Zutritt nur für Deutsche

An diesem Wochenende wollen in Berlin militante Neonazis für ein "nationales Jugendzentrum" demonstrieren. Schon seit Jahren trommelt die Szene in der Bundeshauptstadt für dieses Projekt – bisher glücklicherweise mit wenig Erfolg

Von Christoph Schulze

"Wir wollen nicht mit irgendwelchen kriminellen Ausländern oder generell Menschen mit anderer Herkunft in einem Jugendzentrum sitzen. Dieses ist kulturell und biologisch begründet. (..) Auf die ‚Gemeinschaft‘ mit Jimmy und Jonny bei einer Bong können wir sehr gut verzichten." Mit dieser an Frechheit grenzenden Offenheit bekennt sich Neonazi Sebastian Schmidtke zu seinem Rasssismus. Er will in Berlin ein „nationales "Jugendzentrum" einrichten – offen nur für Jugendliche, die seiner Definition von "deutsch" entsprechen. Die angestrebte Nazi-Jugendarbeit in Berlin soll helfen, Nachwuchs für die Szene zu rekrutieren: "Erstes Ziel ist natürlich, dass wir die Jugendlichen aus dieser BRD-Multikultur-Gesellschaft raus ziehen und unseren Volksgenossen ein anderes, ein selbstbestimmtes und freies Leben als Deutsche aufzeigen und ermöglichen wollen", sagt Schmidtke.

Heute will die Neonazi-Szene für just dieses Jugendzentrum zum sechsten Mal auf die Straße gehen. Die Organisatoren sind Mitglieder militanter "Freier Kameradschaften", zu denen auch Demo-Anmelder Sebastian Schmidtke gehört. Unterstützung bekommen die "Freien Kameraden" von der NPD, die in Berlin in mehreren Bezirksparlamenten sitzt, sowie von den Berliner "Jungen Nationaldemokraten", der NPD-Jugendorganisation. Erwartet werden etliche hundert Neonazis aus Berlin-Brandenburg und dem restlichen Bundesgebiet.

Zu Protestaktionen ruft derweil eine Vielzahl von Gruppen und Vertretern aus der Kommunalpolitik auf. "Wir stehen für eine tolerante Gesellschaft und für offene, plurale Jugendclubs", heißt es in einem der Appelle. Antifa-Gruppen haben angekündigt, gegen die Neonazidemo nicht nur protestieren zu wollen, sondern sie zu "blockieren, sabotieren, verhindern". Aktivisten hackten bereits am Mittwoch die Internetseite der NPD-Berlin und veröffentlichten dort einen Aufruf zu Gegendemonstrationen. Die Berliner mussten ihre Seite auf die NPD-Bundesseite weiterleiten und waren über Stunden nicht erreichbar

Bis zum Schluss stand nicht fest – zumindest nicht öffentlich - wo genau in Berlin die Neonazis marschieren wollen. Zunächst hatten die Rechtsextremen verschiedene Strecken in den Bezirken Treptow-Köpenick und Neukölln angemeldet. Mittlerweile deutet alles auf eine Strecke durch den Bezirk Lichtenberg hin, vom S-Bahnhof Karlshorst zum S-Bahnhof Friedrichsfelde Ost. Sollte die Demonstration am 6. Dezember nicht stattfinden können, werde man am 13. Dezember einen zweiten Versuch starten, kündigen die Neonazis schon im Vorfeld an.

Hauptaktionsfeld der rechtsextremen Szene

Die Kampagne für ein "nationales Jugendzentrum" ist schon seit Jahren eines der Hauptaktionsfelder für Neonazis in Berlin. An ihr lässt sich beispielhaft illustrieren, wie eng in der Hauptstadt die militante rechtsextreme Szene mit der NPD verzahnt ist. Bereits 2003 gab es Anfang Dezember in Berlin-Treptow eine Demonstration für ein "nationales Jugendzentrum" – damals nur mit rund 170 Teilnehmern. Im Folgejahr wiederholte sich das Szenario, diesmal bereits mit rund 250 Neonazis.

Veranstalter war die mittlerweile verbotene "Berliner Alternative Südost" (BASO) um den Neonazi (und ex-NPD-Aktivisten) René Bethage. Neben den Demonstrationen führte die BASO zusammen mit der "Kameradschaft Tor" auch einige als "Hausbesetzungen" bezeichnete Aktionen durch – an leer stehenden Häusern wurden Transparente mit der Forderung nach einem "nationalen Jugendzentrum" angebracht. Im März 2005 wurden BASO und "Kameradschaft Tor" wegen ihrer verfassungsfeindlichen Aktivitäten verboten.

Die Demonstrationen gingen in jährlichem Rhythmus weiter, jetzt unter dem Label "Freie Kräfte Berlin". Die höchste Teilnehmerzahl – rund 550 Neonazis – gab es im vergangenen Jahr. Auch nach Brandenburg wurde das Konzept exportiert. Im Berlin-nahen Städtchen Königs Wusterhausen veranstaltete die dortige NPD bereits zwei Demonstrationen mit den gleichen Forderungen wie in Berlin. Dort ließ die NPD auch René Bethage als Redner auftreten – den ex-Chef der BASO führt seinen Einsatz für ein "nationales Jugendzentrum" vom Verbot seiner Gruppe unbeeindruckt fort. Auch Udo Voigt (NPD-Bundesvorsitzender), Udo Pastörs (NPD-Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern) und Thomas Vierk (NPD-Abgeordneter in Berlin-Neukölln) traten schon als Redner und Mitmarschierer bei den neonazistischen Demonstrationen in Erscheinung. Von Berührungsängsten zum ganz harten Neonazispektrum ist bei der NPD in dieser Region nichts zu spüren.

Kampagne als Selbstzweck

Ihrem Ziel, dem "nationalen Jugendzentrum", sind die Neonazis in ihrer jahrelangen Kampagne offenbar nicht näher gekommen. Funktioniert hat die Kampagne bislang eher als Selbstzweck. Die Neonazikader konnten jugendliche Rechtsextreme unter diesem Banner für ihre Verhältnisse zahlreich auf die Straße bringen, den Bedarf nach Aktionismus stillen und so eine Reihe jungen Leuten in ihre Organisationen integrieren. In den ersten Jahren wollten die Neonazis als Verein auftreten, die Unterstützung vom Bezirk Treptow-Köpenick einwerben und so zu ihrem Zentrum gelangen. Dagegen brauchte sich nicht einmal politischer Widerstand zu formieren – die Neonazis scheiterten bereits daran, eine einfache Vereinsgründung auf die Beine zu stellen.

Mittlerweile, so behauptet zumindest Sebastian Schmidtke, sei man dabei Geld zu sammeln, um eine geeignete Immobilie zu kaufen. Man schaue sich schon regelmäßig bei Zwangsversteigerungen um. Bisher hat man offenbar zu wenig Finanzen zusammen geschafft, um wirklich mitbieten zu können. Schmidtke hält das Zentrum zwar für "äußerst realistisch", will aber auch nicht sagen, wieviel Geld bisher gesammelt wurde: "Wir setzen uns selbst nicht so unter Druck. Dieses Zentrum soll ja für die nächsten Jahre da sein."

Weil die Veranstalter in Berlin als Hochburg der so genannten "Autonomen Nationalisten" mit vielen Teilnehmern aus diesem Spektrum rechnen, sorgt der geplante Aufmarsch schon jetzt für ein Novum in der Geschichte des bundesdeutschen Rechtsextremismus. Den polizeilichen Auflagen für den Aufmarsch haben die "Freien Kräften" noch eigene Auflagen hinzugefügt. Unter anderem heißt es darin, dass "Antifa- und Israelfahnen untersagt" sind. Garniert ist das Ganze mit dem Kommentar "Traurig, das erwähnen zu müssen". Das bizarre Verwirrspiel der "Autonomen Nationalisten" führt dazu, dass die antisemitische Neonaziszene schon selbst damit rechnet, dass ihre eigenen Leute Israelfahnen mit sich tragen wollen – so etwas gab es noch nie.

Zum Thema:

Aktuelle Informationen zu den Protesten gegen die geplante Neonazi-Demonstration am 6. Dezember in Berlin gibt es bei der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ Berlin.

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