Beim Spiel zwischen Spartak Moskau und Schinnik Jaroslawl kam es zu schweren Ausschreitungen, bei denen auch rechtsextreme Fans mitmachten.
Wikimedia Commens/cc-Lizenz/Zac allan

Spartak Moskau: Randale und ein Hakenkreuz

Nach Ausschreitungen bei einem Pokalspiel muss Spartak Moskau zur Strafe zweimal vor leeren Tribünen spielen. Bei der Randale mischten Neonazis mit – im Stadion wurden Fahnen mit Kelten- und Hakenkreuzen gezeigt.

Von Ulrich Heyden, Moskau

Das Fußballspiel, das Ende Oktober in Jaroslawl, einer Kleinstadt zwei Autostunden nördlich von Moskau stattfand, wird in der Liste unschöner russischer Sport-Wettkämpfe einen besonderen Platz bekommen. Weil auf der Tribüne mit den Fans von Spartak Moskau randaliert wurde – 800 Stühle gingen zu Bruch – und Fans versuchten trotz Wasserwerfereinsatz aufs Spielfeld durchzubrechen, musste das Fußballspiel zwischen den Mannschaften von Spartak Moskau und Schinnik Jaroslawl für 30 Minuten unterbrochen werden. Der Moskauer Club siegte gegen den Fußballclub aus Jaroslawl mit 1:0.

Die Russische Fußball-Union verhängte wegen der Krawalle gegen beide Fußball-Clubs harte Strafen. Schinnik muss dreimal vor leeren Tribünen spielen und 11.000 Euro zahlen. Spartak musste zweimal ohne Zuschauer spielen und 13.000 Euro zahlen. Spartak erhielt die Strafe wegen dem massenhaften Einsatz von Pyrotechnik und dem Zeigen der Hakenkreuzfahne. Schinnik erhielt die Strafe wegen ungenügender Sicherheitsvorkehrungen im Stadion. Doch der eigentliche Skandal, über den das angesehene russische Blatt Sowjetski Sport am Folgetag berichtete , war das Zeigen einer originalen schwarz-rot-weißen Hakenkreuzfahne im Spartak-Fanblock. Wie auf dem Foto zu sehen ist, stehen die Jugendlichen mit der Hakenkreuzfahne völlig unbehelligt.

Wie man in den Foren der Spartak-Fans lesen kann, ist der Ärger über die Strafen für den eigenen groß. Doch niemand scheint daran zu glauben, dass diese Strafen etwas an der Gewaltbereitschaft der Störer ändern werden. Der Vorfall mit der Hakenkreuzfahne ist jedoch vielen Fans peinlich. Doch auf fanat1k.ru findet man auch erstaunlich viele Einträge mit klarer rechtsradikaler Gesinnung. Der User "Forcados" schreibt, die Spartak-Fan hätten sich mit den Polizisten der Omon-Spezialeinheit "grandios" geschlagen. Überall würden die Fans jetzt Kommentare posten wie "lass die Liberalen sehen, dass die Helden von Rus nicht ausgestorben sind."

Über den Wasserwerfer-Einsatz sind die Spartak-Fans zwar sauer, aber die Wut darüber scheint schon wieder abgeebbt zu sein. Der Einzige, der den Einsatz des Wasserwerfers öffentlich kritisierte, war der Sportminister Russlands, Vitali Mutko. "In welchem Land der Welt kann man so was noch sehen?", fragte der Minister. Ein Wasserwerfer-Einsatz schade dem Image Russlands und schrecke Investoren ab. So ein Einsatz sei "nicht normal" für ein Land, welches 2018 die Fußballweltmeisterschaft durchführen will.

Spartak schiebt die Schuld auf die Polizei

Nachdem die Moskauer Sportzeitungen, den Vorfall mit der Hakenkreuzfahne öffentlich gemacht hatten, distanzierte sich der Moskauer Club von dem Vorfall und spricht von einer Beleidigung derjenigen die im Kampf gegen Faschismus ihr Leben gelassen haben. Am 10. November gab der Besitzer von Spartak, der Milliardär Leonid Fedun, bekannt, dass der Sicherheitsdienst des Fußballclubs diejenigen ausfindig gemacht habe, welche die Hakenkreuzfahne hielten.  Der Club-Chef erklärte, die Provokateure seien "kein Fußballfans" sondern Mitglieder der extremistischen Organisation "Russische Front". Man werde Strafverfahren gegen die Fahnen-Träger beantragen. Gefängnisstrafen "von bis zu sieben Jahren" seien möglich.

Außerdem kritisierte Fedun die Polizei, die "kein Interesse" zeige, den Vorfall aufzuklären. Fast zeitgleich erklärte der Moskauer Polizei-Chef, Anatoli Jakunin, gegenüber Sowjetski Sport, die Fahnenhalter würden "ohne Nachsicht" bestraft. Die Polizei war in Jaroslawl zwar mit 1.200 Mann im Stadion präsent, hatte aber Mühe Tausende von aufgeheizten Fans Spartak, die aus Moskau angereist waren und schon zu Spielbeginn begannen Feuerwerksraketen abzuschießen, unter Kontrolle zu halten.

Wie die Auseinandersetzungen begannen

Die Spartak-Fans hatten gleich zu Spielbeginn ihre Bengalos gezündet und Feuerwerksraketen abgeschossen.  Doch richtig ernst wurde es erst in der zweiten Halbzeit, als ein Zuschauer in schwarzem Trainingszug einmal quer über das Spielfeld zur Tribüne der Spartak-Fans lief. Wie sich später herausstellte war der Zuschauer in Moskau gemeldet. Der Club Schinnik Jaroslawl erklärte in einer Stellungnahme, der Mann sei unter den Fans in Jaroslawl nicht bekannt.

Die aus Moskau angereisten Fans begrüßten den Flitzer von der Tribüne aus mit Lachen. Als der Mann in mittlerem Alter versuchte, über die Absperrung zwischen Spielfeld und Tribüne zu springen, versuchte ihn ein Ordner festzuhalten. Schließlich wurde der Flitzer von behelmten Polizisten der Spezialeinheit Omon umringt und offenbar festgenommen. Dabei verdrängte die behelmte Polizei zunehmend mehr Fans aus dem unteren Bereich des Blocks. Die Spartak-Fans wurden deshalb zusehends wütender und begannen kurze Zeit später Sitzschalen herauszureißen und auf die Polizisten zu werfen. Die Mitglieder der Spezialeinheit Omon (im russischen Fan-Slang "Kosmonauten" genannt) stoppten Hunderte von Spartak-Fans, die aufs Spielfeld durchbrechen wollten, 78 von ihnen wurden festgenommen. Nach Augenzeugenberichten waren die Fans von Schinnik Jaroslawl an den Schlägereien nicht beteiligt.

Fans fordern Spieler "mit der richtigen Hautfarbe"

Es ist nicht das erste Mal, dass Spartak-Fans und insbesondere der Fan-Club Fratria (Brüderschaft) mit Gewalt und rechtsradikalen Äußerungen von sich reden machen. Der St. Petersburger 5. Fernsehkanal schrieb auf seinem Online-Portal: "Die Spartak-Ultras zeichnen sich nach Meinung von Experten durch eine äußerst extremistische Weltanschauung aus. Sie feierten schon den Hitler-Geburtstag und forderten die Entfernung von Spielern, die ihrer Meinung nach nicht die richtige Hautfarbe haben."

Moskauer Fußball-Fans und unter ihnen die Spartak-Anhänger immer dann dabei, wenn es um ausländerfeindliche Aktionen geht. Sie waren dabei als Mitte Oktober 4.000 Anwohner – unterstützt von Rechtsradikalen – in dem am südlichen Stadtrand von Moskau gelegenen Bezirk Birjulowo nach dem Mord an einem Russen einen Gemüse-Markt stürmten, indem Kaukasier arbeiten. Zur Jagd auf Kaukasier kam es auch 2010 auf dem Moskauer Manege-Platz nachdem ein junger Mann aus Dagestan bei einer Auseinandersetzung auf der Straße einen jungen Spartak-Fan mit einer Gaspistole tötete.

Dass sich der Fußball-Club Spartak besonders um die Aufklärung unter seinen Fans über den Nazismus bemüht, ist nicht bekannt. Doch nun heißt es in der Erklärung des Vereins, der Vorfall mit der Fahne "beleidigt das Andenken an Millionen umgekommener Menschen". Doch mit einmaligen Erklärungen wird man die rechtsradikale Gesinnung unter den Fans nicht vertreiben können. Über Jahre konnte in dem Verein eine rechtsradikale Gesinnung ungehindert Wurzeln schlagen. Zweifellos ist das auch ein Resultat der Kreml-nahen Medien, welche Gastarbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien nicht als Mitbürger sondern "Fremde" und "Eindringlinge" mit hohem kriminellen Potential darstellen.

Angespannte Stimmung in Moskaus Außenbezirken

Was sich in der Moskauer Fußball-Fan-Szene abspielt, gibt auch Aufschluss über die gespannte Stimmung in den Plattenbau-Vierteln der Moskauer Außenbezirke, wo es keine teuren Restaurants und Boutiquen gibt und wo keine Bentleys vor Nachtclubs parken. Dort leben Jugendliche, die sich keine großen Anschaffungen leisten können und die angereisten Gastarbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien nicht nur als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt sondern auch als Feinde sehen, die man am liebsten mit Gewalt vertreiben würde.

Durchaus typisch für die aggressive Stimmung in Teilen der Moskauer Jugend ist folgender Post in der Komsomolskaja Prawda zum Polizeieinsatz während des Spiels in Jaroslawl: "Die kampffähigen Einheiten der Jugend werden langsam vernichtet. Es bleiben nur feige Zeitgenossen im Renten-Alter und Schwule. Danach kann man Russland mit nackten Händen nehmen und in ein Kalifat verwandeln." Eine demokratische und linke Fan-Szene, die der Wühlarbeit rechter Extremisten in den Fußball-Clubs mit eigener Aufklärungsarbeit etwas entgegensetzt, gibt es bisher nicht. Linke Sportclubs sind bisher nur im Bereich Freistil-Ringen aktiv.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf publikative.org und wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

 

Mehr zum Thema auf fussball-gegen-nazis.de

Rassismus im russischen Fußball

drucken