03.03.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime hat sich verdoppelt +++ Antirassistische Solidaritätsdemonstration und Neonaziaufmarsch in Merseburg +++ 1000 Münchner*innen demostrieren gegen Nazizentrum.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime hat sich verdoppelt

Nach Zahlen des BKA hat es 2013 deutlich mehr rechtsextreme Delikte gegen Flüchtlingsunterkünfte gegeben als im Vorjahr. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen (tazZEIT online).

Antirassistische Solidaritätsdemonstration und Neonaziaufmarsch in Merseburg

In Reaktion auf die Solidaritätsdemonstration “Flüchtlinge bleiben! Rassismus aus den Köpfen treiben!” versammelten sich am Samstagvormittag in der Kreisstadt Merseburg 85 Personen zu einer Gegenveranstaltung, angemeldet von NPD-Mann Rolf Dietrich. Durch den Protest von etwa 600 Teilnehmern und einer Blockade der antirassistischen Demonstration musste der rechte Aufmarsch nach kurzer Zeit wieder umkehren. In Folge der drei rassistischen Übergriffe auf Geflüchtete in den letzten zwei Wochen hatte das Merseburger Bündnis gegen Rechts zu einer Solidaritätsdemonstration aufgerufen. Diese richtete sich aber nicht nur gegen die rechte Gewalt, sondern auch gegen die “in Teilen rassistische und diskriminierende Gesetzgebung, Aufenthaltsbeschränkungen, zentrale Unterbringung, Racial Profiling” und das “Abschiebungsregime”. Die parallel dazu angemeldete Demonstration unter dem Motto „Gegen linke Hetze – Asylflut stoppen!“ kann dabei nur als Verhöhnung der Betroffenen rechter Gewalt und Provokation durch die Neonazis gesehen werden (Störungsmelder, mdr, taz, Hintergrund: BNR).

Derweil kam es In Merseburg am Samstagabend wieder zu einem offenbar rechtsmotivierten Zwischenfall gekommen. Wie die Polizei in Halle am Sonntag mitteilte, beleidigte und beschimpfte ein unbekannter Mann auf dem Bahnhof einen 45-Jährigen aus Burkina Faso mit ausländerfeindlichen Äußerungen. Beide waren zusammen aus einem Zug ausgestiegen. Der Staatsschutz ermittelt (focus.de)

1000 Münchner*innen demostrieren gegen Nazizentrum

Etwa 1000 Münchner*innen haben am Samstag gegen das sogenannte Nazizentrum in Obermenzing demonstriert. Sie zogen vom Pasinger Bahnhof zu dem Anwesen in der Car-Hanser-Straße, wo seit Dezember 2012 drei bekannte Rechtsextremisten in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Das Einfamilienhaus hat sich als Treffpunkt der südbayerischen Neonazi-Szene etabliert. Zwei der WG-Bewohner kandidieren auf der Liste der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) für den Stadtrat; sie haben offenbar auch Kontakt zum NSU-Unterstützerumfeld. Die Demonstranten forderten die Räumung des Hauses und warben für Solidarität vor allem mit potenziellen Opfern von Nazi-Gewalt und -Propaganda (sueddeutsche.de, Abendzeitung).

Hunderte Gegendemonstrant*innen zu NPD-Tour durch Berlin

Mehrere Hundert Menschen haben am Samstag in Berlin gegen Kundgebungen der rechtsextremen NPD protestiert. Am Vormittag demonstrierten etwa 200 Teilnehmer*innen im Bezirk Neukölln gegen eine Veranstaltung der Partei in der unmittelbaren Nähe einer neuen Flüchtlingsunterkunft. Sie warben dafür, nicht Flüchtlinge, sondern Ursachen von Flucht zu bekämpfen. Zu der zeitgleich geplanten Veranstaltung der rechtsextremen Partei kamen nach Polizeiangaben weniger als 20 Teilnehmer*innen (taz, Berliner Morgenpost).

NSU: Waffen werden neu auf Fingerabdrücke untersucht

Das Bundeskriminalamt überprüfte 2011 nur vier von elf Schusswaffen aus dem Zwickauer Terroristen-Versteck auf Fingerabdrücke. Die Mordpistole Ceska war nicht dabei. Nun fordern einige Nebenkläger Aufklärung. Richter Götzl folgte ihnen jetzt und ordnete die Untersuchung der Waffen an (focus.de)

Nazis in der Bundesliga

Bei 16 Fußballbundesligisten stehen laut Bundesregierung Neonazis mit auf der Tribüne. Die Vereine haben das Problem jahrelang ignoriert. Weil Teams wie Borussia Dortmund oder Eintracht Braunschweig um ihr Image fürchteten, konnte die rechtsextreme Szene weiter wachsen (Deutschlandfunk).

Verbotene Nazi-Filme auf YouTube

Sie heißen "Jud Süß", "Hitlerjunge Quex" oder "Ich klage an": Zahlreiche in Deutschland auf dem Index stehende Propagandafilme der Nationalsozialisten sind im Internet problemlos zu sehen. Diese sogenannten Vorbehaltsfilme haben meist rassistische, antisemitische, volksverhetzende oder kriegsverherrlichende Inhalte. Sie dürfen hierzulande nur öffentlich gezeigt werden, wenn es zuvor einen wissenschaftlichen Einführungsvortrag gibt und nach dem Film eine Diskussion. Die Rechte an den Filmen hält die Wiesbadener Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (n24.de)

Kolumne zum Rechtsextremimsus: Glück gehabt

Kommt es in Deutschland zu rassistischen Vorfällen, so handelt sich hernach fast immer um ein Missverständnis oder Schlamperei. Nichts Unentschuldbares also (Anetta Kahane in der Berliner Zeitung).

Bern: 10.000 demonstrieren gegen Rassismus

Mit Transparenten und bunten Luftballons haben gut 10.000 Menschen in Bern für eine offene und solidarische Schweiz demonstriert. Die Kundgebung verlief friedlich (20min.ch).

Rassistischer Witz über Kim Kardashian: Amerika lästert über Oliver Pocher

Amerika spricht über Oliver Pocher. US-Medien ziehen über Pocher her, nachdem er beim Wiener Opernball einen Spruch über Kim Kardashian gemacht hat: Jetzt gibt es Rassismus-Vorwürfe. Hintergrund: Im ORF-Interview wurde der 36-Jährige gefragt, ob er noch mit dem diesjährigen US-Stargast Kim Kardashian tanzen würde. Pochers Antwort: „Ja, wir werden tanzen. Wir warten auf 'Niggas in Vienna'.“ Oliver Pocher spielte damit auf einen Song auf Kayne West und Jay-Z an, der den Titel „Niggas In Paris“ trägt. Doch in den USA kam der vermeintliche Witz überhaupt nicht gut an. „Der Typ dachte anscheinend, er sei lustig, aber man sieht, dass Kim das nicht gut findet“, war im Promiportal TMZ zu lesen. Pocher, der als „irgendein Typ“ bezeichnet wird, sei „rassistisch“.  (Express)

Fastnacht-Rassimsus: Von „Afro-Tucken“ und „Dschungelbewohnern“

Kann Fassenacht rassistisch sein? Betroffene finden: ja. Doch Vereine wie die Frankfurter Karnevalsgesellschaft „Kameruner“ können die Kritik nicht nachvollziehen. Niemand mache sich über Schwarze lustig, so der Vorsitzende Peter Bauernfeind. Es sei einfach eine Persiflage auf Karneval. Jamila Adler von der Frankfurter Lokalgruppe der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland findet es dagegen„hochproblematisch“, wenn weiße Menschen es als lustigen Fastnachtsspaß ansehen, sich schwarz anzumalen: „Das ist ganz klar eine kolonialrassistische Praxis.“ (Frankfurter Rundschau)

Bremer Hooligans an Bord

Sie trugen Turnschuhe, grün-weiße Sturmhauben und Pullover mit der Aufschrift "Fußball und Gewalt": Mit einem Schiff haben am Samstag 130 Neonazis und Hooligans versucht, das Bremer Weserstadion zu erreichen. Dort lief das 100. Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV. Vermummt und mit einem metergroßen Transparent gegen die verfeindeten Hamburger schipperten die Hooligans die Weser hoch. Die Polizei hatte wegen dieses Risiko-Spiels viel zu tun, war mit etwa 1.000 Beamten im Einsatz, hatte die Reiterstaffel aus Hannover und Wasserwerfer aufgefahren. An einem solchen Tag zu wissen, wo sich der aggressivste, der gewaltsuchende Teil der Fans aufhält, sollte nicht schaden. Doch nach einer Polizeikontrolle wurde ein Teil der Hooligans ohne Begleitung laufengelassen. Sie machten anschließend Jagd auf umstehende Passanten, rannten ihnen in Seitenstraßen hinterher. Auch auf die Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke und einen weiteren Journalisten gingen sie los. Sie wurden bespuckt, beleidigt und in eine Sackgasse gedrängt. Erst nach einem Hilferuf kamen zwei Polizisten hinzu, die Journalisten konnten in einem Taxi flüchten (taz).

Schweden macht Neonazis den Prozess

In Stockholm hat am Freitag der Prozess gegen sieben von insgesamt 30 Angeklagten nach dem gewalttätigen Neonazi-Angriff auf eine Antirassismus-Demo im vergangenen Dezember begonnen. Ein 29-Jähriger Angehöriger der rechtsextremen Svenska motstandsrörelsen (SMR - "Schwedische Widerstandsbewegung") gilt als Anführer der Gruppe (KleineZeitung.at).

Und zum Schluss: Ein unfassbarer Artikel aus der Basler Zeitung - zu missverstandenen "Fremdenfeinden"

Lieblingszitat 1: "Zwar spielt die SVP bis heute mit Fremdenangst, um ihre politischen Ziele zu erreichen, und lockt so auch Fremdenfeinde an. Ihr Spitzenpersonal ist aber weder fremdenfeindlich noch rassistisch." - Ist klar. Die meinen das gar nicht so! So eine schlaue Taktik.

Lieblingszitat  2: "Wahrscheinlich trägt die SVP sogar dazu bei, dass sich Überfremdungsangst und Fremdenhass in der Schweiz bisher weniger radikal manifestieren als anderswo. " Klar: Wenn die Nazis genug Angst verbreiten - und dann auch noch in einer großen Partei mitreden dürfen - machen die Migrant*innen natürlich weniger Ärger! Au weia. (BAZ-online)

drucken