründung: Die Aufschrift „NSU: Staat und Nazis Hand in Hand“ verunglimpfe den Staat. Die Initiatoren sprechen von Zensur (migazin.de, rbb).

Mitte-Studie: Was die Presse daraus liest

Zur Studie "Die stablisierte Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014" titelten wir "Rassismus gegen Flüchtlinge, Sinti und Roma und Muslime steigt". Interessant immer, wie andere Kolleg*innen das Thema aufmachen, denn die Studie enthält ja viele Ergebnisse - und die Assoziationen ändern sich damit auch. "Neue Leipziger Studie zur "Mitte": Unter der Oberfläche gärt es weiter - doch die Zustimmung zur Demokratie steigt" (Leipziger Internet-Zeitung). Die neuen Sündenböcke (Die Welt). Fast 80 Prozent der Deutschen lehnen Asylbewerber ab (T-Online-News). Weniger Deutsche stimmen rechtsextremen Aussagen zu (ZEIT online / AFP). Mehrheit der Deutschen lehnt Sinti und Roma ab (Spiegel online). Die Vermessung der Rechten (Sueddeutsche.de). "Islamfeindschaft ist das neue Gewand des Rassismus" (n24). Jeder Fünfte in Deutschland ist ausländerfeindlich (Wirschaftswoche). Die rechte Mitte (hintergrund.de). Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland rückläufig (Deutsche Welle). Massive Vorbehalte gegenüber Roma (Mitteldeutsche Zeitung). Verwertungsrassismus (Neues Deutschland). Jeder zweite AfD-Wähler ist ausländerfeindlich (Sächsische Zeitung). Die Wut der Deutschen auf Asylbewerber und Muslime (Handelsblatt). Deutsche lehnen Muslime ab (taz).Auf mut-gegen-rechte-gewalt.de kommentiert Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung: "Es reicht noch lange nicht".

NSU-Prozess: "So leicht lasse ich mich nicht aus Deutschland herausjagen"

Erschütternde Details zum Kölner Sprengstoffanschlag. Die Opfer leiden noch heute. Eine junge Frau, die jetzt gegen Beate Zschäpe aussagte, berichtet über ihr Martyrium. Mit einem emotional bewegenden Auftritt hat eine junge Frau am Mittwoch dem Oberlandesgericht in München im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und andere ihren Weg zurück ins Leben geschildert. Die heute 32-jährige Ärztin erlitt am 19. Januar 2001 bei der Explosion eines Sprengsatzes in Köln schwerste Verletzungen. Anderthalb Monate lag die damals 19-jährige Gymnasiastin im künstlichen Koma. Ihr Gesicht war von Verbrennungen entstellt. Noch heute stecken Holzsplitter im Bereich ihres Kiefers (Hamburger Abendblatt, rp-online, Berliner Zeitung, Tagesspiegel).

Brandenburg: Razzia bei Reichsbürger - Polizei stellt Gewehre sicher

Zu einem Ermittlungsverfahren, das durch Beamte des Dezernates zur Bekämpfung des Rechtsextremismus geführt wird, haben heute mehr als 30 Polizisten ein Grundstück in Brandenburg wegen des Verdachts des illegalen Waffenbesitzes durchsucht. Gegen den 50-jährigen Besitzer des Grundstücks, der sich selbst als „Reichsbürger“ bezeichnet, wurden Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Auf dem etwa 1500 qm großen Areal im Landkreis Oder-Spree fanden die Polizisten mit Unterstützung zweier Sprengstoffspürhunde gegen 14.20 Uhr zwei offenbar „scharfe“ Gewehre und stellten diese sicher (Berliner Kurier, Berliner Morgenpost).

Zwickau: Opfer lehnt Schmerzensgeld von Nazi ab

Vor der Verhandlung hat ihm einer der Schläger 2000 Euro, später sogar 10.000 Euro Schmerzensgeld geboten - Hakki Gönce, der in der Nacht zu Sonntag, den 26. Mai 2012 von einer Gruppe Rechtsextremer verprügelt und getreten wurde, bis er ins Koma fiel, will aber kein Geld, sondern Gerechtigkeit, sagte er gestern vor dem Amtsgericht. "Mir kommt es so vor, als will er sich freikaufen", sagte der 28-jährige Türke zu dem Angebot des 34-jährigen Angeklagten, der seine rechte Gesinnung nicht verheimlicht. Auf die entsprechende Frage von Richter Stefan Noback sagte er: "Ich mache keinen Hehl daraus, wo ich politisch stehe." "Skinhead" hat sich der Hobby-Boxer auf seine Brust tätowieren lassen. Der selbstständige Bauunternehmer ist einer von drei Angeklagten, die in jener Augustnacht unter "Heil Hitler"- und "Ausländer raus"-Rufen an dem Überfall auf das Tanzlokal in Zwickaus Innenstadt teilgenommen haben sollen. Staatsanwalt Jörg Rzehak geht zwar von mindestens zehn Beteiligten aus, von denen drei aus der Hartensteiner Hooliganszene stammen sollen. "Letztlich haben die Zeugenaussagen aber nicht für eine Anklage gereicht", so Rzehak. Auch angeklagt sind eine 29-jährige Produktionshelferin, die das Fluchtauto gefahren haben soll. Sie verweigerte die Aussage. Die dritte Angeklagte, eine arbeitslose 28-jährige Erzieherin, hat laut Zeugenaussagen in der Bar dem 34-Jährigen zugerufen: "Geh doch zu den Kanaken rüber, dafür sind wir doch da." Sie bestreitet, an dem Abend überhaupt in der Bar gewesen zu sein. Der 34-jährige Angeklagte gestand gestern hingegen, bei der Prügelorgie dabei gewesen zu sein, bei der neben Gönce auch noch ein Iraner schwer verletzt wurde (Freie Presse, mdr). 

Forsa-Analyse: Wer die AfD wählt

Alles Bildungsverlierer? Mitnichten. Die Wählerschaft von AfD und rechtsextremen Parteien wie der NPD unterscheidet sich deutlich. Aber sie haben auch etwas gemeinsam. Die Anhänger der AfD kommen nach einer Auswertung des Berliner Forsa-Instituts vor allem aus einem bestimmten Segment der deutschen Ober- und Mittelschicht (26 und 53 Prozent). 55 Prozent haben Abitur und/oder studiert und beurteilen die Wirtschaftserwartungen pessimistisch, 44 Prozent verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von 3000 Euro oder mehr. Vor allem Angestellte (62 Prozent) und Rentner (34 Prozent) finden Gefallen am eurokritischen Kurs der Partei, Selbständige (20 Prozent), Beamte (10 Prozent) und Arbeiter (8 Prozent) eher nicht. Noch mehr interessante Zahlen gibt es bei stern.de. Jeder dritte Deutsche will die AfD im Bundestag sitzen sehen (ZEIT online).

Berlin-Adlershof: 50 Flüchtlinge beziehen neues Heim - unter NPD-Protest

Ein neues Flüchtlingsheim ist am Mittwoch in Berlin-Adlershof eröffnet worden. Am Mittwoch zogen zunächst 50 Flüchtlinge in das Berolina Airport Hotel. Der Einzug wurde begleitet von Protesten der rechtsextremen NPD, die gegen die Unterkunft sind, und Gegendemonstranten sowie Anwohner, die die Flüchtlinge willkommen hießen (Berliner Zeitung).

Vorurteile gegen Flüchtlinge: Das Frühstücksbuffet im Sozialsystem

"Wir sind nicht das Sozialamt der Welt." So plakatierte es die NPD zur Europawahl, auch die konservativ-bürgerliche AfD ging mit einem ähnlichen Slogan raus. Und so sehen es oft auch viele anonyme Kommentatoren im Internet. Hinzukommen diverse Vorurteile gegenüber Flüchtlingen. Doch woher kommt diese Ablehnung, fragt Nordbayern.de und findet interessante Antworten.

Ein Bild von Anthony Yeboah als Zeichen gegen Rassismus

Schon bald soll Anthony Yeboah überlebensgroß an einer Hauswand in Frankfurt für Toleranz und gegenseitigen Respekt werben. Seine Probleme in Frankfurt werden so zum Symbol (Frankfurter Neue Presse).

Neue Anti-Rassismus-Stiftung

Eine „Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus“ ist auf Initiative von Fifa-Vorstandsmitglied Theo Zwanziger gegründet worden. Das teilte der Interkulturelle Rat in Deutschland am Dienstag in Darmstadt mit. Er ist neben Zwanziger, dem DGB, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem Förderverein Pro Asyl Gründungsstifter. Laut Interkulturellem Rat soll die Stiftung die jährlichen Wochen gegen Rassismus planen und koordinieren sowie Modellprojekte zur Überwindung von Rassismus fördern (sueddeutsche.de).

Ressentiments gegen Sinti und Roma: "Das Schreckensbild des Z*** hält sich beharrlich"

Die Ablehnung von Sinti und Roma nimmt in Deutschland zu: Mehr als die Hälfte der Befragten zeigten in einer Studie antiziganistische Einstellungen. Schuld an der Entwicklung seien auch die etablierten Parteien, sagt Zentralrats-Vize Silvio Peritore (Spiegel online).

Kabarettist Somuncu über Gedenkfest zum NSU-Anschlag: "Birlikte ist eine überfällige Geste an die Betroffenen“

Pfingsten findet das Fest "Birlikte - Zusammenstehen" in Köln statt. Es erinnert an den NSU-Anschlag 2004. Kabarettist Serdar Somuncu erzählt, warum er mitmacht und ihn Drohungen nicht schrecken (Stern.de)

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