Screenshot aus dem Film
SpiegelTV

"Nordsturm Brema": Mit Hakenkreuzen und Fäusten

Unter Hooligans ist es üblich, verabredete Schlägereien filmisch festzuhalten. Unüblich ist es, dass manche von ihnen dabei Hakenkreuz-Shirts tragen und somit offen ihre Gesinnung zur Schau stellen. Doch die Verbindungen zwischen der Hooligan- und der Nazi-Szene sind seit Jahren bekannt - ein Bericht aus Bremen.

Ein Wald irgendwo in Deutschland. Neonazi-Hooligans aus Bremen und Duisburg haben sich zum Kampf verabredet. Auf dem mit Laub bedeckten Waldweg warten 15 junge Männer der Gruppe "Nordsturm Brema" in zwei Reihen hintereinander. Jogginghosen, schwarze T-Shirts und Handschuhe sind Teil der martialischen Kampfmontur. In vorderster Front tragen zwei Männer T-Shirts mit großen weißen Hakenkreuzen auf der Brust. Aufgeregt hüpfen die rechten Schläger auf und ab. Dann durchbricht ein dumpfes Gebrüll die Ruhe des Waldes. Eine Hooligan-Gruppe aus Duisburg in gelben Shirts nähert sich den Bremern in Schwarz. Einige tragen Sturmhauben. Aggressivität liegt in der Luft. Alles scheint vorher abgesprochen zu sein: Die beiden Gruppen gehen sofort und ohne Aufforderung aufeinander los. Kurz bevor die ersten Fäuste fliegen, heizen sich die Männer zum Kampf an: "Kommt her!" und "Rauf jetzt!" Eine unübersichtliche Schlägerei entsteht. Fäuste und Tritte werden verteilt. Einer nach dem anderen gehen die Hooligans des "Nordsturm Brema" zu Boden. Nach rund 30 Sekunden ist der Spuk vorbei. Die Sieger in den gelben Hemden feiern sich laustark, fallen sich in die Arme. Einer hebt die Hand zum "Hitlergruss".

Braune Schläger

Unter Fußball-Hooligans ist es üblich, solche "abgemachten Dinger", wie sie es selbst nennen, filmisch festzuhalten. Unüblich ist es, dass manche von ihnen dabei Hakenkreuz-Shirts tragen und somit offen ihre Gesinnung zur Schau stellen. Die Verbindungen zwischen dem Hooligan- und Neonazi-Milieu sind in der Hansestadt bereits seit Jahren bekannt. Die "Standarte Bremen", der älteste der noch existierenden Hooligan-Zusammenschlüsse, lebt mittlerweile mehr vom Mythos vergangener Tage. Dafür gerät ihr Nachwuchs, der 2006 gegründete "Nordsturm Brema", immer stärker in den Blick der Öffentlichkeit. Die Polizei Bremen ermittelt mittlerweile aufgrund des Videos. Doch wer sind die 15 Männer des "Nordsturm Brema", die auf dem Video zu sehen sind? Der 'Bremer Schattenbericht' stellt die wichtigsten der braunen Schläger vor:

Einer der Männer mit Hakenkreuz-Shirt ist Mirco H. aus Weyhe. Er gilt als der Kopf und Wortführer des "Nordsturm Brema", dessen Abkürzung "NS-HB" Assoziationen zum Nationalsozialismus weckt. H. ist seit Jahren in der Bremer Hooligan-Szene aktiv. So war er auch im Jahr 2007 bei einem Überfall auf eine antirassistische Party im Ostkurvensaal des Weserstadions beteiligt. Die Gruppe der Angreifer setzte sich zum Großteil aus Mitgliedern des "Nordsturms" zusammen. Bei der Verhandlung, die erst viereinhalb Jahre später im September 2011 stattfand, wollten Richter und Staatsanwalt keinen politischen Hintergrund des Überfalls erkennen können. Das Verfahren endete mit einem Deal.

Überfall auf alternatives Jugendzentrum

Der Versuch der angeklagten Hooligans, sich einen bürgerlichen und "unpolitischen" Anstrich zu geben, schien vor Gericht zu funktionieren. Der Richter beschränkte sich auf geringe Geldstrafen. Damals ebenfalls angeklagt waren Hannes Ostendorf, Sänger der Rechtsrock-Band "Kategorie C" sowie Ingo B. aus Bremen-Walle. Im Mai dieses Jahres stellte Mirco H. erneut unter Beweis, dass man sich nicht damit begnügt, sich mit Gleichgesinnten im Wald auszutoben. Auf der Rückreise von einem Fußballspiel in Essen überfiel eine Gruppe Neonazi-Hooligans eine Elektroparty im alternativen Jugendzentrum "Wohnwelt" in Wunstorf bei Hannover. Laut Augenzeugen war der Angriff offenbar geplant: Erst inspizierten einzelne Hools die Umgebung sowie die Innenräume. Dann schlugen die Neonazihools auf Kommando zu. Einige der Schläger wurden bei ihrer Flucht am Bahnhof gefasst, Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln.

Ingo B. schaffte es im November 2008, gemeinsam mit weiteren Anhängern des "Nordsturms", bundesweit als rechter Hooligan aufzufallen. Zusammen mit Mirco H., Florian L. und Markus S., die ebenfalls auf dem Video zu sehen sind, hatte er versucht, im Stadion beim Spiel Werder gegen Bochum ein Transparent mit der Aufschrift "NS-HB" zu zeigen. Nachdem couragierte Werder-Fans versuchten, dies zu verhindern, führte die Polizei die braunen Hooligans über das Spielfeld ab.

Kriminelle Vereinigung

Ein weiteres bekanntes Gesicht auf dem "Feld-, Wald- und Wiesen-Match", wie die Hooligans ihr Genre gerne umschreiben, ist Markus S. Er stammt aus einer bekannten Bremer Neonazi-Familie, Vater und Bruder sind seit Jahren bei der NPD und den Freien Kameradschaften aktiv. Markus S. wurde gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder im Oktober 2011 im sogenannten "Sturm Wiking"-Prozess unter anderem wegen des Versuchs der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu einer Bewährungsstrafe nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Markus S.' Name und Adresse standen bis vor einigen Tagen im offiziellen Impressum des "Nordsturms". Nachdem Spiegel-TV über das Video berichtete, wurde die Seite aus dem Netz genommen. Seine braune Gesinnung und das gewalttätige Freizeitvergnügen passt kaum zur beruflichen Tätigkeit als Sanitäter beim Deutschen Roten Kreuz sowie seinem Hobby, dem American Football bei den "Bremen Firebirds".

NPD-Verbindungen

Zudem wollen Szenekenner auf dem Hooligan-Video auch Daniel Fürstenberg erkannt haben. Der ehemalige niedersächsische JN-Landesvorsitzende sowie Geschäftsführer der NPD-Verden kandidierte bei den vergangenen Kommunalwahlen 2011 in Niedersachsen im Landkreis Verden. Er soll über viele Jahre in der Hooligan-Szene nicht ernst genommen worden sein und galt wegen "fehlender Schlagkraft" mehr als Mitläufer als dem harten Kern zugehörig.

Wie gefährlich die Bremer Neonazihools sind und wie hemmungslos brutal sie zuschlagen, zeigte ein weiterer Vorfall in diesem Jahr. Am 5. Mai 2012 spielte Werder Bremen gegen FC Schalke 04. Auf dem Weg vom Weserstadion zum Bahnhof wird eine Gruppe Schalker Fans an der Ecke Rembertistrasse/Rembertiring von Bremern angegriffen. Ein Schalke-Anhänger geht zu Boden und wird mit Tritten gegen den Kopf schwer verletzt. Das Opfer muss mehrfach operiert werden. Der mutmaßliche Täter, Rene W. aus Osterholz-Scharmbeck, ist Teil der Gruppierung "City Warriors", die zum Umfeld der "Standarte Bremen" gerechnet wird. Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Mindestens drei weitere mutmaßliche Täter gehören ebenfalls der Bremer Neonazi-Hooligan-Szene an: Sebastian E. vom "Nordsturm Brema", Jens M. sowie André S., der als Anführer der "Standarte Bremen" gilt. Bei anschließenden Hausdurchsuchungen findet die Polizei bei André S. 81 Schuss scharfe Munition. Die Szene scheint zu allem bereit.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog 'Bremer Schattenbericht'.

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