02.09.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Landtagswahl-Nachlese: "Die NPD steckt in der tiefsten Krise ihrer Geschichte" +++ "Ein dramatischer Einzelfall": Opferberatungsstelle lobt mutiges Einschreiten bei Überfall auf Mosambikaner +++ Thüringen: Weiterer Aufklärungsbedarf zu Ex-V-Mann Brandt.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

NPD Sachsen will Neuauszählung durchsetzen

Die rechtsextreme Partei will ihr Aus bei der Landtagswahl vorerst nicht hinnehmen. Sie spricht indirekt von Unregelmäßigkeiten.  Das berichtete gestern netz-gegen-nazis.de und heute auch die ZEIT. Dieser Aspekt ist dort spannend: In dieser Größenordnung (809) Stimmen mit einer Neuauszählung hinzuzugewinnen, ist nach Darstellung der Fachleute von wahlrecht.de durchaus möglich. Bis zum endgültigen amtlichen Endergebnis könnten die Auszähler Übermittlungs- und Zählfehler korrigieren, die üblicherweise auftreten, heißt es dort. Bei Landtagswahlen seien Korrekturen im zwei- bis dreistelligen Bereich möglich, aber auch Differenzen von mehr als tausend Stimmen seien bereits vorgekommen. Ob die NPD dadurch hinzugewinnt oder sich die Stimmenzahl weiter verringert, ist dabei offen. Auch die Bundespartei hofft darauf, dass Ergebnis des Sonntagabends noch einmal zu korrigieren. Parteijustiziar Frank Schwerdt sagte ZEIT ONLINE, er rate dem Landesverband "eine Neuauszählung von Stimmen da zu verlangen, wo es Auffälligkeiten gegeben hat".

"Die NPD steckt in der tiefsten Krise ihrer Geschichte"

Der verpasste Wiedereinzug in den Landtag stürzt die Rechtsextremen vor allem in gewaltige finanzielle Probleme, sagt Politikwissenschaftler Eckhard Jesse der Freien Presse.

NPD verliert mit Sachsen einen wichtigen Pfeiler

Nach dem Ausscheiden aus dem sächsischen Landtag stehen der rechtsextremen NPD schwere Zeiten bevor. Darüber ist sich auch die Partei selbst im Klaren. Interessant: "Frage: Was geht der NPD in Sachsen finanziell verloren? Die Fraktion erhielt für ihre Geschäftsstelle (Mitarbeiter der Fraktion, Technik, Fahrzeug und anderes) monatlich etwa 118.000 Euro vom Steuerzahler. Die NPD-Abgeordneten im Landtag bekamen wie alle Parlamentarier eine monatliche Grundentschädigung von derzeit 5.130 Euro plus einer Aufwandspauschale von 2.615 Euro im Monat. Bei acht Abgeordneten fielen somit jährlich 743.520 Euro an. Zudem stehen den Parlamentariern zur Beschäftigung persönlicher Mitarbeiter monatlich etwa 4.000 Euro zur Verfügung. Bei der NPD machte das pro Jahr zusammen 384.000 Euro aus. Weiteres Geld konnte sie für die Betreuung von Besuchergruppen und die Ausstattung der Wahlkreisbüros abrechnen. Insgesamt bezog die NPD in Sachsen pro Jahr 2,5 Millionen Euro vom Staat - nicht berücksichtigt die Wahlkampfkosten-Erstattung (Augsburger Allgemeine).

"Ein dramatischer Einzelfall": Opferberatungsstelle lobt mutiges Einschreiten bei Überfall auf Mosambikaner

Sebastian Braun, ein Chemnitzer Bürger, der dem Mosambikaner Augusto Mendes zur Seite stand, als dieser überfallen wurde, ist selbst Opfer eines Schlägertrupps geworden. Wie sicher sind jene Menschen, die Zivilcourage zeigen? Mit André Löscher, Mitarbeiter der mobilen Opferberatung in Chemnitz, sprach Eva Prase (Freie Presse).

Thüringen: Weiterer Aufklärungsbedarf zu Ex-V-Mann Brandt

Wie gut war die rechte Szene Thüringens, aus der die Terrorzelle NSU hervorging, international vernetzt? Politiker sehen darin eine weitere Frage für einen neuen Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss (Welt online). 

NPD darf nicht mit "Wir sind Helden"-Song werben

Kein Bock auf Nazis: Die Berliner Band „Wir sind Helden“ hat sich erfolgreich gegen die NPD gewehrt. Der Landesverband Thüringen hatte bei seiner Wahlkampftour den Song der Band „Gekommen um zu bleiben“ gespielt (Spiegel online, Berliner Zeitung, Rolling Stone).

Berliner Polizei verhindert Konzert von Nazirapper "Villain051"

In der Nacht zu Sonntag löste die Polizei in Berlin-Mitte ein Treffen von rund 30 Rechtsextremen auf, die ein Konzert planten. Unter den Teilnehmern befand sich auch Nazirapper Patrick „Villain051“ Killat, der vor allem durch rassistische Hetze gegen Geflüchtete in Hellersdorf Bekanntheit erlangte (Störungsmelder).

Experten: Kaum Chancen für Rechtsextreme bei Landtagswahl in Brandenburg

Brandenburger Organisationen gegen Rechts räumen der rechtsextremen NPD kaum Chancen auf einen Einzug in den Potsdamer Landtag nach der Wahl am 14. September ein. «Die NPD hat hier weder die Themen noch die Anhängerschaft, um die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen», sagte Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum am Montag in Potsdam. Dirk Wilking vom Demos-Institut betonte, dass die NPD nur über eine begrenzte Stammwählerschaft verfüge. «Ihr Stimmenanteil hängt daher stark von der Wahlbeteiligung ab.» Bei der Landtagswahl in Sachsen hatte die NPD am Sonntag nur knapp den Wiedereinzug in das Parlament verpasst (Berliner Zeitung, ND).

Freies Netz Süd: Neonazi-Organisation klagt gegen Verbot

Das rechtsextreme "Freie Netz Süd" wehrt sich gegen das Verbot der Organisation und gegen die Beschlagnahme eines Grundstücks in Oberprex (Lkr. Hof). Mehrere Menschen haben Klage eingereicht, mutmaßlich Tony Gentsch und Matthias Fischer, die hier einen rechtsextremen Versandhandel betrieben, und die Mutter von Tony Gentsch, der das Grundstück gehört (BR).

Alpen-Donau neu: Rechtsextreme Website vorerst eingestellt

Die rechtsextreme Website Alpen-Donau.info hat allem Anschein nach ihren Betrieb eingestellt. Waren bisher in der Form eines Blogs verschiedene Beiträge abrufbar, erscheint beim Aufrufen der Seite nur mehr der Verweis auf einen Webshop, wo "Solidaritäts-T-Shirts“ bestellt werden können. Damit war Alpen-Donau neu nur wenige Monate aktiv (Der Standard).

Kopftuch-Debatte: Philosoph warnt vor Gruppendenken

Dortmund diskutiert über das Kopftuch-Verbot im St.-Johannes-Hospital und die Äußerungen von CDU-Politikerin Gerda Horitzky. Im Interview erklärt uns der Philosph Dr. Christian Neuhäuser, wie er die aktuelle Debatte und die Kopftuch-Diskussion bewertet (Ruhr Nachrichten).

Trotz vieler Widerstände: Linkspolitikerin Juliane Nagel feiert erneuten Wahltriumph

Seit vielen Jahren ist Juliane Nagel (Die Linke) der vielleicht polarisierendste Charakter der Leipziger Stadtpolitik. Als Anmelderin unzähliger Demonstrationen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus empfinden ihre Gegner die 35-Jährige gern als Unruhestifterin, als personifizierte „Steinewerferin“. Für ihre Unterstützer ist die gebürtige Messestädterin und Studentin dagegen vor allem politische Repräsentantin des von Subkulturen und alternativem Leben geprägten Leipziger Südens. Nun konnte Juliane Nagel trotz gelegentlich auch innerparteilichen Gegenwinds zum zweiten Mal in Folge bei Wahlen triumphieren. Nach dem besten Ergebnis in ganz Leipzig bei den Kommunalwahlen im Mai gewann sie am Sonntagabend überraschend souverän auch ein Direktmandat für das Landesparlament – als einziges Nicht-CDU-Mitglied im ganzen Freistaat (dnn-online.de).

Reichsbürger will Bürgermeister von Uettersen werden

Früher kandidierte er für die NPD, jetzt stellte er sich für die Bürgermeisterwahl als “Oberreichsanwalt” vor. Mit seiner Kandidatur sorgt der Rechtsextremist Steffen Peter für Aufregung in dem kleinen Ort Uetersen (Schleswig-Holstein). Nach Informationen des Hamburger Abendblattes sah sich der Wahlausschuss gezwungen die Berufsbezeichnung des 50-Jährigen in “Stahl- und Walzwerker” zu ändern, da “Oberreichsanwalt” nicht zulässig ist (Störungsmelder).

Aktion Magdeburger Kneipen: Kein Bier für Neonazis

Gastronomen und Betreiber verschiedener Einrichtungen in Magdeburg haben eine Aktion gegen Rassismus auf die Beine gestellt. Am internationalen Tag des Friedens am 1. September starteten sie das Projekt "Wir servieren Zivilcourage". Mitinitiator Steffen Jany vom Café Central sagte: "Damit wollen wir Verantwortung übernehmen und ein sichtbares Zeichen setzen." Man wolle zeige, dass es für Intoleranz und Rassismus keinen Raum in Lokalen, Clubs, Bars, Restaurants und Geschäften gebe (mdr).

Ecopop-Initianten dürfen «Birkenstock-Rassisten» genannt werden

Die Ecopop-Initianten dürfen ungestraft als «Birkenstock-Rassisten» oder als «verwirrte Akademiker» bezeichnet werden. Dies hat das Aargauer Obergericht entschieden (Blick.ch).

Frankreich: Rechtsextremer Bürgermeister in Hayange sorgt durch Inkompetenz für dicke Luft im Rathaus

Fünf Monate nach der Bürgermeisterwahl im lothringischen Hayange herrscht im Rathaus dicke Luft. Wie die Zeitung „Le Républicain Lorrain“ berichtet, hat Bürgermeister Fabien Engelmann (34), der der rechtsextremen Partei Front National (FN) angehört, seiner ersten Beigeordneten und Stellvertreterin Marie di Giovanni da Silva ihre Befugnisse entzogen. Als Grund gab er an, da Silva habe Schwierigkeiten, im Team zu arbeiten, und ihre Ansichten seien mit seinen unvereinbar. „Dann muss man eben mit der Faust auf den Tisch hauen“, so Engelmann. So etwas geschehe nicht zum ersten Mal, „nur greifen wir beim FN lieber sofort energisch durch, statt in einem schädlichen Klima einfach weiterzumachen“. Da Silva hatte bei der Wahl im März auf Platz zwei der FN-Liste kandidiert. Der Stadtrat wird am Mittwoch über Engelmanns Entschluss abstimmen. Marie di Giovanni da Silva erklärte indes, Engelmann wolle in allen Angelegenheiten allein entscheiden. Seine Wahlversprechen hätten sich in Luft aufgelöst: Statt sich um die wichtigen Dinge der Stadt zu kümmern, eröffne er lieber Tierheime und Taubenschläge (Saarbrücker Zeitung).

Wolfgang Bosbach: "Die AfD ist in ein Vakuum eingedrungen"

Wolfgang Bosbach gilt als einer der letzten Konservativen der CDU. Er glaubt: Es war ein Fehler, die AfD zu ignorieren. In der Koalition müsse die CDU sichtbarer werden. Unter anderem sagt er: "Die AfD profitiert auch von dem starken Nachlassen der FDP. Sie ist in ein Vakuum eingedrungen. Wir haben immer gesagt, rechts von der Union darf es keine demokratische Partei geben und jetzt gibt es sie. Deswegen glaube ich nicht, dass es sich um eine Übergangserscheinung handelt." (ZEIT online)

AfD: Rechtspopulismus gehört jetzt zu Deutschland

In Sachsen zog die AfD am Sonntag erstmals in ein Landesparlament ein. Es könnte der Anfang einer Erfolgsgeschichte werden. Die etablierten Parteien reagieren ratlos und nervös. Aus gutem Grund, schreibt Cicero.

Parteienforscher: "Mit der AfD argumentativ auseinandersetzen"

Der Parteienforscher Oskar Niedermayer plädiert für einen entspannten Umgang mit der rechtskonservativen "Alternative für Deutschland". Ihr Einfluss in der deutschen Politik werde auf absehbare Zeit gering bleiben (Deutsche Welle).

SPD-Frau über NPD und AfD in Sachsen: „Wir sind das Problem nicht los“

Demokratiearbeit wurde geschwächt, bei der Jugendpolitik gekürzt. Auch deshalb stimmen 15 Prozent für Parteien rechts der CDU, sagt SPD-Politikerin Susann Rüthrich. Interessant: "Was bedeutet es für die NPD, aus dem Landtag zu fliegen? Das ist ein herber finanzieller Verlust. Außerdem verliert die NPD die Rechte der Abgeordneten, also das Auskunftsrechte zum Beispiel über Initiativen, Träger, Personen, wer wo im Vorstand sitzt und wieviel Geld bekommt. Aber das Wählerpotential ist ja weiter da." (taz)

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