01.12.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Dramatischer Aufwind für die Rechtsextremen +++ Konsequenz aus NSU-Debakel: Zentrale V-Mann-Datei soll im Frühjahr kommen +++ Proteste gegen Flüchtlinge in Schneeberg flammen erneut auf +++ Heute Gegendemos in Berlin, Dresden, Kassel nötig.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Dramatischer Aufwind für die Rechtsextremen

Die NPD galt als tot. Doch nun könnte ihr mit Stimmungsmache gegen Flüchtlinge ein Comeback gelingen. Befeuert von "Pegida"-Demonstrationen - und dem Versuch der AfD, sich vom rechten Rand zu lösen. "Wir haben erstmals wieder eine rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung in Deutschland", warnt etwa der Berliner Politologe Hajo Funke angesichts der in 33 deutschen Städten geplanten Schweigemärsche. Und für ihn steht außer Frage, wer von dieser Bewegung profitieren wird. "Mit diesen Demonstrationen gewinnt die NPD wieder Aufwind", sagt Funke (Welt).

Konsequenz aus NSU-Debakel: Zentrale V-Mann-Datei soll im Frühjahr kommen

Nach jahrelangem Streit haben sich Bund und Länder auf den Aufbau einer zentralen Datei für ihre V-Leute geeinigt. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte der "Welt am Sonntag", Ende Oktober sei die Abstimmung abgeschlossen worden. Die technische Umsetzung sei ab dem Frühjahr geplant. Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern wollen enger zusammenarbeiten. Vereinbart wurde dem Bericht  zufolge, welche Informationen über die Spitzel künftig gespeichert werden und dem Bundesamt sowie den Landesämtern zur Verfügung stehen sollen. Die Eingabe und Pflege der Daten solle künftig im Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgen. Die Bundesländer hatten sich für eine umfassende Chiffrierung der vom Staat bezahlten Informanten eingesetzt. Sie befürchten das Auffliegen ihrer V-Leute (mdr).

Proteste gegen Flüchtlinge in Schneeberg flammen erneut auf

Etwa 750 Personen zogen am Samstag, dem 29. November, durch die erzgebirgische Stadt Schneeberg, um gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Stadt zu demonstrieren. Ein beträchtlicher Teil der Demonstrant_innen kam dabei aus dem Umfeld von NPD und regionalen Kameradschaften. In Schneeberg befindet sich in einer ehemaligen Kaserne eine Außenstelle der Chemnitzer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende (StörungsmelderFreie Presse).

Berlin: Wieder Proteste gegen "Heimgegner_innen" am Montag und Dienstag nötig

Für den heutigen Montag und morgigen Dienstag haben linke Gruppen und örtliche Initiativen erneut zu Protesten gegen Demonstrationen von Asylheim-Gegnern in Treptow-Köpenick und Buch aufgerufen. Auch in Marzahn wollen Gegner der für Flüchtlinge geplanten Containerdörfer am Montag wieder aufmarschieren. Erwartet werden dort laut Medienberichten bis zu 1.000 Teilnehmer, zu Gegenprotesten wird mobilisiert. Am Freitagabend hatten bereits etwa 200 Menschen vorwiegend aus dem linken Spektrum im Köpenicker Allende-Viertel gegen Heimgegner protestiert (taz).

In BILD spricht der "Pegida"-Erfinder, der jeden Montag tausende Dresdner auf die Straße bringt

Und weil das Gespräch interessant ist, verlinken wir es hier. Es ist, wie nicht anders zu erwarten, ein Lehrstück in ausweichender Umwegkommunikation: Keine Rassist_innen, keine Nazis, türkische Trauzeugen und keiner traut sich mehr, was zu sagen (BILD).

PEGIDA: Rechte Pressure-Groups

»PEGIDA« in Dresden, »HoGeSa« in Köln, Proteste gegen Flüchtlingsheime, die US-amerikanische Zentralbank oder angebliche »Homoumerziehung«: Auf den Straßen bewegt sich etwas – in die falsche Richtung. An diesem Montag wieder in Dresden (JW).

„Bürgerwehr“ in Eisenhüttenstadt: Neonazis als Hilfssheriffs

Der partnerschaftliche Umgang der Brandenburger Polizei mit sogenannten Bürgerwehren erweist sich im Fall Eisenhüttenstadt als problematisch. Der Grund sind Rechtsextreme, die sich in den Zivilstreifen zur Kriminalitätsbekämpfung tummeln. Das geht aus einer Antwort von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der Sozialdemokraten im Potsdamer Landtag hervor (taz).

Thiazi-Prozess: „Junge Menschen sollten für die rechte Szene rekrutiert werden“

Nach der Razzia 2012 wurde Thiazi – das bis dahin größte Neonazi-Forum Deutschlands – abgeschaltet. Seit Freitag müssen sich vier mutmaßlich Hauptverantwortliche nun wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung vor Gericht verantworten. Es wird ein Mammutprozess werden, der Verfahrensumfang beträgt über 67.000 Seiten (Endstation rechts).

Opfer rechter Gewalt: Orazio Giamblanco kämpft sich durchs Leben

Vor 18 Jahren schlug ein Neonazi den Italiener Orazio Giamblanco brutal nieder, es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Seither begleiten wir den heute 73-Jährigen auf seinem Weg. Der Übergriff zeichnet sein Leben und das seiner Angehörigen bis heute. Der Täter hat den Sprung in ein neues Leben dagegen geschafft. Auch in diesem Jahr sammelt der Tagesspiegel wieder Spenden.

Rechte Retter des Abendlandes - heute auch in Kassel

Ein Kasseler Hogesa-Aktivist ruft in seiner Heimatstadt heute zur Demo gegen die Islamisierung auf. Dabei gibt er sich ganz bürgerlich. Sein Vorbild sind die rechten Aufmärsche in Dresden (Frankfurter Rundschau).

AfD-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern: "Warum haben Sie keine Kinder?"

Es war kein freundlicher Empfang: Vor dem Hotel am Stadtrand von Greifswald warteten am Morgen bei Minustemperaturen schon Demonstranten auf die AfD-Mitglieder. Mit Plakaten und Spruchbändern protestierten etwa 30 Mitglieder eines linken Aktionsbündnisses gegen die eurokritische Partei. Sie warfen ihr Ausländerfeindlichkeit und allzu große Nähe zur NPD vor. Mitglieder des Landesvorstandes würden außerdem offen rechtsextreme Inhalte auf Facebook zitieren und verlinken. Erst jüngst geriet das AfD-Bundesvorstandsmitglied Petra Federau deshalb in die Schlagzeilen, im Kreistag Vorpommern-Greifswald unterstützten AfD-Abgeordnete flüchtlingsfeindliche Anträge der rechtsextremen NPD. Die rund 100 Mitglieder, die nach und nach in den engen Tagungsraum strömten, ließ das ungerührt. In ihren Augen ist das Hetze, Medien, Alt-Parteien und politische Gegner versuchten überall, die Partei mit Halbwahrheiten und Lügen zu diffamieren, sagte Ex-Landesprecher Holger Arppe aus Rostock. Dabei sei die AfD "Avantgarde aller Menschen, die spüren, dass die Bundesrepublik eine unheilvolle Entwicklung nehmen werde", schwadronierte Arppe am Rednerpult (NDRNordkurier).

Kritik an medialer Darstellung von Muslimen

Migrationsexperten haben die ihrer Ansicht nach undifferenzierte Darstellung von Muslimen in den Medien kritisiert. Es werde nur selten zwischen Islam und Islamismus unterschieden, sagte der Vorsitzende des muslimischen Landesverbands Schura Niedersachsen, Avni Altiner, bei einer Fachtagung in Hannover. Die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger, machte die soziale Ausgrenzung junger Muslime für die Radikalisierung verantwortlich: "Salafismus sollte nicht nur vom Islam her gedacht werden, sondern als Folge gesellschaftlicher Desintegration." Altiner zufolge stellen Medien und Politik den Islam oft als Bedrohung dar. Positiventwicklungen würden häufig ignoriert. Anschläge auf Moscheen riefen hingegen kaum Betroffenheit hervor (Hamburger Abendblatt).

"Du kommst hier nicht rein" - Alltagsrassismus in Bayern

Das Geschworenen-Urteil im Fall des schwarzen Teenagers Michael Brown hat in den USA heftige Proteste ausgelöst. Die Debatte schwappt nun nach Deutschland über. Gibt es auch in Bayern alltäglichen Rassismus? Wenn Hamado Dipama ausgehen will, wird es schwierig. "Heute ist Studentenparty" oder "Nur mit Reservierung", heißt es von den Türstehern vor den Clubs, sobald sich der dunkelhäutige Mann dem Eingang nähert. Und auch Ahmed Amirhadschi kennt die Probleme, die ein fremdländisches Aussehen mit sich bringen kann. Wenn der Iraner mit dem Zug fährt, hält er den Ausweis schon bereit. "Ich werde fast immer kontrolliert", sagt er (AZ,)

HoGeSa ist kein Problem des Fußballs

Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte, über Ultras, Hooligans, den Maidan und große Ängste. Michael Gabriel ist Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Frankfurt am Main. An bundesweit 54 Standorten arbeiten die Fanprojekte mit insgesamt 60 Fanszenen auf sozialpädagogischer Basis. Auch der Arbeit der KOS und all ihrer Fanprojekte ist es zu verdanken, dass sich deutschlandweit eine starke Ultraszene entwickelt hat, die in den Stadien einen antirassistischen Konsens etablieren konnte. Mit dem KOS-Leiter sprach Alexander Ludewig über den Ursprung und die Gefahren der rechten Bewegung »Hooligans gegen Salafisten«. (ND)

Ferguson: Im Krawallmodus

Die landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt und institutionellen Rassismus in den USA halten an. Am Black Friday, an dem viele Amerikaner ihre Weihnachtseinkäufe erledigen, besetzten Demonstranten Zugangsstraßen, mehrere Einkaufszentren mussten zeitweise schließen. Die Polizei nahm mindestens 15 Personen fest. Allein in Ferguson schlossen wegen Demonstrationen vorübergehend drei Einkaufszentren. Auch in Chicago, New York, Seattle und Kalifornien gab es erneut Protest gegen die Entscheidung einer Großen Anklagekammer, den weißen Polizisten Darren Wilson weder des Mordes noch des Totschlages am schwarzen Jugendlichen Michael Brown anzuklagen. In San Francisco wurden Schaufensterscheiben eingeschlagen (ZEIT online).Die Medien müssen sich fragen, ob sie die Gewalt befeuert haben (ZEIT online).

'Warum ein Schwarzer?' Rassistische Anfeindungen gegen "Star Wars"-Star John Boyega

Der Trailer zu "Star Wars: Episode VII – The Force Awakens" ist erst wenige Minuten alt gewesen, da wird die Filmdatenbank imdb mit rassistischen Anfeindungen gegen Hauptdarsteller John Boyega regelrecht überflutet (Rolling Stone).

Bundearbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus tagt in Mainz

Flüchtlingszustrom, die steigende Anzahl von Asylsuchenden und die nach wie vor vorhandenen Ressentiments gegen ausländische Mitbürger rücken auch das Handeln der Kirchen ins Blickfeld. Deren Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten, um rechtspopulistischem Gedankengut den Nährboden zu entziehen, gehörte zu den zentralen Aufgaben der vierten Ost-West-Konferenz, zu der die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+ R) in den Erbacher Hof unter dem Motto „Rassismus widersprechen – denn vor Gott sind alle gleich!“ eingeladen hatte (Allgemeine Zeitung).

Facebook: Fotojournalisten kämpfen gegen Neonazi-Kommentare 

Wie erreicht man Facebook? Offenbar gar nicht. Der Fotojournalisten-Verband Freelens scheiterte bislang mit der Bitte, Kommentare zu entfernen, die der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden und zur Gewalt gegen Fotojournalisten aufrufen. Nun wendet sich der Verband mit einem offenen Brief an Facebook (netzwelt.de).

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