05.06. – 11.06.2014

Wanzleben: Jugendliche beleidigen türkische Austauschschüler nach Fußballspiel rassistisch +++ Wedeler TSV verurteilt rassistische Äußerungen +++ DFB: Rassismus-Vorwürfe gegen VfL Wolfsburg-Trainer Kellermann entkräftet +++ Kein Fußball den Faschisten – Zwanziger kritisiert DFB +++ Alles Rassismus! – Die FIFA in der Opferrolle +++ Sportkommentator Buschmann: „Gut gelaunter Rassismus“ +++ Antira-Turniere in Hamburg, Solothurn und München +++ Plakate gegen Homophobie +++ Die Verbindung zwischen Fußball und Politik +++ Integration: Besuch beim Leipziger Verein „United FC“ +++ Arthur Friedenreich: Der vergessene Welttorjäger +++ „Nosso Jogo“: Austria Lustenau für Menschenrechte und gegen Rassismus.

Die wöchentliche Presse- und Blogschau von Fussball-gegen-Nazis.de

Wanzleben: Jugendliche beleidigen türkische Austauschschüler nach Fußballspiel rassistisch

Aus Wut über ein verlorenes Fußballspiel haben Jugendliche in Wanzleben aus der Türkei stammende Austauschschüler rassistisch beschimpft. Der Polizei sei es drei Wochen nach dem Vorfall gelungen, die Täter dingfest zu machen, hieß es am Dienstag von den Ermittlern in Haldensleben. Es seien mehrere 16-Jährige und ein 13-Jähriger darunter. Alle haben gestanden. Die betrunkene Gruppe soll nach eigenen Angaben am 17. Mai nach einer Geburtstagsfeier an dem Wohnhaus vorbeigekommen sein, in dem einige Austauschschüler wohnten. Sie warfen Steine gegen Fenster, urinierten gegen die Haustür und grölten fremdenfeindliche Parolen, hieß es. Die Jungen, die in Wanzleben und Groß Germersleben wohnen, hatten zuvor ein Fußballspiel gegen die türkische Mannschaft verloren (MZ-Web).

Wedeler TSV verurteilt rassistische Äußerungen

Der Wedeler TSV hat rassistische Beleidigungen eines seiner Spieler im Anschluss an eine Partie seiner zweiten Mannschaft gegen den SC Pinneberg im vergangenen April aufs Schärfste verurteilt. Der Spieler wurde aus dem Verein ausgeschlossen: „Die Verantwortlichen des Wedeler TSV im Vorstand und im Vereinsrat sowie die Mitarbeiter der Geschäftstelle distanzieren sich ausdrücklich von dem Verhalten des Spielers F. und mißbilligen es im höchsten Maße. Eine Person, die sich derart verhält, hat im Wedeler TSV keine Vereinsberechtigung“. Unglücklicherweise war zunächst der Spieler und Co-Trainer Timo Albrecht wegen der rassistischen Äußerungen beschuldigt und auch vom Verband verurteilt worden, bis sich klärte, dass ein anderer Wedeler Spieler der Täter war. Der Verein versucht nun, Albrecht nachträglich zu rehabilitieren (shz.de).

DFB: Rassismus-Vorwürfe gegen VfL Wolfsburg-Trainer Kellermann entkräftet

Der Trainer der Frauenmannschaft des VfL Wolfsburg, Frank Kellermann, ist vom DFB wegen des Verdachts rassistischer Äußerungen freigesprochen worden. Die Vorwürfe stammten aus einem Spiel der Wolfsburgerinnen gegen Turbine Potsdam. Genoveva Anonma, Nationalspielerin Äquatorialguineas in Diensten von Turbine, hatte im Anschluss an einen Platzverweis gegen sie „eine diskriminierende Bemerkung von der Wolfsburger Trainerbank über ihre Hautfarbe" wahrgenommen, wie ihr Trainer erklärte. Die Vorwürfe wurden von Wolfsburger Seite bestritten, nun stellte der DFB das Verfahren ein (ndr.de).

Kein Fußball den Faschisten – Zwanziger kritisiert DFB

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger hat in ungewohnter Schärfe Kritik an dem Verhalten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) geübt.  Die DFB-Aktion, im Mai im Training im Stadion des FC St. Pauli den Schriftzug "Kein Fußball den Faschisten" überkleben zu lassen, bezeichnete Zwanziger als "kaum zu begreifen". Wertorientiertes Handeln "muss ständig praktiziert werden und gleichwertig neben den Vip-Logen in der Bundesliga stehen", so der ehemalige DFB-Schatzmeister. Zudem bemängelte Zwanziger die Weigerung des jetzigen DFB-Präsidenten Niersbach, im Rahmen einer Dokumentation zur Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann 1977 in einem argentinischen Gefängnis Stellung zu beziehen. In dem Film wird dem früheren DFB-Präsidenten Hermann Neuberger Kooperation mit der Militär-Junta vorgeworfen (fr-online.de).

Alles Rassismus! – Die FIFA in der Opferrolle

Um Kritik an der unter äußert dubiosen Umständen erfolgten Vergabe der WM 2022 nach Katar abzublocken, bedient sich FIFA-Chef Sepp Blatter einer perfiden Strategie. Er kanzelt Medienberichte über Unstimmigkeiten und Bestechungen beim Vergabeverfahren als Rassismus ab. „Wieder gibt es eine Art Sturm gegen die Fifa in Verbindung mit der Katar-WM. Leider gibt es eine große Portion Diskriminierung und Rassismus, und das tut mir weh“, sagte Blatter. Die vor der WM ebenfalls in Sao Paulo tagende „Confederation of African Football“ (CAF) schloss sich Blatter an (fr-online.de,  faz.net).

Sportkommentator Buschmann: „Gut gelaunter Rassismus“

Wegen einiger Aussagen bei der "Autoball WM" bei ProSieben sah sich Sportkommentator Frank Buschmann am Wochenende einem Rassismus-Vorwurf von "Spiegel Online" ausgesetzt. Doch der Sportexperte wies diesen entschieden zurück und bezeichnete das Geschriebene als eine Frechheit. Einen "gut gelaunten Rassismus" bescheinigte "Spiegel Online" am Sonntag dem Sportmoderator Frank Buschmann bescheinigt, der Tags zuvor die "Autoball WM" auf ProSieben kommentiert hatte. So hatte er etwa Ex-Fußballer Hans Sarpei als "dunklen Mann" bezeichnet. Ein Duell des Italieners Giovanni Zarrella gegen den Türken Eko Fresh bezeichnete der Kommentator als einen Wettkampf zwischen Pizza und Döner.  Doch auch dem Vorwurf der Homophobie sah sich Buschmann bei "Spiegel Online" ausgesetzt, weil er aufgrund einer Verletzung des homosexuellen Sängers Ross Anthony in mehrdeutiger Art und Weise betont hatte, ihm "tut der Popo weh" (digitalfernsehen.de).

Antira-Turniere in Hamburg, Solothurn und München

Im Juni fanden in verschiedenen Städten antirassistische Fußballturniere statt. In Hamburg veranstalteten antirassistische St.Pauli-Fans das „Antira St.Pauli“. Es kamen Fangruppen aus ganz Europa, von Glasgow bis Bordeaux. Dabei wurde nicht nur Fußball gespielt, sondern auch über politische Themen diskutiert. Zentrale Themen waren hierbei der Rechtsruck in Europa, die Rolle von Fußballfans in gesellschaftlichen Konflikten sowie die Verdrängung von Fangruppierungen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen, aus den Kurven. Ein sportlicher Höhepunkt war zudem das Spiel der Antira All-Stars gegen den FC Lampedusa, einer Mannschaft der Gruppe von Geflüchteten, die unter dem Namen „Lampedusa in Hamburg“ bekannt wurde (fcstpauli.com). In Solothurn fand der „Antiracup Soletta“ statt. Rund 450 Besucher, davon 280 Spielende in 30 Mannschaften aus der ganzen Schweiz kamen hierfür zusammen. Man wolle auf kreative Art der Allgegenwärtigkeit von Rassismus entgegenwirken, sagte die Aktionsgruppe Antiracup Soletta (solothurnerzeitung.ch). Im Juli soll das antirassistische Einladungsturnier um den Kurt Landauer Pokal in München stattfinden. Hierzu lädt die Fangruppe „Schickeria München“ ein (suedkurvenbladdl.org) .

Plakate gegen Homophobie

Pünktlich zur Fußball-WM startet das Berliner Bündnis gegen Homophobie seine Plakatkampagne gegen Homophobie im Fußball. "Für eine Fußballkultur - so tolerant wie Berlin", lautet die Headline der Sensibilisierungskampagne. Die Kampagne, getragen vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) und dem Land Berlin, soll bis Mitte des Sommers laufen. Unterstützt wird sie von der Wall AG, die über 1.000 Plakatflächen im gesamten Stadtgebiet kostenlos zur Verfügung stellt (queer.de).

Die Verbindung zwischen Fußball und Politik

In einem lesenswerten Interview mit der Berner Zeitung beschreibt Fußballhistoriker Klaus Zeyringer ausführlich, in welcher Art und Weise Politik und Fußball auf einander Bezug nehmen: „Wer behauptet, der Fussball sei unpolitisch, will seine Vereinnahmung durch Politik und Kommerz verharmlosen. Dass man im Fussball eine Nation erkennen kann, zeigt gerade der WM-Gastgeber Brasilien. Als der Diktator Getulio Vargas 1937 seinen «Estado novo» errichtete, forcierte er die «Brasilianität», die multiethnische Identität des Landes“.  Heutzutage sieht Zeyringer eine Zunahme nationalistischer Bezugnahme: „In den 1960er-Jahren hätten sich Sportler nie in ihre Nationalflagge gehüllt, so wie sie das heute tun. Die Fussball-WM hat heute in fast allen Ländern eine enorme nationale Bedeutung erhalten.“(bernerzeitung.ch)

Integration: Besuch beim Leipziger Verein "United FC"

Der MDR hat den Leipziger Fußballklub United FC besucht. Dort kicken vor allem Jugendliche aus Flüchtlingsunterkünften. Doch als Profispieler integriert werden die meisten der Jungs wohl nicht - zumindest nicht in der deutschen Nationalmannschaft. Zu unsicher ist, ob sie überhaupt in Deutschland bleibe. Darüber entscheiden oft Richter, und die interessiert nicht, ob jemand gut Fußballspielen kann. Deshalb ist  Sonja Brogiato vom Flüchtlingsrat Leipzig beim Thema Sport vorsichtig. Die Kinder würden nicht an sportlichen Leistungen, sondern an ihren Deutschkenntnissen und ihren Schulnoten gemessen. "Es geht darum, möglichst schnell ins Bildungssystem einzutakten. Darüber hinaus sind Sportangebote natürlich sinnvolle Freizeitgestaltungen. Sinnvollerweise ergänzt sich beides - mit der Priorität auf dem Lernen." (mdr.de)

Arthur Friedenreich: Der vergessene Welttorjäger

RP-Online berichtet über den in Vergessenheit geratenen Welttorjäger Arthur Friedenreich, der in den 30er Jahren in Brasilien kickte. Er war der Sohn einer ehemaligen Sklavin und eines deutschen Auswanderers, und wurde in einer rassistischen Gesellschaft deswegen schikaniert: Um seinen weißen Mitspielern ähnlicher zu sein, musste er vor jedem Spiel sein Haar mit Pomade glätten und sein Gesicht mit Reismehl beschmieren. Friedenreich ist ist mit 1329 vom Weltverband Fifa anerkannten Treffern bis heute der erfolgreichste Torjäger der Welt. Die Teilnahme an einer WM blieb im trotzdem verwehrt. Immerhin verleiht der TV-Sender Rede Globe seit 2008 die Auszeichnung "Premio Arthur Friedenreich" an den Spieler eines brasilianischen Klubs mit den meisten Pflichtspieltoren (rp-online.de).

„Nosso Jogo“: Austria Lustenau für Menschenrechte und gegen Rassismus

Der Verein Austria Lustenau unterstützt das Projekt „Nosso Jogo“, dass das Augenmerk auf die marginalisierten und  in Armut lebenden Menschen in Brasilien lenken soll, die bei der Fußball-WM von den Ausrichter*innen und Investor*innen des Mega-Events ignoriert werden. Für den Club ist der Fußball ein völkerverbindender Sport, der durch seine Vielfalt lebt und gerade hier Ungerechtigkeiten und Rassismus keinen Platz haben: “Bei so vielen Menschen wie in Brasilien ist das natürlich noch eine ganz andere Größenordnung. Wir in Lustenau haben aber keine Probleme mit rechten Fans.“ (vol.at)

 

 

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