Ausgelassen feierten die Spanier ihren EM-Titel. Doch wie sieht es in den spanischen Stadien mit Rechtsextremismus und Rassismus aus?
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"Heil Mou": Rechtsextremismus und Rassismus im spanischen Fußball

EUROPA RECHTSAUßEN: Im zweiten Teil unserer Reihe schauen wir ins Land des Welt- und Europameisters. Wie sieht es also in Spanien mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung in den Stadien aus?

Von Juliana Hilf

6. April 2013: Heimspiel des weltweit bekannten spanischen Vereins Real Madrid gegen Levante UD aus Valencia. Eigentlich ein Spieltag wie jeder andere in der Primera  División – wäre da nicht dieses aufsehenerregende Plakat vor dem Bernabeu-Stadion gewesen. Unverkennbar darauf zu sehen: Hitlers Gesicht, daneben das des damaligen Real-Trainer José Mourinho.  Zwischen den beiden Gesichtern stand in Großbuchstaben "Heil Mou ". Auch das schlecht gemalte Real Madrid Logo war zu erkennen. Von den Verantwortlichen für diese üble Botschaft gibt es bis heute keine Spur. Es wird jedoch eine rechtsextreme Fangruppierung verdächtigt, das Plakat aufgehängt zu haben - Anhänger der Heimmannschaft. 

Dieser Vorfall ließ und lässt Fußballinteressierte in ganz Europa aufhorchen und sich wieder einmal die Frage stellen: Sind Rassismus und Rechtsextremismus in spanischen Fußballstadien ein großes Problem? Ángel María Villar Llona, Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF (Real Federación Española de Fútbol), verneint dies eindeutig: "Es gibt keinen Rassismus im spanischen Fußball", sagte der 63-jährige 2012 in einem Interview. Allerdings: Im selben Jahr  kam es während der Europameisterschaft auf Seiten der spanischen Fans zu rassistischem Verhalten - beispielsweise gegen Italiens Spieler Mario Balotelli, der mit "Affenlauten" beleidigt wurde.  Und: Auch wenn man "La Liga" verfolgt, stößt man im vergangenen Jahrzehnt immer wieder auf rassistische und rechtsextreme Vorkommnisse. All dies scheint Llonas Aussage zu widerlegen. Ein Rückblick.  

"Sch*** Neger"

2004 war Luis Aragones spanischer Nationaltrainer. Bei der Vorbereitung auf ein Länderspiel gegen England soll er seinen Stürmer José Antonio Reyes auf rassistische Art und Weise motiviert haben, besonders gut zu spielen:  "Zeig` dem Sch*** Neger, dass du besser bist als er" –  gemeint haben soll er damit den Spitzenstürmer Thierry Henry. In der Partie Spanien – England pöbelten dann spanische Fans gegen schwarze englische Spieler und gaben "Affenlaute" von sich, wenn einer von ihnen am Ball war. Ob sie sich durch die Aussage des spanischen Trainers ermutigt gefühlt haben oder nicht, ist schwer zu sagen. Aragones musste jedenfalls für seine rassistischen Äußerungen im Nachhinein 3.000 Euro Strafe zahlen, auch wenn die RFEF die Bestrafung zunächst abgelehnt hatte.

Real: "Nazigrüße" und rassistische Parolen

Ende November 2004 wurden außerdem beim Europapokal-Spiel Real Madrid - Bayer Leverkusen die Brasilianer Juan und Roque Junior von spanischen Fans rassistisch beleidigt. Auch "Nazigrüße" sollen mehrfach gezeigt worden sein. Auch wenn die Übeltäter nicht ermittelt werden konnten, fällt der naheliegende Verdacht dabei auf die "Ultras Sur" als Urheber dieser Vorfälle -  gilt diese Gruppe doch als rechtslastig und ist schon öfters durch rassistische Schmährufe und rechtsextreme Symbole aufgefallen. Auch in der jüngsten Vergangenheit: 2011 zum Beispiel, beim Finale um den "Copa del Rey". Bei diesem Spiel gegen die Erzrivalen aus Barcelona waren faschistische Gesten und ein Plakat mit der Aufschrift "Happy Birthday 18" (die 18 steht hierbei wohl für die Buchstaben A und H, was auf Adolf Hitler hinweist, dessen Geburtstag ebenso wie das Finale auf den 20. April fiel) zu sehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Sicherheitsleute das Plakat entfernten. Die Verantwortlichen, Mitglieder der "Ultras Sur", wurden nicht bestraft. Zwei  Jahre zuvor hatte Real Madrid noch wegen rechtsextremer Parolen und aufgrund von Hakenkreuz-Plakaten in den Kurven eine Geldstrafe von 30.000 Euro zahlen müssen.

Atlético: Rassismus und rechtsextreme Symbole

Aber nicht nur Real Madrid hat ein Problem mit Teilen seiner Anhängerschaft – auch Atlético Madrid wurde von der UEFA 2008 zu einer Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro verurteilt, weil seine Fans rassistische Parolen gerufen und rechtsextreme Symbole gezeigt hatten. Außerdem musste der Verein einige Champions-League-Spiele in einem 300 km entfernten Stadion austragen. Die Fangruppe, die hier der rechten Szene zugeschrieben wird, nennt sich "Frente Atlético" und benutzt den SS-Totenkopf als Symbol auf ihren Plakaten und Fahnen. Auch Hakenkreuze-Plakate und ein Jörg-Haider-Gedächtnisbanner sollen sie gezeigt haben.

"Affenlaute" gegen Eto’o

Doch auch in anderen spanischen Städten gibt es ein Problem mit rassistischen Fußballfans. 2008 musste beispielsweise Samuel Eto’o  in einem Ligaspiel gegen Saragossa während des kompletten Spiels "Affenlaute" über sich ergehen lassen. Deshalb  wollte dieser 15 Minuten vor Abpfiff das Feld in Richtung Kabine verlassen, anstatt einen Eckstoß auszuführen. Nur aufgrund der Überredungskünste seines Trainers und seiner Mitspieler spielte Eto’o dann aber doch bis zum Abpfiff weiter. Der Ex-Dortmunder Ewerthon, der damals bei Saragossa unter Vertrag stand, äußerte nach den Vorfällen seine Betroffenheit: "Was geschehen ist, ist traurig. In Deutschland gibt es viel Rassismus gegen Ausländer und dennoch habe ich dort nie Beschimpfungen erleiden müssen. In Spanien hingegen ist mir das sehr wohl an einigen Orten widerfahren - und ich halte es für ein sehr bedauernswertes Thema."

Trotz Engagements keine Verbesserung?

Dabei gab und gibt es durchaus positive Ansätze im spanischen Fußball. So wurde die 2005 von der FIFA ins Leben gerufene Initiative "Kick Racism out of Football" auch von Spanien unterzeichnet. Die Forderungen der Kampagne: Die Öffentlichkeit soll für das Thema Rassismus im Fußball sensibilisiert werden, rassistische Fans sollen besser erkannt und von den jeweiligen Vereinen bestraft werden können. Auch gibt es seit 2007 ein spanisches Gesetz, welches strafbare Vergehen in den Stadien deutlicher als zuvor definiert und höhere Sanktionen festlegt - meist in Form von Stadionverboten und Geldstrafen. Laut diesem Gesetz sind beispielsweise verfassungswidrige Symbole, Parolen und Gesten in den Fußballarenen verboten. Außerdem gab es auch von Seiten der Fans erste positive Ansätze. 2005 setzten sich beispielsweise 15 Repräsentantinnen und Repräsentanten antirassistischer Ultragruppen zusammen und riefen eine gemeinsame Aktion im Rahmen der FARE-Aktionswoche ins Leben. Allerdings fanden dieses Treffen und die daraus resultierende Aktion ausschließlich auf lokaler Ebene statt.

Die oben genannten Vorfälle haben jedoch gezeigt, dass es in Spanien noch viel zu tun gibt. Nur was? Neben Sanktionen wie Geldstrafen und Stadionverboten sollte man vor allem an den gesunden und demokratischen Verstand der Vereins-Vorsitzenden, Funktionäre, Spieler und Fans appellieren und hoffen, dass sich in Zukunft möglichst viele von ihnen gegen Rassismus und Neonazis engagieren. Nur so werden die dumpfen Beleidigungen, die geschmacklosen Gesten und die faschistischen Plakate nach und nach aus den spanischen Stadien verschwinden und irgendwann vielleicht sogar gar nicht mehr dort auftauchen. Erst dann wäre Ángel María Villar Llonas Aussage, es gäbe keinen Rassismus im spanischen Fußball, richtig. 

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