Hassrede im Internet macht viele Menschen erst einmal sprachlos. Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus in meiner Timeline, unter Freund*innen, Bekannten, Kolleg*innen? Auf der Social Media-Seite, die ich betreue? In den Kommentarspalten meines Lieblingsmediums?
Das Problem mit Hate Speech und Parolen gegen Einzelpersonen
- Wir neigen zur Ausnahme-Entschuldigung: Das ist bestimmt nicht so gemeint, da sind Emotionen durchgegangen o.ä.
- Aber: Für durch Hate Speech Angegriffene sind die Folgen fatal, ihnen wird ein Aktionsraum genommen, schlimmstenfalls drohen ernste Erkrankungen.
- Und: Hassrede wird politisch strategisch eingesetzt. Hetze gegen Gruppen von Menschen normalisiert Abwertung und Menschenfeindlichkeiten. Wir gewöhnen uns daran. Und das Handeln folgt, von der Ausgrenzung bis zur Gewalt.
Was wir tun können – als Einzelpersonen
Nachfragen, Widersprüche benennen, Empathie wecken, andere Weltsichten aufzeigen, Abwertung widersprechen, uns für Vielfalt und Menschenrechte für alle einsetzen. Und zwar so:
1. Über strafrechtlich relevante Hate Speech (wie Volksverhetzung, Holocaustleugnung, Beleidigung, Verleumdung) müssen wir nicht diskutieren:
- Melden (beim Sozialen Netzwerk oder der Moderation des Kanals)
- Anzeigen (Polizei, Onlinewachen)
- Wenn Sie unsicher sind, ob der Beitrag strafbar ist: Senden an www.internet-beschwerdestelle.de oder www.hass-im-netz.info. Da prüfen Jurist*innen und Jugendschützer*innen das.
- Weil Meldungen manchmal dauern: Es schadet nicht, sich gegen den Post zu positionieren, aber bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr.
2. Gefährliche, aber nicht strafrechtlich relevante Parolen (Toxic Speech)
Die Meinungsfreiheit deckt auch rassistische, antisemitische, islamfeindliche, sexistische Äußerungen – es ist an uns zu widersprechen, Sachlichkeit in Diskussionen zu bringen und Werte zu verteidigen.
Toxic Speech in meiner Timeline durch Freund*innen, Bekannte, Kolleg*innen
- Je persönlicher der Kontakt, desto größer die Bereitschaft, Argumenten zuzuhören.
- Problematische Postings lieber per persönlicher Nachricht oder im persönlichen Gespräch als auf der Timeline klären.
- Möchte die Person den rassistischen Witz, die problematische Quelle für Informationen oder den sexistischen Kommentar nicht löschen – kommentieren Sie für die Mitlesenden, machen Sie Ihre Haltung klar, aber möglichst sachlich.
- Bieten Sie andere Sichtweisen, Erzählungen, Quellen, Erfahrungen an.
- Helfen Sie Betroffenen, seien Sie solidarisch.
- Wichtig: Sie müssen nicht ewig diskutieren. Machen Sie Ihren Punkt klar, positionieren Sie sich und beenden Sie das Gespräch, wann immer Sie möchten.
- Wenn Derartiges bei der gleichen Person öfter vorkommt, sprechen Sie mit gemeinsamen Freund*innen oder Kolleg*innen über Lösungen.
Toxic Speech auf der Social Media-Seite, die ich betreue
- Als Moderator*in haben Sie die Chance, Gespräche auf Ihrer Seite zu gestalten. Sie haben Hausrecht und können den Ton der Gespräche beeinflussen, eine Netiquette festlegen, konstruktive Beiträge unterstützen – tun Sie das auch! Diskussionen werden besser, wenn der Ton moderat ist und Menschen keine Angst haben müssen, auf Ihrer Seite angegriffen und beschimpft zu werden.
- Mehr dazu im Flyer »Was tun, wenn mir als Seiten-Moderator*in Hate Speech begegnet«
Toxic Speech auf der Facebook-Seite meines Lieblingsmediums, in einer Gruppe zu Katzen oder meiner Stadt, in der ich bin (Internet-Öffentlichkeit)
- Wenn Sie internetöffentlich diskutieren: Schützen Sie Ihr Profil so, dass Unbekannte möglichst wenig sehen können.
- Schweigen Sie nicht, wenn Sie etwas stört. Benennen Sie es! Wenn sich eine*r traut, trauen sich auch mehr.
- Deeskalieren: Fragen Sie nach, wie der Post gemeint ist. Ungeschickte Formulierung ist kein Problem, bewusster Rassismus dagegen schon.
- Bleiben Sie sachlich.
- Fragen Sie nach Quellen.
- Wenn Sie überzeugen wollen: Überraschende Ansätze suchen, am Weltbild des anderen ansetzen; nicht sagen, dass der andere falsch liegt, sondern dass er etwas übersehen hat.
- Zeigen Sie Haltung und begründen Sie, warum Sie den Post etwa rassistisch finden.
- Holen Sie Hilfe: Aktivieren Sie stille Mitlesende oder die Moderation; wenden Sie sich an Diskussionshelfer wie die Gruppe #ichbinhier, die in problematische Debatten sachlich eingreift.
- Bleiben Sie stets so fair, wie Sie auch behandelt werden wollen.
- Nicht endlos diskutieren. Studien zeigen: spätestens nach vier Argumenten ist der andere überzeugt – oder nicht.
Und sonst?
Wenn Sie öfter gegen Hassrede argumentieren: Suchen Sie sich Mitstreiter*innen, mit denen Sie Strategien diskutieren oder einfach mal lachen können. Suchen Sie Hilfe, wenn Sie merken, dass dieses Engagement Sie stark belastet (Mitstreiter*innen, Expert*innen, Psycholog*in).
ENGAGIEREN SIE SICH MIT UNS!
Ich will selbst eine Initiative gründen.
Die Amadeu Antonio Stiftung berät, fördert und vernetzt Projekte:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/projektfoerderung
Ich will helfen, die Debattenkultur im Internet zu verbessern.
Beratung, Fortbildung, Qualifizierung und Unterstützungbieten:
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Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz, Berlin:
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#wildwildweb?! – für eine demokratische Zivilgesellschaft im digitalen Raum, Hannover:
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debate//de:hate – Für digitale demokratische Debattenkultur: pädagogische Praxis, Empowerment, Counter Speech, Debattenkultur, Monitoring
Ich möchte an meiner Schule/Bildungseinrichtung einen Workshop veranstalten, damit noch mehr Menschen in der Lage sind, gegen Hate Speech zu argumentieren.
Bundesweites Workshop-Angebot »Hate Speech begegnen«, umgesetzt von jungen Trainer*innen nach dem peer trainer-Prinzip:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/peer-training
INFORMATIONEN UND MATERIALIEN
Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft
Tagesaktuelles journalistisches Informationsportal zu Demokratie-Gefährdung on- und offline
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Publikationen der Amadeu Antonio Stiftung
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