Was Nazis so in Dresden erlebt haben wollen: „Dann war es das mit No Parmesan!“

Die Nazis sind sauer. Und das völlig zu Recht: Zum zweiten Mal hintereinander mussten sie in Dresden eine herbe Niederlage einfahren. Im Internet üben sie sich deshalb im Schönreden und verlieren sich in Verschwörungstheorien oder Gewaltphantasien.

Von Bernd Herbst

„Ägyptische Verhältnisse“

Dass die Veranstalter der gescheiterten Demonstration in Dresden sich aufregen und versuchen, das Erlebte schönzureden, verwundert dabei noch am wenigsten. So jammert die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) beispielsweise in einer Erklärung über einen angeblichen „offenen Rechtsbruch“ in Dresden, sieht gar „ägyptische Verhältnisse“ in der Bundesrepublik und droht mit „juristischen Konsequenten“*. Schuld am Desaster sind dabei natürlich immer die anderen. In diesem Fall der „von den Machthabern und linken Gewerkschaften gerufene Mob“, der „unter Aufsicht der Polizei ganze Straßenzüge in ein Trümmerfeld verwandelte“. Gleichzeitig versucht die „Junge Landsmannschaft“ in ihrer Mitteilung aber auch, ihr Desaster schön zu reden. So spricht sie von „mehr als 6000“ anreisenden Neonazis. Wo diese letztendlich geblieben sind, kann die JLO aber offenbar selbst nicht sagen. Sie zählt in ihrer Mitteilung lediglich 800 Rechtsextreme am Hauptbahnhof, 2000 Neonazis auf einer Spontandemo in Plauen und 25 „Kameraden“ bei einer Kranzniederlegung auf dem Altmarkt. Es fehlen also mehr als 3000 Rechte in dieser Rechnung. Naja, so oder so: Man sei „der moralische Sieger“, erklärt die „Junge Landsmannschaft“ zusammenfassend.

„Davon geht die Welt nicht unter“

Altermedia versucht derweil seine Leser mit altem NS-Liedgut einzulullen: auf dem rechtsextremen Internetportal kann man sich unter anderem Youtube-Videos des Songs „Davon geht die Welt nicht unter“ anhören und –sehen. Während ein Leser sich über diese „schöne Musik“ freut, findet ein anderer das allerdings „gar nicht lustig“. Er kommt sich „irgendwie verarscht vor“, wie er schreibt. Bei anderen scheinen die alten Durchhalte-Lieder aber zu fruchten: Michel spricht beispielsweise seinen Kameraden „Mut“ zu. Ebenso wie Fistel: „Die Stunde des Siegers kommt für jeden irgendwann. Man muss geduldig sein“, schreibt er ein wenig kryptisch. Andere werden konkreter und versuchen sich im Schönreden der offensichtlichen Niederlage: „Dresden 2011 war insoweit für die Teilnehmer des nationalen Widerstandes ein Erfolg, als dass Sie durch die verhinderte Einkesselung ihre Handlungs- und Bewegungsfreiheit erhalten konnten“ schreibt ein Neonazi auf altermedia. Und ein anderer mit dem bezeichnenden Namen Stalag fügt hinzu: „Ein dem Abgrung näher kommendes Systhem verwaltet von Marionetten die dem Usrael hörig sind, haben ihre Fratze offenbart!“*. Nicht die Neonazis sind also am Ende, sondern „das System“.

„Es war eine Schmach und Schande!!!“

Einige Altermedia-Leser sind da ehrlicher und gestehen die Niederlage ein. „Es war eine Schmach und Schande!!!“ schreibt einer von ihnen. Andere kündigen sogar an, nicht mehr nach Dresden fahren zu wollen. Da der politische Gegner aber ganz fiese Methoden anwendete, kann man andererseits im Grunde für die Niederlage nichts: „Die Antideutschen wurden alkoholisiert, sogar bewaffnet und ohne Kontrollen in die Stadt gelassen.“, weiß beispielsweise Ute. Auch Griesgram hat da einen ganz ganz schlimmen Verdacht: „Schließlich ist es auch dem Dümmsten klar, daß diese Blockade abgestimmt war“, schreibt er. Ein dritter Nutzer will gar gesehen haben, wie der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele der „Kinder-Antifa“ Anweisungen für ihre Randale gegeben hat. Allerdings gibt der Nutzer auch zu, dass er „nicht verstehen konnte“, was Ströbele genau gesagt habe. Aber es könnten eigentlich nur Anweisungen zur Randale gewesen sein. Über die Ziele der Gegendemonstranten ist man sich allerdings nicht ganz im Klaren: Während Tand und Schande vermutet, dass sie in Dresden „gegen Recht und Freiheit brandschatzen“ wollten, meint ein anderer Nutzer zu wissen, dass „die eingesetzten Verwalter der BRD mit allen Mitteln“ verhindern sollten, dass „die Deutschen wieder eine Nationalbewusstsein entwickeln.“

„Wenn wir uns treffen wollen dann können wir es irgendwo unangemeldet in Deutschlands Wäldern tun.“

Während für viele Neonazis das „widerliche antideutsches Judensystem“ schuld an der Niederlage ist, sehen andere Rechtsextreme die Schuld bei den eigenen „Kameraden“. „Ich hab jetzt ne Anzeige und einen gebrochenen Arm. Nur weil ihr Schwuchteln euren Arsch nicht hochkriegt wenns drauf ankommt.“, beschimpft NW beispielsweise seine „Kameraden“ auf altermedia. Ein anderer Neonazi schreibt: „In einer Militärischen Auseinandersetzung wäre die Führung für ein solches Versagen zu recht standrechtlich erschossen worden.“ Nur Gnubbel versucht die „Kameraden“ zu besänftigen: „Ein Volk sollte sich nicht gegenseitig bekriegen, das ist doch genau das, was der Jude will!“, gibt er zu bedenken. Überhaupt ist er eher peacig drauf: Er kündigt an, im nächsten Jahr wieder nach Dresden zu fahren - allerdings wolle er sich dann „einen Stuhl und ein Buch“ mitbringen. Er rechnet wohl fest damit, auch im nächsten Jahr blockiert zu werden. Reichsbürger hat ebenfalls einen tollen Vorschlag für die Zukunft: „Wenn wir uns treffen wollen dann können wir es irgendwo unangemeldet in Deutschlands Wäldern tun.“, schreibt er. Ein anderer Nutzer schlägt für das nächste Jahr - offenbar in Anspielung auf die jüngsten Ereignisse in Ägypten - sogar „eine 3tägige Permanenntbesetzung wichtiger Plätze“* vor und fügt dann erstaunt hinzu: „Wir können von den Arabern auch noch etwas lernen. Wer hätte das gedacht?“.

„Sind wir Nazis, oder was??!?“

Die meisten seiner „Kameraden“ aber verlieren sich nach der herben Niederlage in übelsten Gewaltphantasien und rufen offen zu mehr „Militanz“ auf: „Wenn mich jemand mit gefährlichen Gegenständen bewirft, oder gar beschießt (sic!), der kriegt nach Möglichkeit die volle Packung. Sind wir Nazis, oder was??!? Wir sind nunmal kein Pfadfinderverein.“, schreibt einer. Und weil Nazis nun mal Nazis und keine Pfadfinder sind, darf auch dieser Hinweis natürlich nicht fehlen: „Es fehlen fähige [Gruppen]Führer“ schreibt er und fügt gleich drei Ausrufezeichen hinzu. Auch ein Führer-Vorbild haben die Neonazis dabei offenbar schon: Als ein Rechtsextremist schreibt, in Dresden hätten „Verhältnisse wie in Nordkorea“ geherrscht, fährt ihn ein „Kamerad“ an: „Was hast du gegen Nordkorea?!“. Bis die Nazis aber eine Diktatur nach nordkoreanischem Vorbild geschaffen haben, ist es aber vermutlich noch etwas hin. Erstmal also zurück nach Dresden. Hierfür gilt: Wenn, ja wenn, sich die Nazis in Zukunft zusammenraufen, so schwärmt einer von ihnen, „dann war es das mit “No Parmesan”!“. Hierzu kann und will man einfach nicht mehr schreiben.

* Bei allen Zitaten gilt: Alle Fehler im Original!

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