Screenshots: Youtube, Discord; Bildbearbeitun: BTN

Wie "Reconquista Germanica" auf Discord seine “Troll-Armee” organisiert

Um öffentliche Debatten gezielt und organisiert zu manipulieren, versammelt sich die virtuelle rechte Sphäre auf dem sozialen Netzwerk “Discord” in Gruppen wie “Reconquista Germanica”. Im “Tagesbefehl” erhalten die User_innen Aufträge, welche politischen Gegner_innen sie mit ihrer "Troll-Armee" als nächstes attackieren sollen.

 

Von Kira Ayyadi

 

Was ist “Discord”?

“Reconquista Germanica” (RG) ist ein Kanal im Sozialen Netzwerk “Discord”. Hauptsächlich ist “Discord” eine für Gamer gedachte Plattform, die eine Mischung aus Skype, einer Chat-App und einem Messageboard bietet. User_innen können sich hier schriftlich wie auch mündlich unterhalten. Um Interessierte zu verbinden, legen User Gruppen an, die hier “Server” heißen.  Gegründet wurde der “Reconquista Germanica”-Server nach Eigenaussage am 1. September 2017 von Nikolai Alexander, einem rechten, pro-russischen Youtuber, dessen einschlägiger Kanal ebenfalls „Reconquista Germanica“ heißt.

Laut Selbstbezeichnung sei RG ein “satirisches Internet-Projekt ohne Bezug zur realen Welt”, in dem sich Gamer_innen und LARPer (Live Action Rollenspieler) vereinen. Auf dem Discord-Kanal der “Reconquista Germanica” organisieren sich Trolle, Ideologen und Aktivist_innen der rechten Sphäre, um Debatten in den sozialen Netzwerken zu beeinflussen und zu manipulieren.

“Reconquista Germanica” will also ein  virtuelles Wohnzimmer für die rechte Sphäre sein - allerdings ein nur konspirativ zu betretendes und militärisch strukturiertes Wohnzimmer.

 

“Sie eint ihr Hass auf Social Justice Warriors (SJW)"

Gründer Nikolai Alexander sagt in einem Video, dass sein  Wunsch nichts Geringeres ist, als den größten patriotischen Discord-Server Deutschlands zu betreiben und damit den rechten Onlineaktivist_innen ein Zuhause zu bieten. Neben AfD-Fans, Mitgliedern und Sympathisant_innen der “Identitären Bewegung”, Rechtspopulist_innen und selbsternannten “Patriot_innen”, tummeln sich hier auch klassische Neonazis, die RG durch eine codierte, militärisch gefärbte Sprache und abwertenden Humor dazu nutzen, um neue “Kameraden” zu werben. “Sie eint ihr Hass auf Social Justice Warriors (SJW) und der Wunsch, diese durch Trollen zu “triggern””, so der Monitoring-Experte der Amadeu Antonio Stiftung, Miro Dittrich, der die RG-Community seit längerem beobachtet.

 

Auch der umtriebige Neonazi und Rechtsrock-Veranstalter Patrick Schröder würbt für den RG-Server. Quelle: Screenshot Facebook 

Dabei kommt  “Reconquista Germanica” zum einen eine PR-Aufgabe zu: Hier können rechte Youtuber_innen und Initiator_innen auf ihre Projekte aufmerksam machen, Videos und Artikel verbreiten und damit zu Ideologie-Bildung in der eigenen Szene beitragen. Zum anderen, und noch weitaus wichtiger, ist aber die Möglichkeit sich zu organisieren und zu vernetzen “auch in Hinblick auf Krisenvorsorge“, meint Nikolai Alexander in einem Youtube-Video. Mit “Krisenvorsorge” ist hier offenbar der Zusammenbruch des bestehenden Systems gemeint, der von den extrem Rechten gleichzeitig gefürchtet wie erwartet wird - nach dem Umsturz des bisherigen politischen Systems wollen rechte Kräfte nach einer Zeit der Anarchie die Gewalt an sich reißen.  Das wird auf “Reconquista Germanica” auch offen so formuliert.

Facebook, Twitter und Co. nehmen der rechten Sphäre zunehmend Vernetzungsmöglichkeiten, zumindest wenn die Gewalt- und Bedrohungsfantasien der Teilnehmer_innen zu deutlich werden. Deshalb will „Reconquista Germanica“ (bis vor einiger Zeit hieß der Server noch „Reconquista Germania“) die neue virtuelle Anlaufstelle Nummer eins werden.  Zugleich soll es ein neues  Facebook und ein neues Skype sein „und unser virtuelles Hauptquartier zumindest solange, bis es uns gelingt, ein echtes Hauptquartier auf die Beine zu stellen“, so  Alexander.  Über die Identität Nikolai Alexanders ist beinahe nichts bekannt. Durch dessen Youtube-Kanal wissen wir allerdings, dass er mit dem AfD-nahen Youtuber Hagen Grell und dem in der rechten Sphäre vielseitig umtriebigen Frank Krämer in einer Verbindung steht. Frank Krämer ist Gitarrist der Neonazi-Band “Stahlgewitter”. Offenbar kommt ihm in jüngster Zeit eine Scharnierfunktion zwischen “Identitärer Bewegung” und klassischer Neonazi-Sene zu. Auffällig ist etwa, dass sie gegenseitig in ihren Netzwerke aufeinander hinweisen.

Bekanntmachung von Nikolai Alexander Quelle: Screenshot RG von Miro Dittrich

 

Hierarchische Struktur mit Begriffen der Wehrmacht

Da sich die rechte Sphäre permanent im Kriegszustand gegen die Demokratie wähnt, ist es nur konsequent, dass RG in militärischen Hierarchien organisiert ist: Hier gibt es “Paladine”, “Generäle”, “Offiziere”, “Gefreite” und “Rekruten”, und wer neu einsteigt, muss sich durch die Instanzen bewähren. In einem Organigramm werden zudem die “Identitäre Bewegung” und die “Junge Alternative für Deutschland” als Teil von RG aufgeführt. Nach Meinung von Miro Dittrich ist dieses Organigramm allerding veraltet.

Organigramm der Rangordnung Quelle: Screenshot Youtube

Neumitglieder des „Reconquista Germanica“-Servers haben zunächst nur Zugang zum Vorplatz und zur Eingangshalle. In der Eingangshalle müssen sich Neu-Mitglieder bei einem “Rekrutierer” melden und eine schriftliche Bewerbung abgeben. Ein Nachweis der Mitgliedschaft in der AfD oder der „Identitären Bewegung“ ist hier von Vorteil, erklärt Nikolai Alexander in einem Youtube-Video über den Discord-Server. Auf dem RG-Server gibt es verschiedene Kanäle oder Foren. Je höher eine User oder eine Userin im Rang steht, desto mehr Kanäle werden sichtbar und zugänglich. Im Kanal „Memewerkstatt“ produzieren Mitglieder Memes und machen sie anderen User_innen zugänglich. Diese können dann bei einem Troll-Angriff gezielt genutzt werden („memetische Kriegsführung“). Die meisten dieser Tweets richten sich in obszöner und verachtender Weise gegen Angela Merkel, gegen Migrant_innen, gegen Geflüchtete und gegen den Islam. viele sind pro AfD.

"Produkt" aus der "Memewerkstatt" Quelle: Screenshot RG von Miro Dittrich

 

Im Kanal "Rekrutierungsbüro" können sich User_innen für einen Rangaufstieg bewerben. Dafür müssen sie aber auch aktiv sein. Im Forum "Tagesbefehle" bekommen die RG-Aktivist_innen gezielte Anweisungen, zumeist von Alexander, wen sie zu welcher Uhrzeit als “Troll-Armee” angreifen sollen. Die RG-Mitglieder werden dazu aufgefordert, sich möglichst viele Konten in den sozialen Medien anzulegen, um auf einen "Befehl" hin beispielsweise bestimmte Youtube-Videos zu kommentieren oder entsprechend der eigenen rechten Gesinnung zu bewerten. In einem geleakten Video des Twitter-Accounts "Alt Right Leaks" hört man "Offiziere" per Team-Speak miteinander reden, als sie auf die "Verlautbarungen" von Nikolai Alexandre warten. Ein User erklärt, die Bereitschaft sich ein Youtube-Video anzuschauen sinke deutlich, wenn es über 50 Prozent negative Bewertungen hat und die Kommentare überwiegend negativ sind. "Schlachtfeld Internet. Wir können direkte Meinungsbeeinflussung damit hinbekommen.“  Wobei man hier bemerken muss, dass das Handling von mehreren Fake-Accounts doch recht zeitaufwendig ist, merkt Dittrich an. Er vermutet, dass das große Aufkommen von Fake-Profilen mit besonderen politischen Ereignissen einher geht, wie beispielsweise der Bundestagswahl 2017.

 

Aufruf zum trollen Quelle: Screenshot RG von Miro Dittrich

 

Anleitung für die Hass-Angriffe im „Handbuch für Medienguerillas“

Auch das Kapern von Hashtags oder die Einschüchterung und Demotivation von politischen Gegner_innen wird auf dem „Reconquista Germanica“-Server organisiert. Eine genaue Anleitung finden die trollenden Rechtsaußen-Aktivist_innen im „Handbuch für Medienguerillas“. Ein vierteiliges Papier, das so auch auf einer Internetseite namens „D Generation“ zu finden ist, Belltower.News berichtete bereits zum Thema. User_innen sollen sich möglichst viele Fake-Profile („Elektronische Sockenpuppen“) anlegen, um so das vorherrschende Meinungsbild der Öffentlichkeit zu verzerren.

 

Auf RG sind auch AfD-Mitglieder aktiv Quelle: Screenshot RG von Miro Dittrich

 

In dem geleakten RG-Teamspeak raten die „Generäle“, man solle sich neben den deutschen Fake-Profilen auch beispielsweise syrische Accounts zulegen, um dann zu behaupten, in Syrien herrsche kein Krieg, oder um Deutschland zu danken, dass es die ganzen Kriminellen aus Syrien aufnehme.  Außerdem würden diese ausländischen Fake-Profile im „Feindeslager“ besonders gut wirken. „Wenn die Systemlinge und die politisch Korrekten sehen, dass da Ausländer gegen diese Parteien sind, wiegt das ja schwerer, als wenn das Deutsche sind. Denn für die ganzen Gutmenschen dort hat die Meinung eines Ausländers ja viel mehr positives Gewicht, als die eines Deutschen.“

Auch Kopf der deutschsprachigen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, hat auf seiner Website auf das „Handbuch für Medienguerillas“ verlinkt. Ein Indiz dafür, dass die Ratschläge der „D Generation“ auch bei den „Identitären“ Anklang finden. Wenig verwunderlich ist es daher, dass sich auch IB-Aktivist_innen im „Reconquista Germanica“-Kanal tummeln.

Einzig das Netzwerk “Discord” spielt derweil nicht so mit, wie es sich die “Generäle” von RG gedacht haben. Bereits zum vierten Mal wurde der Server auf Discord vor wenigen Tagen gelöscht. Um einer erneuten Sperre zu entgehen, verteilen hochrangige Mitglieder momentan Einladungen zum neuen RG-Server erstmalig nicht mehr öffentlich. Den Link erhält man nur noch durch eine private Nachricht an führende Köpfe über Twitter.

Ein weiteres "Produkt" aus der "Memewerkstatt" Quelle: Screenshot RG von Miro Dittrich

 

Dies schwächt die Reichweite der “memetischen Kriegsführung”, die sich zwar professionell gibt, deren Einfluss aber derzeit noch recht gering sein dürfte. Dittrich plädiert dafür, “Reconquista Germanica” nicht all zu große Bedeutung beizumessen. “Die vielen Löschungen haben sie viele Mitglieder gekostet und auch in ihrer Höchstzeit war ihre Relevanz für den nationalen Diskurs eher gering. Problematisch sind sie allerdings für Betroffene ihrer Angriffe. Gerade kleinere oder unerfahrene User können durch diese Taktik der Belästigung leicht aus der Debatte gedrängt werden.”

 

Welche Themen haben die Nutzer_innen rechter Räume auf Facebook erzürnt? Welche Kampagnen wurden versucht? Der Monitoring-Überblick unseres Partnerprojektes "Debate // De: Hate" von Miro Dittrich. Achtung: Enthält explizite abwertende Sprache und Bilder aus Dokumentationszwecken.

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