Presse- und Blogschau 30.10.-8.11.2012

Rauball und Zwanziger warnen vor Nazi-Gefahr im Fußball +++ Homophobie und Sexismus im Amateurfußball +++ FC Millwall erteilt 13-Jährigem Stadionverbot +++ Ehrenkodex für Fans in Aachen +++ Dortmund: Staatsschutz bietet BVB-Fans Hilfe im Kampf gegen Nazis an +++ Eintracht Braunschweig: Zoff um "kurvenlage"

Die wöchentliche Presse- und Blogschau von fussball-gegen-nazis.de

Rauball und Zwanziger warnen vor Nazi-Gefahr im Fußball

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger und Liga-Präsident Reinhard Rauball schlagen Alarm: Im deutschen Fußball gebe es eine Neonazi-Problematik, besonders der Amateurfußball mit seinem ehrenamtlichen Engagement sei anfällig für Beeinflussung.
Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball warnt vor einer zunehmenden Unterwanderung von Fankreisen durch Rechtsextreme. (Der Westen, Handelsblatt)

Veranstaltungen in Berlin, Stuttgart, Köln und Leverkusen

Im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus findet eine Vortragsveranstaltung von Roter Stern Berlin mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung zum Thema "Assimilation durch Muskelkraft. Zur Geschichte des jüdischen Sports in Deutschland" statt. Referent: Michael Zantke. Dienstag, 13.11.2012, 18.30 Uhr, Galerie der Amadeu Antonio Stiftung, Linienstr. 139, Berlin. (Roter Stern). Der Sportjournalist Ronny Blaschke kommt nach Stuttgart, um aus seinem Buch "Angriff von Rechtsaußen" zu lesen. Die Lesung wird veranstaltet vom Stadtjugendring in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, dem VfB Stuttgart und der Sportkreisjugend. 15.11.2012, SpOrt Stuttgart. Fritz-Walter-Weg 19, Stuttgart. (Kick-S). Die Aktion Libero veranstaltet in Köln eine Podiumsdiskussion zum Thema "Fußball und Homosexualität – die Rolle der Medien". Unter der Leitung von Alex Feuerherdt diskutieren Ronny Blaschke, Andreas Stiene, Jan F. Orth und Dirk Leibfried. Samstag, 17. 11.2012, 19 Uhr, Musikclub Zum Scheuen Reh, Hans-Böckler-Platz 2, Köln. (Aktion Libero) In der Stadtbibliothek Leverkusen ist noch bis zum 17. November die Ausstellung „Tatort Stadion 2“ zu sehen. Die Themen sind Rassismus und Diskriminierung im Fußball. Stadtbibliothek, Friedrich-Ebert-Platz 3d, Di-Fr von 11-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, Eintritt frei. (KSTA)

Runter von der großen Bühne: Über Homophobie und Sexismus im Amateurfußball

Es ist die am häufigsten gestellte Frage, wenn es um Fußball und Homosexualität geht. Wer? Wer ist der Nationalspieler, Bundesligaspieler, Fußballstar, der sich als erster outet? Warum sie zugleich die falscheste aller Fragen ist, hat die Fachtagung "Vereine stark machen – für Vielfalt im Fußball" des Berliner Fußballverbandes am vergangenen Freitag deutlich gemacht. Im Workshop 3 saßen und diskutierten überwiegend Frauen und Männer, die Fußball spielen, Mannschaften trainieren, Spiele leiten und Fanclubs oder Interessenvertretungen von Fußballfans angehören. Ihr Thema: "Was hinter den vier Wänden zu Hause passiert, ist mir doch egal, Hauptsache auf dem Platz wird Leistung gebracht!" (Aktion Libero)

England: FC Millwall erteilt 13-Jährigem Stadionverbot

Der FC Millwall hat einem erst 13 Jahre alten Fan wegen rassistischer Beleidigung Stadionverbot erteilt und ihm zugleich einen Platz in einem Bildungsprogramm angeboten. (Focus)

Ehrenkodex für Fans in Aachen

Die relevanten Fangruppierungen bei Alemannia Aachen inklusive Aachen Ultras, Karlsbande, Supporters und Interessengemeinschaft haben, wie der Verein auf seiner Website berichtet, einen "Ehrenkodex" unterzeichnet, der sich gegen Gewalt und "politischen Extremismus" sowie für "Respekt und Toleranz" ausspricht. Dabei sollen "Ruf als auch Wohl der Alemannia" stets im Vordergrund stehen. (Fussball von links)

München: "Hitler-Gruß" und Schlag in Genitalien

Rund um die Partie zwischen 1860 München und dem FC St. Pauli kam es zu einigen Polizeieinsätzen. So ist im Pressebericht von einem Hitler-Gruß, Schlägen in die Genitalien und St.-Pauli-Aufklebern die Rede. (Tz-online)

Peter Lohmeyer über Homophobie im Fußball

Kinostar Peter Lohmeyer ("Das Wunder von Bern") spricht über Homophobie im Fußball. Der Schauspieler war Gastredner bei der Siegerehrung des StartschussMasters 2012, des deutschlandweit größten Turniers schwuler Freizeitfußballer. (YouTube)

Dortmund: Staatsschutz bietet BVB-Fans Hilfe im Kampf gegen Nazis an

Zwischen Ultras und der Polizei herrscht Funkstille – selbst wenn Fans Opfer von rechtsextremen Gewalttätern werden, melden sie diese Taten nicht der Polizei. Doch der Staatsschutz ist auf Anzeigen angewiesen und sucht die Kommunikation mit den Fans. "Der Westen" sprach mit dem Kommissariatsleiter des Dortmunder Staatsschutzes Georg Steinert über mögliche Strategien, gegen Nazis in der Fanszene vorgehen zu können. (Der Westen)

Vor 30 Jahren starb ein 16-jähriger Werder-Fan

Der 17. Oktober 1982 war ein wichtiges Datum in der Geschichte des deutschen Fußballs, denn an diesem Tag starb Adrian Maleika. Tags zuvor war der 16-jährige Anhänger des SV Werder Bremen zusammen mit anderen mit dem Zug zum Nordderby gegen den Hamburger SV nach Hamburg gefahren. In der Nähe des Stadions begegneten sie zwei der gefürchtetsten und berüchtigsten Fangruppen des HSV, den "Löwen" und den "Skinheads". Beide galten als offen gegenüber Rechtsextremisten und als äußerst gewaltbereit. Wie zu erwarten, kam es zu einer heftigen Schlägerei. Doch anders als damals üblich kamen nicht nur Fäuste, sondern auch Mauersteine zum Einsatz. Einer von ihnen traf den flüchtenden Adrian Maleika, der von vielen, die ihn kannten, als friedlich, fast sogar ängstlich, beschrieben wird, am Kopf und verletzte ihn schwer. Wenige Stunden später erlag er im Allgemeinen Krankenhaus in Altona seinen Verletzungen – und plötzlich war alles anders. (Jungle World)

Homosexualität im Fußball: Allein unter Männern

Zehdenick, sechzig Kilometer nördlich von Berlin: Die meiste Zeit seines Lebens hat Burkhard Bock seine wahren Gefühle verheimlicht. Er ist Fußball-Schiedsrichter – und er ist schwul. Im August hat er sich geoutet. (Berliner Zeitung, Zeit)

Rassistische Vorfälle in Europa

Das FARE-Netzwerk veröffentlichte eine Liste rassistischer und rechtsextremer Vorfälle, die sich im Laufe des Monats Oktober im europäischen Fußball ereigneten. (FARE)

Eintracht Braunschweig: Zoff um "kurvenlage", Ultras gehen nicht mehr ins Stadion

Hat Eintracht Braunschweig ein Problem mit Rechtsextremen? Das legt die 80-seitige Broschüre "kurvenlage" nahe, die die "Initiative gegen rechte (Hooligan-)Strukturen" kürzlich veröffentlicht hat. Der Verein und die Fanszene sind empört. Die Polizei habe die Szene im Griff, heißt es bei den Verantwortlichen. Und die, die der rechten Szene zugeordnet werden können, seien im Stadion politisch nicht aktiv, sondern einfach nur Fans von Eintracht Braunschweig, erklärt die Polizei. (NDR). Unterdessen erklärten die "Ultras Braunschweig", die mit der Initiative gegen rechte (Hooligan-)Strukturen kooperieren, warum sie derzeit das Eintracht-Stadion nicht mehr besuchen: Man habe den "beiden vergangenen Spielen aufgrund der für uns prekären Sicherheitslage leider nicht beiwohnen" können. "Bereits beim von uns besuchten Bochum-Spiel stellte sich die Situation so dar, dass unsere Gruppe aus Sicherheitsgründen erst weit nach Spielende per Shuttle-Bus über den Gästebereich herausgeleitet werden musste. Grund dafür waren Morddrohungen und versuchte Angriffe auf uns während und nach dem Spiel durch bis zu 40 rechte Fans und Hooligans. Leider gibt es bis heute keine konkrete Stellungnahme zu diesen rechten Gewalttaten am 06. Oktober vom Verein oder dem Fanprojekt, und auch die Polizei will sich öffentlich nicht weiter dazu äußern, obwohl sie selbst massiv von den rechten Hooligans attackiert wurde." (Ultras Braunschweig)

Rassistischer Sketch über Bayern-Spieler

Der dunkelhäutige Bayern-SpielerDavid Alaba fühlt sich vom "Willkommen Österreich"-Duo Stermann/Grissemann in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. In der ORF-Sendung "Willkommen Österreich" stellte das Satire-Duo Dirk Stermann und Christoph Grissemann ein Treffen zwischen dem Politiker und Unternehmer Frank Stronach und dem östereichischen Nationalspieler David Alaba nach. Dabei wurden fast alle rassistischen Klischees bemüht, so zeigt "Stronach" Grissemann dem schwarz geschminkten "Alaba" Stermann eine Banane mit den Worten: "Das kennst du sicher, das ist eine Banana." Das Blog "Fokus Fussball" ist allerdings der Meinung: "David Alaba versteht keinen Spaß", er sei "eigentlich nur Beiwerk des Sketches des österreichischen Kaberettisten-Duos Stermann und Grissemann" gewesen. (Die Presse, Fokus Fussball)

Niederlande: Vereinspräsident will rassistische Fans bestrafen

Wilco van Schaik, Vorsitzender des holländischen Fussballclubs FC Utrecht, ist entschlossen, Fans zu bestrafen, die während eines kürzlich ausgetragenen Spiels antisemitische Lieder sangen. "Rassismus wird in diesem Stadium nicht geduldet", sagte van Schaik. (Tachles)

England: Hat ein Schiedsrichter Chelseas Spieler rassistisch beleidigt?

Gerade erst schien die Premier League den Rassismus-Skandal um John Terry und Anton Ferdinand verdaut zu haben, da kündigt sich der nächste an: Schiedsrichter Mark Clattenburg soll zwei Chelsea-Spieler rassistisch beleidigt haben. Lüge oder Wahrheit? Beide Fälle zeigen ein erschreckendes Bild des englischen Fußballs. (11 Freunde, NZZ)

Nazi-Hools mit Hakenkreuzen

"Neonazi-Hooligans - Die braunen Wald- und Wiesenschläger" heißt ein Beitrag von Spiegel TV. "Statt ins Stadion zu pilgern, gehen sie in den Wald und hauen sich gegenseitig die Köpfe ein. Doch wenn sie dabei Hakenkreuze tragen, dann ist das kein Freizeitspaß mehr", lautet die Ankündigung. Umso mehr gilt das, wenn sie, wie vor einigen Jahren in Bremen geschehen, engagierte Fans im Stadion überfallen und zusammenschlagen. Auch das zeigt der Film. (Spiegel TV)

Homophobie und Outing: Kritik der Debatte

Das Blog "FANartisch – FUSSBALL und mehr" reflektiert die jüngste Debatte über das Outing homosexueller Fußballspieler: "Kai aus der Kiste oder Detlef aus der Dose – selbst zu Hochzeiten der Dauerdruck-Diskussion in vom Sommerloch und anderen Löchern gelangweilten Sensationsmedien über ein ach so befreiendes Outing schwuler bzw. homosexueller Spieler im deutschen Fußball, am besten und überhaupt spektakulärsten in der Bundesliga und in der deutschen Nationalmannschaft gleichzeitig, selbst in diesem suchwortrelevanten Hype haben wir es hier bei FANartisch vermieden, das Thema Outing im Fußball mit irgendwelchen psychologischen Pseudo-Szenarios zu befeuern. Weil es schlicht egal sein sollte, wer wann was über sein sexuelles Privatleben erzählen mag, ob verklemmter Hetero oder Homo, ob schwullesbische Szene-Helden oder heterosexuelle Disco-Angeber, ob Arzt, Arbeitskollege oder Friseur, ob Bodybuilder, Stabhochspringer oder Fußball-Spieler." Als Bonus gibt es dort ein ziemlich lustiges Video des niederländischen Fußballverbandes zu sehen, mit dem dieser Spieler zum Outing ermuntert. (FANartisch)

Sicherheitsdebatte und Fangipfel

Nur am Rande mit Rechtsextremismus und Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu tun hat die derzeitige "Sicherheitsdebatte" im deutschen Fußball. Mittelbar geht es dabei zumindest auch um die Zukunft der Fankultur in deutschen Fußball-Arenen und damit nicht zuletzt um Fragen des Engagements gegen Nazis in der Kurve und für Respekt, Toleranz und Fairplay. Das Blog "Textilvergehen" lieferte einen ausführlichen Bericht vom Fangipfel am 1. November in Berlin, bei dem auch Vertreter der Verbände und Vereine anwesend waren. Unter anderem Publikative.org dokumentiert die Abschlusserklärung des Fangipfels. Die Taz lässt im Interview zwei Fanvertreter zu Wort kommen. Einige Tage später forderte Tim Röhn auf Goal.com: " Fan-Gewalt: Schluss mit der Hysterie!" Verbände und Vereine müssten versuchen, "die große Mehrheit der Anhänger mit ins Boot zu holen und mit ihnen Konzepte gegen Gewalt auszuarbeiten. Außerdem müssen sie darauf vertrauen, dass diese Mehrheit Selbstreinigungsprozesse in der Fankurve in Gang bringen kann und Gewalttäter ausgrenzt."  (Textilvergehen, Publikative.org, TazGoal.com,   

 

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