03.12.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Dortmunder Neonazis nehmen Journalist_innen ins Visier +++ Schweden: Rechtspopulist_innen stürzen Regierung in Krise +++ Rassismus an Münchner Disko-Türen: Gerichtsstreit endet mit Vergleich.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Dortmunder Neonazis nehmen Journalist_innen ins Visier

Wie im vergangenen Jahr wollen Neonazis der Partei „Die Rechte“ in Dortmund „Weihnachtskundgebungen“ vor den Privatwohnungen politischer Gegner_innen durchführen. Es soll unter anderem den Oberbürgermeister Ullrich Sierau und einen weiteren SPD-Kommunalpolitiker treffen. Neu unter denjenigen, die die Neonazis einschüchtern wollen: Ein Redakteur der Tageszeitung „Ruhrnachrichten“. Es sei geboten „ein Zeichen für objektiven Journalismus zu setzen“, so die Neonazis auf ihrer Internetseite. In der jüngeren Vergangenheit haben Angriffe von Neonazis auf Journalist_innen erheblich zugenommen, wie etwa bei der „HoGeSa“-Demo in Köln oder bei den rechten Protesten in Berlin-Marzahn (Störungsmelder).

Schweden: Rechtspopulist_innen stürzen Regierung in Krise

Die schwedische Regierung ist nach nur zwei Monaten im Amt in eine schwere Krise gestürzt. Die Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen hat für ihren Haushaltsentwurf keine Mehrheit im Reichstag. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) gaben am Dienstag bekannt, dass sie bei der Abstimmung am Mittwoch für den Entwurf der bürgerlichen Parteien stimmen werden. Dadurch würde der Entwurf der Opposition erfolgreich sein, die Regierung mehr oder minder gescheitert. Bisher sind sich allerdings alle Parteien im Parlament einig: Eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten, die aus dem rechtsradikalen Spektrum heraus entstanden sind und vor allem mit xenophoben Parolen Stimmung machen, wird es auch in Zukunft nicht geben (derStandard, Deutsche Welle).

Rassismus an Münchner Disko-Türen: Gerichtsstreit endet mit Vergleich

Am Ende stand der Vergleich: Hamado Dipama, Mitglied des Ausländerbeirats München, hatte dem Betreiber des Nachtclubs Pimpernel vorgeworfen, Schwarze Menschen aus rassistischen Gründen an der Eingangstür abzuweisen. Dipama hatte mit einigen Bekannten im April vergangenen Jahres einen Rassismus-Test in zahlreichen Clubs und Bars gemacht und immer wieder festgestellt: Schwarze müssen aus fadenscheinigen Begründungen draußen bleiben. Daraufhin verklagte Dipama sechs Clubs auf der Grundlage des Anti-Diskriminierungsgesetzes, in der vergangenen Woche wurde ihm zum ersten Mal Schmerzensgeld zugesprochen. Nach wortreichen Entschuldigungen des Pimpernel-Betreibers vor Gericht stimmte Dipama einem Vergleich zu (Süddeutsche).

Schweiz: Streit um rassistische Waschmittelwerbung

Wegen eines Werbespots für ein Waschmittel hat der Konzern Migros jetzt reichlich Ärger am Hals. In der Kampagne von Migros werden braune Bären beim Waschen weiß. Antirassist_innen und Schwarze Schweizer_innen sind empört – erinnert der Werbesport doch fatal an kolonialrassistische Plakate. Die Kampagne baue auf das rassistische Klischee, nachdem alles was braun oder schwarz ist, schmutzig sei, so der Vorwurf. Während der Kolonialzeit zeigten Plakate für „Javel“-Wasser oder Seife, wie Schwarze Menschen damit weissgewaschen werden. Deshalb überreichten Vertreter_innen antirassistischer Organisationen dem Konzern Migros einen offenen Protestbrief mit 90 Unterschriften. Migros selbst zeigt sich jedoch uneinsichtig, und weist jeglichen Rassismus von sich (20Min.ch)

M-V: Empfehlungen des NSU- Ermittlungsberichts sollen umgesetzt werden

Mecklenburg-Vorpommern will Konsequenzen aus den Ermittlungspannen in der NSU-Mordserie ziehen und plant Änderungen an Gesetzen. Innenminister Lorenz Caffier stellte auf einer Kabinettssitzung in Stralsund einen Bericht vor, der aus den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag konkrete Handlungsempfehlungen ableitet. 21 dieser Änderungsvorschläge beträfen die Arbeit der Polizei, 10 die Justiz, 12 den Verfassungsschutz und 4 seien von übergreifender Natur. "Wir werden Lehren aus den Fehlern ziehen, die in ganz Deutschland im Zusammenhang mit dem NSU gemacht wurden und Veränderungen vornehmen", sagte Caffier (NDR).

Rechte Bürgerwehr in Eisenhüttenstadt?

Auf Facebook unternimmt eine Gruppe Anstrengungen, im brandenburgischen Eisenhüttenstadt eine Bürgerwehr auf die Beine zu stellen. Die Gruppe wird vom Staat beobachtet- sie ist möglicherweise ein Sammelbecken für Neonazis und andere Rechte. Ob sie aber bereits jenseits des Internets aktiv war, ist unklar. Die Postings auf der Facebook-Seite sind allerdings gruselig. Dort ist unter anderem davon die Rede, Migrant_innen „abzuknallen“ (rbb).

Güstrow: Rechte planen Gegendemo

Am kommenden Samstag will ein breites Bündnis für Willkommenskultur und Asylrecht als Menschenrecht demonstrieren. Darauf haben nun Neonazis reagiert: Nach Informationen der SVZ wurde eine Gegendemo von Privatpersonen angemeldet, die unter dem Motto „Rostock gegen Salafisten“ laufen soll. „Seit zwei Jahren mobilisieren Nazis in MV gezielt gegen Flüchtlinge und verbreiten rassistische Vorurteile und Gerüchte“, sagte Stella Hindemith von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die das Ratschlag-Bündnis unterstützt. So versuchten Rechtsextreme in Güstrow, gegen die künftige Flüchtlingsunterkunft in der Südstadt Stimmung zu machen. „Unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Bürgerinitiative versuchten sie bisher auf Facebook sowie mit Infoständen und einem Fackelmarsch auch Menschen zu erreichen, die sich selbst nicht im neonazistischen Spektrum verorten.“ (SVZ)

NSU-Prozess: „Piatto“ wird aussagen

Carsten Sz., eine der zentralen Figuren in der Aufklärung des NSU-Komplex, als V-Mann unter dem Namen „Piatto“ bekannt, soll am heutigen Mittwoch in München seine Aussage machen.  Am Dienstag sagte, gewissermaßen als Vorbereitung, der Ex-Nazi Andreas P. aus. Er hatte „Piatto“ nach dessen Haftentlassung (Carsten Sz. saß wegen einer Hetzjagd auf einen Schwarzen im Gefängnis) einen  Job in seinem Szeneladen besorgt. Carsten Sz. sei dann von einem Tag auf den Anderen verschwunden. Als es allerdings um die Verbindungen seiner Ex-Frau zu NSU-Unterstützer_innen ging, verweigerte P. lieber die Aussage. Besonders nervös vor „Piattos“ Aussage dürfte der Brandenburger Verfassungsschutz sein. Denn heute könnten dessen Versäumnisse ans Licht kommen (Spiegel, rbb).

Pegida goes Düsseldorf

Pegida, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, die rassistische Wutbürger_innen in Dresden jeden Montag auf die Straße bringen, weitet sich auf weitere Städte aus. In dieser Woche in Kassel und Würzburg waren die Erfolge bei jeweils unter 100 Teilnehmer_innen bescheiden. Für nächsten Montag ist nun auch eine Demonstration in Düsseldorf (Dügida) angemeldet. Die Facebookseite der NRW-Organisator_innen haben bis Dienstagmittag bereits mehr als 2100 Menschen abonniert (RP-online).

Salzburg: Nazi-Schmierereien nun auch an SPÖ-Zentrale

Erst gestern wurde über Neonazi-Geschmiere an dem Parteibüro der Salzburger Grünen berichtet. Nun traf es auch die Zentrale der SPÖ. „Es handelt sich hierbei um rechtsradikale Straftaten und Wiederbetätigung, die dringend aufgeklärt werden müssen“, sagte SPÖ-Landesvorsitzender Walter Steidl. Steidl schließt sich jetzt auch der Forderungen der Grünen bzw. der Bürgerliste an, dass die Polizei eine eigene Sonderkommission (SOKO) gegen rechtsradikale Umtriebe einrichten soll: „Wer auch immer dahinter steckt, muss dafür auch zur Rechenschaft gezogen werden“ (ORF.at). In Salzburg zieht sich bereits seit zwei Jahren eine Serie rechtsradikaler Schmierereien durch die Stadt. Zu den Hintergründen berichtet die „Wiener Zeitung“.

Weißenfels: Vorbild Wunsiedel – Naziaufmarsch zu Spendenaktion

Das Weißenfelser Bündnis für Toleranz will sich gegen einen geplanten Aufmarsch von Rechtsradikalen am Samstag wehren. Ähnlich wie bei einer Aktion im oberfränkischen Wunsiedel wollen auch die Organisatoren in Weißenfels die Nazi-Demo in einen Spendenlauf verwandeln. Wie Oberbürgermeister Robby Risch (parteilos) gegenüber der MZ erklärte, wollen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit Spenden in einer Gesamthöhe von 1.000 Euro zur Aktion gegen Fremdenhass beitragen. Darüber hinaus lägen bereits zahlreiche Absichtserklärungen für weitere größere Spenden vor. Die Demonstration der Neonazis soll um 13 Uhr am Weißenfelser Bahnhof starten (mz-web.de).

Kagida und die Distanz zur NPD

Der Organisator der Kundgebung „Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Kagida), zu der nur etwa 80 Teilnehmer_innen auftauchten, geht auf Distanz zur NPD. Michael Viehmann sagte, er spreche lediglich aus „was alle denken“. Unter seinen Zuhörer_innen am Montag befanden sich unter anderem Daniel Lachmann und Stefan Jagsch, Mitglieder des NPD-Landesvorstandes Hessen. Zudem gab Viehmann zu, an den „HoGeSa“-Demonstrationen in Köln und Hannover teilgenommen zu haben (HNA).

Ranghoher Nazi-Funktionär Ingmar Knop erklärt Ausstieg aus rechter Szene

Ingmar Knop, langjähriger und ranghoher Funktionär bei DVU und NPD, hat seinen Ausstieg aus der rechten Szene erklärt. Knop war DVU-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt und 2006 Spitzenkandidat bei der  dortigen Landtagswahl. Nach dem Rückzug des Parteigründers Gerhard Frey war er 2009/2010 stellvertretender Vorsitzender der DVU und mitverantwortlich für deren Fusion mit der NPD. Zeitweise saß er dort im Bundesvorstand, daneben ist er Autor für zahlreiche rechtsextreme Blätter und seit Jahren einer der bekanntesten Szeneanwälte. Er vertrat sowohl rechtsextreme Gewalttäter als auch DVU und NPD (Tagesspiegel).

Zwarte Piet: Adventszeit, Rassismuszeit?

Alle Jahre wieder: An der Figur des „Zwarte Piet“, der in den Niederlanden auf Festumzügen als Begleitung des Nikolaus auftritt, entzündet sich ein heftiger Streit um Rassismus. Der Grund: Die „Zwarte Piet“-Darsteller bedienen sich des „Blackfacing“, einer rassistischen Darstellungspraxis, bei der sich weiße Menschen als Schwarze schminken. Zudem sehen antirassistische Gruppen in der Figur ein unrühmliches Erbe der Kolonialzeit, das unreflektiert und unkommentiert auf die Straße gebracht wird. Die „Berliner Zeitung“ berichtet ausführlich über die Debatte.

Keine Einigung im Streit um antifaschistischen Stadtführer in Wetzlar

Vor dem Wetzlarer Amtsgericht konnten sich die Parteien nicht einigen: Auf der einen Seite Boris Rupp, bis in die 90er Jahre Vorstand der Partei „Die Republikaner“, der in einem antifaschistischen Stadtführer als rechtsextrem bezeichnet wird, auf der anderen Seite der Verein „Wetzlar Erinnert“ und der DGB, die den Stadtfüher auflegen. In der Broschüre, die sich mit Wetzlarer Geschichte im Dritten Reich beschäftigt, gibt es auch eine Textpassage über lokale Akteure, die nach Ansicht der Verfasser_innen rechtspopulistisch auftreten. Boris Rupp ist dort genannt – und hat dagegen auf Unterlassung geklagt. Die Verfasser_innen des Stadtführers lehnen Änderungen ab. Das Urteil wird nun für den 20. Januar erwartet (mittelhessen.de)

Oberhausen: Ausstellung erinnert an Opfer der Nazi-Verfolgung

Die Ausstellung „Menschenschicksale“ im Niederrhein-Kolleg Oberhausen stellt Opfer der Nazi-Verfolgung vor. Sie zeigt, wie Staatsangehörigkeit 1933 als Machtinstrument diente, um zahlreichen Menschen ihre Heimat zu nehmen. Die Ausstellung verleiht Opfern der Nazi-Verfolgung ein Gesicht. Die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit: „Ein Mittel, um Oppositionelle und andere unliebsame Menschen auszuschalten“, erklärt Geschichtslehrer Guido Heinzmann den Studenten des Kollegs. Denn Betroffene waren nicht nur staaten-, sondern damit auch recht- und schutzlos. Als Wanderausstellung wird die Ausstellung in verschiedenen deutschen Städten zu sehen sein (Der Westen).

 

 

 

 

 

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