03.06.2014 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Rheinstetten: Schüsse und rassistische Parolen vor Geflüchtetenunterkunft +++ Pforzheim: Neonazis besprühen Passanten mit Reizgas +++ Berlin-Kreuzberg: Nazi-Attacke auf Linken.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Rheinstetten: Schüsse und rassistische Parolen vor Geflüchtetenunterkunft

Im Baden-Württembergischen Rheinstetten sind Bewohner*innen der Flüchtlingsunterkunft zur Zielscheibe von rechten Übergriffen geworden. In der Nacht zum 24. Mai wurden die Bewohner*innen durch Schüsse aus dem Schlaf gerissen. Die verständigte Polizei stellte Patronenhülsen sicher. Ersten Ermittlungen zufolge stammten diese aus einer Schreckschusspistole. Zudem wurde von spielenden Kindern aus der Unterkunft ein Behälter mit Benzin gefunden – möglicherweise ein Brandsatz. In vergangenen Nächten wurden darüber hinaus rassistische Parolen aus vorbeifahrenden Fahrzeugen gerufen. Nun ermittelt die Polizei und verstärkt ihre Kontrollen in der Nähe der Unterbringung (swr.de, pz-news.de).

Pforzheim: Neonazis besprühen Passanten mit Reizgas

In der Nacht zum vergangenen Sonntag wurden zwei Passanten von zwei Männern mit NS-Parolen provoziert, anschließend besprühte einer der Neonazis die beiden mit Reizgas. Einer der Neonazis hatte „Sieg Heil“ gerufen und sich in abfälliger Weise über die beiden Passanten geäußert. In einem daraufhin entstandenem Streitgespräch zeigte einer der Angreifer sein „Stahlhelm“-T-Shirt und erklärte, dass dies „sein Stolz“ sei.  Unmittelbar darauf folgte die Reizgasattacke, die Täter flüchteten unerkannt. Der Staatsschutz ermittelt (ka-news.de).

Berlin-Kreuzberg: Nazi-Attacke auf Linken

Am Sonntagmorgen wurde ein 30-Jähriger Mann von einer Gruppe Neonazis brutal zusammengeschlagen. Die Attacke ereignete sich in der Nähe des U-Bahnhofs Hallesches Tor. Das Opfer wurde von einem der 5-6 Angreifer mit einem Faustschlag niedergestreckt, anschließend prügelte die Gruppe weiter auf ihn ein. Dabei nutzten die Männer, die laut Aussage des Opfers durch Aussehen und Kleidung eindeutig der rechten Szene zuzuordnen waren, einen Schlagstock und traten dem 30-Jährigen gegen den Kopf. Vermutlich wurde der Mann angegriffen, weil er Aufnäher mit der Aufschrift „Antifa“ und „Gegen Nazis“ trug. Der Staatschutz hat die Ermittlungen aufgenommen (tagesspiegel.de, berliner-kurier.de).

Neubrandenburg: Gerichtsurteil nach Neonazi-Gewaltorgie – rechter Hintergrund nicht thematisiert

In Neubrandenburg verurteilte das Gericht drei Männer aus der rechten Szene zu mehrjährigen Haftstrafen. Die Täter hatten einen vierten Mann mehrere Tage in einer Wohnung gefangen gehalten und gefoltert. Auslöser für die Gewaltorgie war die fälschliche Beschuldigung, das spätere Opfer hätte wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis gesessen. Dem Opfer wurden unter anderem die Finger gebrochen, anschließend wurde er mit Feuerzeugbenzin übergossen und angezündet. Schließlich folterten die drei Täter ihr 45-jähriges Opfer mit einer Scheinskalpierung. Der Haupttäter, Andre R., gehört der „Freien Kameradschaft Mecklenburg-Neustrelitz“ an, hat zudem Verbindungen zur NPD. Als die Männer Fotos ihres Opfers auf Facebook posteten, informierte eine Frau die Polizei, woraufhin das Opfer befreit werden konnte.  Obwohl die Parole „Todesstrafe für Kinderschänder“  seit Jahren zum Standardrepertoire von Neonazis und der NPD gehört, und Andre R. dieser Szene eindeutig zuzurechnen ist, wurde der rechte Tathintergrund vom Gericht zu keinem Zeitpunkt thematisiert (stoerungsmelder).

Fürth: Neonazi bedroht Mann mit Messer – Verfahren eingestellt

Nachdem ein junger Mann  Anfang des Jahres von einem Neonazi auf der Straße abgepasst und mit einem Messer bedroht wurde, hat die zuständige Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Neonazi eingestellt. Das Zeigen eines Messers sei nicht zweifelsfrei als Bedrohung einzuordnen, so Pressesprecher Markus Bader. Der junge Mann war zum Angriffsziel des Neonazis geworden, weil er sich gegen den Einzug der neonazistischen „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ ins Stadtparlament engagierte. Das Bündnis gegen Rassismus und Rechtsextremismus verurteilte den Entschluss der Staatsanwaltschaft und bezeichnete ihn als „Freibrief für Neonazis“ (nordbayern.de).

Attacke auf Jugendlichen in Bad Schandau – Staatsanwaltschaft: Kein rechter Tathintergrund

Vor einem Dreivierteljahr wurde ein Hamburger Jugendlicher deutsch-chinesischer Herkunft im sächsischen Bad Schandau verprügelt und schwer verletzt. Nun beginnt der Prozess gegen die drei Täter. Zeug*innen, die gemeinsam mit dem Opfer auf Klassenfahrt waren, berichteten von Neonazi-Parolen. Zudem wurde vermutet, dass der Jugendliche wegen seiner Herkunft aus der Schüler*innengruppe herausgesucht und zusammengeschlagen wurde. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen neonazistischen Tathintergrund. Dabei sind Sympathien der Täter für die rechte Szene über Facebook eindeutig festzustellen. Einer von ihnen ist mit einem Mitglied der "Skinheads Sächsische Schweiz" befreundet, ein anderer Mitglied in der Gruppe „Deutschland gegen Asylmissbrauch“. Alle drei Täter drückten für den einschlägigen Nazi-Laden „Nordic Flame“ auf „Gefällt mir“. Diese Hinweise stünden jedoch nicht automatisch im Zusammenhang mit der Tat, findet Staatsanwalt Lorenz Haase (mdr.de).

Zwei Jahre nach Gewalttat: Neonazis in Zwickau vor Gericht – Opfer droht Abschiebung

Vor zwei Jahren attackierte eine zehnköpfige Neonazigruppe dem Aussehen nach ausländische Besucher*innen des Zwickauer Tanzcafés Eden. Dabei wurde der damals 27-jährige Hakki Gönce so schwer verletzt, dass er zwei Tage im Koma lag. Nun stehen drei Neonazis vor Gericht, da für die anderen TäterInnen keine belastbaren Zeugenaussagen vorliegen. Zwei Frauen sowie ein Mann sind wegen Körperverletzung angeklagt. Laut früheren Auskünften der Ermittler*innen sowie Augenzeugenberichten hatten die TäterInnen, die mit einem Transporter an dem Lokal in der Innenstadt vorfuhren, "Ausländer raus" und "Heil Hitler" gerufen. Ursprünglich wurde wegen versuchten Mordes ermittelt, wegen schlechter Beweislage musste die Anklage zurückgestutzt werden. Zwischenzeitlich drohte der Prozess sogar ganz zu platzen, weil die Ausländerbehörde des Landkreises mehrfach versuchte, Gönce abzuschieben, obwohl dieser bereits seit zehn Jahren in Zwickau lebt und die Staatsanwaltschaft eindringlich um die Erteilung einer Duldung bat. Diese wurde schließlich für die Dauer des Prozesses erteilt (freiepresse.de).

Leipzig: Polizei ermittelt gegen NPD-Stadtrat

Enrico Böhm, NPD-Stadtrat aus der Fußball-Hooliganszene, muss sich auf polizeiliche Ermittlungen gegen ihn einstellen. Böhm hatte kurz vor der Kommunalwahl einen linken Aktivisten gestoppt und mit Pfefferspray bedroht, weil er ihn willkürlich beschuldigte, verantwortlich für eine Anschlagserie gegen NPD-Fahrzeuge zu sein. Nach seiner „Verhaftung“ rief Böhm die Polizei. Diese stellte eine Anzeige gegen den NPD-Stadtrat: Der 31-Jährige wird sich wegen Nötigung zu verantworten haben, da die Festnahme von Tatverdächtigen Sache der Polizei ist und bleibt (l-iz.de).

„Tag der deutschen Zukunft“: Neonazis wollen am Samstag in Dresden marschieren

Am „Tag der deutschen Zukunft“ wollen Neonazis „ein Zeichen setzen gegen die Überfremdung unserer deutschen Heimat, für die zukünftige Freiheit und Selbstbestimmung unseres Volkes“. Die Macher stammen aus der freien Kameradschaftsszene. Bislang trafen sich die meist parteiungebundenen Neonazis ausschließlich in norddeutschen Städten wie Hamburg oder Wolfsburg. In Hildesheim versammelten sich 2010 rund 650 Rechtsextremisten. Die Polizei rechnet für Dresden mit 700 bis 1000 Teilnehmern, das Forum gegen Rechts sogar mit bis zu 1.500. Die Mobilisierung der Gegenproteste läuft auf Hochtouren. Nun sickerte offensichtlich auch die angemeldete Route der Neonazis durch. Ziel der Gegenproteste ist die Verhinderung des neonazistischen Aufmarsches (publikative.org, sz-online.de).

Wien: Gegenproteste gegen Burschenschaftler-Treffen geplant

Am morgigen Mittwoch wollen sich deutschnationaler Burschenschaftler treffen. Das als "Fest der Freiheit" beworbene Event soll unter anderem eine Podiumsdiskussion und einen Marsch durch die Innenstadt umfassen. Neun verschiedene über die Stadt verteilte Kundgebungen wurden angemeldet, um gegen die Burschenschafter zu demonstrieren. „Wir sehen der Verdrehung der Geschichte nicht tatenlos zu“, kündigt etwa die Initiative  "Jetzt Zeichen setzen" an, die allein drei Standkundgebungen an verschiedenen Orten angekündigt hat. Die Israelische Kultusgemeinde schliesst sich der Kritik an dem Treffen an: Ein „wesentliches Merkmal der deutschnationalen Bewegung, deren Teil die Burschenschaften sehr früh wurden und nach wie vor sind“, sei es gewesen, „nationale Freiheitsrechte anderen nicht zu gewähren und Rassenantisemitismus zu verbreiten“ (derstandard.at).

Refugees auf Protestmarsch nach Brüssel

Auf ihrem Weg nach Brüssel haben rund 100 Geflüchtete am Sonntag ihren Protest gegen die EU-Politik im luxemburgischen Schengen fortgesetzt. Begleitet von 200 Unterstützer*innen überquerten sie am Sonntagvormittag die Grenze in der Nähe des saarländischen Perl. In Schengen legten die Demonstrant*innen nach Angaben eines Sprechers Stacheldraht um das Europadenkmal am Moselufer und hängten Bilder von Flüchtlingen auf, die beim Versuch nach Europa zu gelangen, getötet wurden. Der Protestzug war am 18. Mai in Kehl gestartet und vor einer Woche im Saarland eingetroffen. Die Refugees wollen über Luxemburg nach Brüssel ziehen, wo sie während des EU-Gipfels am 26. und 27. Juni ihrer Forderung nach einer humaneren Asyl- und Flüchtlingspolitik Nachdruck verleihen wollen (t-online.de).

„Auch wir sind Deutschland“ – Internetaktion gegen Alltagsrassismus

Die Fotoaktion "Auch ich bin Deutschland", ins Leben gerufen durch die Aktion „Menschen mit Migrationshintergrund“ fordert Menschen dazu auf, mit ihren Erfahrungen ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Die Resonanz ist enorm: Menschen verschiedener Nationalitäten und Altersstufen teilten ihre Fotos bei Facebook, Twitter, Tumblr und Instagram. Sie alle halten auf den Bildern eine Tafel, auf der sie Begegnungen mit alltäglichem Rassismus notiert haben. Und sie alle fühlen sich - zu Recht - als Deutsche (huffingtonpost.de). Auf „T-Online.de“ berichtet zudem eine junge Schwarze Deutsche in einem lesenswerten Text über Alltagsrassismus (t-online.de).

Witten bleibt Spitzenreiter bei rechter Gewalt im Ennepe-Ruhr Kreis

Mit 22 politisch motivierten Straftaten von rechts bleibt Witten Spitzenreiter im EN-Kreis. Die Landesstatistik weist auch ein Körperverletzungs- und Branddelikt in Witten aus. Generell ist die rechte Gewalt im Ennepe-Ruhr Kreis angestiegen, stellt auch die grüne Landtagsabgeordnete Verena Schäffer aus Witten fest. Verena Schäffer macht ihren Appell, in einer demokratischen Gesellschaft besonderes Augenmerk auf rassistische, menschenfeindliche und antidemokratische Tendenzen zu richten, an den Fallzahlen für das Jahr 2013 fest. Im EN-Kreis stieg die Zahl politisch rechts motivierter Straftaten von 42 auf 50. Sie sieht eine besorgniserregende Entwicklung. Die Kreispolizeibehörde will das Problem nicht kleinreden, sieht aber keine „Szenebildung“ im Kreis. Polizei wie Politik wollen sich nun noch stärker mit der Präventionsarbeit gegen rechts befassen (derwesten.de).

 

 

 

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