Worum es in der "Schwarze-Theaterschminke-Debatte" wirklich geht

Hier noch einmal in Ruhe erklärt: Warum es rassistisch ist, einen weißen Schauspieler schwarz anzumalen, auch wenn man es nicht rassistisch meint. Warum es nicht die Freiheit der Kunst beeinträchtigt, bedacht und sensibel für Menschenfeindlichkeiten zu inszenieren. Und warum nicht nur der schwarz geschminkte Schauspieler, sondern auch der Inhalt der Inszenierung »Ich bin nicht Rappaport« im Berliner Schlosspark-Theater sich rassistischer Klischees bedient.

Von Zoé Sona

Das Wesen der Schauspielerei ist es, Menschen in Rollen schlüpfen zu lassen, die bestimmte Charaktere repräsentieren. Es ist üblich, dass Schauspieler Rollen spielen, denen sie im Alltag nicht entsprechen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, sie reichen vom avantgardistischen Experiment über komödiantische Verzerrung bis zu performativem Gender-Bending. Das ist die Freiheit der Kunst, die durch ungewöhnliche Verfahrensweisen Perspektiven eröffnen kann, die im alltäglichen Leben nicht gesehen werden. Diese Freiheit macht die Kunst allerdings nicht zum herrschaftsfreien Raum.

Politisch ist nicht die Frage entscheidend, ob ein Schauspieler oder eine Schauspielerin, die für ein Theaterstück älter oder dicker gemacht wird bzw. eine Geschlechterrolle imitiert, in ihrer Darstellung überzeugend wirkt. Die Frage ist eher, welche gesellschaftliche Wahrnehmung der Rollenwechsel zum Ausdruck bringt.

In »Ich bin nicht Rappaport« tritt ein weißer Schauspieler schwarz geschminkt als schwarzer alter Mann auf. Wo ist das Problem? Wenn alte Menschen dargestellt werden sollen, krümmen Schauspieler den Rücken und zittern mit den Händen, Blinde werden mit Stöcken und Brillen, Jugendliche mit Akne und Zahnspangen inszeniert.

Wie soll ein weißer Schauspieler eine schwarze Person darstellen, ohne dass sein Gesicht schwarz angemalt wird? Die Antwort ist einfach: gar nicht. Denn einer solchen Darstellung wohnen stets rassistische Stereotype inne. Das Problem ließe sich einfach lösen, indem man für diese Rolle einen schwarzen Schauspieler engagiert. Das Schlosspark-Theater rechtfertigte sich aber, man habe keine »geeigneten« schwarzen Schauspieler für die Rolle gefunden. Über die Frage der »Eignung« lässt sich mit Sicherheit streiten, dass es aber in Deutschland genug schwarze Schauspieler gibt, steht außer Frage. Die Ignoranz gegenüber der schwarzen Community ist nichts Neues. Sie zieht sich als rassistische Haltung, die schwarze Menschen aus der Gesellschaft ausgrenzt, durch die Jahrhunderte.

Mit der Entscheidung, das Gesicht eines weißen Schauspielers schwarz anzumalen, stellt sich das Schlosspark-Theater in die Tradition der rassistischen Minstrel-Shows des 19. Jahrhunderts, in denen schwarze Menschen von angemalten weißen Schauspielern karikiert wurden. Es ist lange her, doch die diskriminierende Funktion des sogenannten Blackfacing ist in einer nach wie vor rassistischen Gesellschaft lebendig. Man kann vor diesem Hintergrund genauso wenig einen weißen Schauspieler schwarz anmalen wie man jede andere gesellschaftliche Gruppe durch das Wiederholen von diskriminierenden Klischees abbilden kann. Doch das Schlossparktheater sieht sich mit der Inszenierung selbst auf der antirassistischen Seite. Der Intendant Dieter Hallervorden sagte in einer Stellungnahme, in seiner Gedankenwelt gebe es keinen Platz für Rassismus.

Die Inszenierung ist nicht unbedingt ein Beweis für diese Aussage. Darin werden neben dem Blackfacing weitere rassistische Stereotype reproduziert. Während Nat, der weiße Protagonist, als lebendiger, selbstbewusster Rentner auftritt, wird Midge, der Schwarze, als ein ängstlicher und passiver alter Mann dargestellt, der sich ständig Nat unterwirft. Auf diese Art wird das Stereotyp vom dummen, unterwürfigen Schwarzen wiederholt. Doch damit nicht genug: Nachdem Nat scherzhaft vorgegeben hat, wegen seiner schlechten Augen Midges Hautfarbe erst in der Mitte des Stückes erkannt zu haben, beginnt Midge, eine Blues-Melodie zu summen und sich mit den passenden Tanzschritten zu bewegen. So wird auch das rassistische Klischee vom musikalisch und tänzerisch begabten Schwarzen reproduziert. Die Inszenierung geht sogar noch weiter: Die Rolle des jungen Straßenräubers, der Nat und später auch Mitch erpresst, wird von einem Türken gespielt. So werden weitere Klischees bedient.

In der Debatte über das Stück wird immer wieder gefragt, warum gerade jetzt so scharfe Kritik kommt, wo Blackfacing doch schon seit Jahren auf deutschen Bühnen praktiziert wird. Die Frage ist aber vielmehr, warum diese Kritik nach Jahrhunderten antirassistischer Kämpfe immer noch nötig ist.

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