Zahlungsstopp für Projekte gegen Rechtsextremismus?

Mit einem Aktionstag „Für Demokratie – gegen Misstrauen und Bekenntniszwang“ protestieren Träger und Initiativen gegen Rechtsextremismus am 1. Februar gegen die umstrittene „Extremismusklausel“ des Bundesfamilienministeriums. Um Fördergelder zu erhalten, müssen die Projekte seit Jahresbeginn erklären, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Partner nicht „extremistisch“ sind – ohne, dass klar wäre, was unter dieser „Definition“ wirklich zu fassen ist.

Von Christine Lang

Am 1. Februar wollen zivilgesellschaftliche Gruppen im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages mit massenhaften Protestschreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ihren Unmut gegen die „Demokratieerklärung“ (so die Bezeichnung der Bundesregierung) kundtun. Viele Projekte gegen Rechtsextremismus sind in ihrer Arbeit auf Förderung aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ angewiesen. Diese bekommen sie jetzt nur noch gegen ihr Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und zur selbstständigen Bespitzelung von Referenten, Autoren und Projektpartnern.

Das eigentliche Problem stellt für die Projekte dabei nicht das Bekenntnis zur Demokratie dar – für Initiativen, die sich ja genau für die Förderung der Demokratie engagieren, ist dieses selbstverständlich. Als problematisch werden dagegen vor allem zwei Aspekte der Erklärung kritisiert:

Zum einen richtet sich der Protest der Gegner der „Extremismusklausel“ gegen den Generalverdacht, unter den das Engagement gegen Rechtsextremismus gestellt wird. Indem Organisationen aufgefordert werden, ihre Partner auf Verfassungstreue zu überprüfen, werde ein Klima des Misstrauens gefördert, was letztlich auf Kosten der Arbeit gegen Rechtsextremismus gehe. Die betroffenen Projektträger und Initiativen sprechen daher selbst von der "Misstrauensklausel" und "Bespitzelungsklausel".

Zum anderen steht der Extremismusbegriff generell zur Debatte. Der Aufruf zum Aktionstag gegen die „Extremismuserklärung“ hebt hervor, dass sich menschenfeindliche und antidemokratische Einstellungen nicht nur an „extremen“ Rändern, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft finden lassen. Der Begriff „Extremismus“ werde außerdem auch nicht der menschenverachtenden Ideologie und ihrem Ausdruck in rechtsextremen Gewalttaten gerecht, die damit bezeichnet werden sollen.

Der „Extremismus“ war auch Thema einer hitzigen Debatte im Bundestag am vergangenen Donnerstag. Nach Willen der Regierungskoalition sollen in den Bundesprogrammen mehr als bisher die Gefahren durch linksextreme Gewalt und Islamismus betont werden. „Diese Koalition ist nicht auf einem politischen Auge blind“, verteidigte Dorothee Bär (CSU) in der Bundestagsdebatte die umstrittene „Extremismuserklärung“. Vertreter von SPD und Grünen warfen CDU und FDP dagegen vor, Rechtsextremismus durch die Gleichsetzung mit Linksextremismus und Islamismus zu verharmlosen: „Orte, in denen vermeintlich Linksextreme und Islamisten das gesamte öffentliche Leben dominieren, diese kenne ich nicht“, betont Monika Lazar (Grüne) unter Bezug auf die Verbreitung rechtsextremer Strukturen in ländlichen Gegenden Ostdeutschlands.

SPD und Grüne wollen am 10. Februar einen Antrag im Bundestag einbringen, mit dem Titel „Demokratieinitativen nicht verdächtigen, sondern fördern“, der für die Streichung der „Extremismusklausel“ plädiert. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt auch den „Aktionstag für Demokratie – gegen Misstrauen und Bekenntniszwang“ und erklärt dazu:
„Wer sich gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus engagiert - oft sogar um den Preis, von Nazis beschimpft, bedroht und tätlich angegriffen zu werden - will die Demokratie schützen und stärken. Deshalb sind solche Träger selbstverständlich bereit, ihre demokratische Haltung auch schriftlich zu bestätigen. Doch haben sie aus guten Gründen ein Problem mit der verlangten "Gesinnungsschnüffelei" und dem Anlegen von Dossiers über ihre Partnerinnen und Partner. Die Bundesregierung bleibt klare Kriterien schuldig, wann ein potenzieller Partner als "Extremist" gilt. Daher fragen sich die Initiativen besorgt, wie sie eine Partnerwahl, die dem schwarz-gelben Geschmack widerspricht, vermeiden können. Ministerin Schröders Tipp, die potenziellen Partner doch einfach zu googeln, kann in diesem Zusammenhang nur als Hohn empfunden werden. Zur Farce wird die Klausel spätestens dann, wenn Kommunen, in denen NPD-Mitglieder im Stadtrat mitwirken, ihre Verfassungstreue bestätigen, wie es beispielsweise in Riesa der Fall war.“

In der vergangenen Woche hat Berlin hat als erstes Bundesland entschieden, Rechtsmittel gegen die „Extremismusklausel“ einzulegen. Der Berliner Innensenator Körting erklärte dazu, die „Extremismusklausel“ sei „inhaltlich nicht tauglich und rechtlich bedenklich“. Das Land beruft sich auf ein Gutachten des Verwaltungsrechtlers Ulrich Battis, das die Verfassungsmäßigkeit der „Extremismusklausel“ anzweifelt. Jährlich 250.000 Euro erhält Berlin aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ für Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Die Auszahlung dieser Gelder ist durch den Boykott der Erklärung nun erstmal gestoppt.

Nach Information mehrerer Organisationen, die im Rahmen des Programms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesinnenministeriums gefördert werden, verzichtet wohl Kabinettskollege Thomas de Maizière auf den Einsatz der Klausel in seinen Zuwendungsbescheinigungen.

Aufruf zum Aktionstag "Für Demokratie - gegen Misstrauen und Bekenntniszwang"

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