"Marine Présidente": Ein breites Parteienbündnis will genau das verhindern. (picture alliance / Kristina Afanasyeva/Sputnik/dpa)

Stichwahl am 7. Mai in Frankreich: “Wir” gegen “euch”

Sie bekam in der ersten Wahlrunde 21,4 Prozent der Stimmen: Marine Le Pen vom rechtsextremen „Front National“ könnte am 7. Mai zur Präsidentin in Frankreich gewählt werden. Ihr stellt sich nun ein breites Parteienbündnis entgegen, das zur Wahl des parteilosen Emmanuel Macrons aufgerufen hat. Wie wahrscheinlich ist dennoch eine Präsidentin Le Pen?

 

Von Simon Raulf

 

Am 23. April 2017 endete die erste Wahlrunde der Präsidentschaftswahl in Frankreich ohne klares Ergebnis. Die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen, Emmanuel Macron und Marine Le Pen, ziehen nun in die Stichwahl ein, die am 7. Mai stattfindet. Die Wahl fand unter erschwerten Bedingungen statt. Frankreich befindet sich seit November 2015 im Ausnahmezustand. Um die Wahl abzusichern, wurden Polizei sowie Militär mobilisiert. Das Attentat auf einen Polizisten am vergangenen Donnerstag legte einen weiteren Schatten über die Abstimmung. Alle Kandidat_innen sagten daraufhin aus Rücksicht ihre verbliebenen Wahlkampfauftritte ab.

 

Vom Vorlauf der Wahl dürfte vor allem die Marine Le Pen vom rechtsextremen „Front National“ profitiert haben, die der Regierung schon seit langem vorwirft, für die mangelnde Sicherheit im Land verantwortlich zu sein. Durch die 21,4 Prozent der Stimmen aus dem ersten Wahlgang dürfte sich Le Pen in ihrem islamfeindlichen und rassistischen Kurs bestätigt fühlen..  Selbstbewusst trat Le Pen am Abend vor ihren Anhänger_innen auf:  „Es ist Zeit, das französische Volk zu befreien, von den arroganten Eliten, die dem Volk sein Verhalten vorschreiben wollen, JA, ich bin die Kandidatin des Volkes.“

 

Macron: Favorit mit reichlich Angriffsfläche

Ihr Kontrahent Emmanuel Macron, der mit 23,75 Prozent als Gewinner aus der ersten Runde hervorgeht, bietet eine breite Projektionsfläche für Angriffe Le Pens. Direkt nach der Wahl sagten ihm mehrere geschlagene Kontrahenten die Unterstützung zu und riefen ihre Anhänger_innen auf, am 7. Mai für ihn zu stimmen – vor allem mit der Absicht, Le Pen zu verhindern. Seinem politisch nahestehenden Konkurrenten eine Wahlempfehlung auszusprechen, gilt bisher als normal. In diesem Jahr scheint aber nicht nur diese Konstante vergangener Wahlen gebrochen. Le Pen wird es leicht fallen, das breite Bündnis gegen sie als Verzweiflungstat des sogenannten „Establishment“ darzustellen und es ist auch keinesfalls sicher, dass die Wähler_innen der geschlagenen Kandidat_innen sich jetzt auf Macrons Seite schlagen. An seinem neoliberalen, pro-europäischen Kurs stoßen sich viele Linke, die Jean-Luc Ménchelon von der Linkspartei unterstützt haben, der immerhin 19,64 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Außerdem steht  Macron, der bis Mitte vergangenen Jahres Wirtschaftsminister im Kabinett des unglücklichen Präsidenten Fraçoise Hollande war, für das „alte“ System. Für seine Kandidatur gründete der 39-jährige eigens die parteilose pro-europäische Bewegung „En Marche!“, um sich vom bisherigen Kurs der Sozialisten und Hollandes abzugrenzen. Dass nun der parteilose Macron und die rechtsextreme Le Pen in die Stichwahl einziehen, kann als klare Absage der Wähler_innen an das bestehende Parteiensystem verstanden werden. Daher ist es schwer abzuschätzen, ob Wahlempfehlungen der anderen Kandidat_innen Macron helfen oder sogar eher schaden könnten.

 

Wie fatal die Politik der vergangenen vier Jahre abgestraft wird, sieht man nicht nur an der Aufgabe des ehemaligen Premiers Manuel Valls im Vorfeld der Wahl, sondern auch am grandiosen Scheitern des gemeinsamen Kandidaten der Sozialisten, Benoît Hamon. Er konnte als Mitglied der Regierungspartei nur sechs Prozent der Wählerstimmen für sich gewinnen. Auch der ehemalige Premierminister und Kandidat der Republikaner, Françoise Fillon, konnte die Skandale um eine Scheinbeschäftigung seiner Frau nicht abstreifen und erhielt nur enttäuschende 19,9 % der Stimmenanteile.

 

An der EU scheiden sich die Geister

Macrons klar pro-europäischer Kurs, der ihn von allen anderen Konkurrenten abhebt, bietet den nächsten Angriffspunkt für Le Pen. Sie stellte ihren Wähler_innen in der Vergangenheit ein Referendum im Stile des „Brexit“, den sogenannten „Frexit“, im Falle ihres Sieges in Aussicht. Die Zielscheibe Brüssel und das Bündnis mit anti-europäischen Parteien, wie Gert Wilders „Partei für die Freiheit“ in Holland oder der „Alternative für Deutschland“, kann sie sich national wie europäisch als Opposition positionieren und sich so als “einzig wahre Alternative” zum bestehenden System darstellen. Damit erschließt sich auch Le Pens Rezept, dass sich durch Rhetorik, Wahlkampf und auch Wahlprogramm widerspiegelt: “Wir” gegen “euch”.

 

Auch ihr Wirtschaftskurs, von dem vor allem Franzosen profitieren und staatlich Angestellte in Schutz genommen werden sollen, steht im Gegensatz zu Macrons wirtschaftsliberaler Politik, die Kürzungen im Staatshaushalt bedeuten würde. Der französische Staat beschäftigt bis zu sechs Millionen Menschen, was bei einer Gesamtbevölkerung von 66 Millionen die größte Wählergruppe ausmacht.

 

Präsidentschaftswahl 2002 macht Hoffnung

Es ist bereits das zweite Mal, dass eine Kandidat_in des Front National in die Stichwahl einziehen kann. Bei der Präsidentschaftswahl 2002 stand Jean-Marie Le Pen, der Vater Marine Le Pens, überraschend in der Stichwahl gegen den damals amtierenden Präsidenten Jacques Chirac. Dort unterlag er dann deutlich. Zwischen den Wahlgängen hatten große Demonstrationen im ganzen Land stattgefunden, zu denen Gewerkschaften und Parteien aufgerufen hatten. Damals gelang es, ein breites Bündnis gegen den Kandidaten der Rechtsextremen aufzustellen. Ob das dieses Mal wieder gelingt, sehen viele Expert_innen skeptisch. Erstens muss der Ausgang der ersten Wahlrunde als klare Absage an die bestehenden Parteien und das Parteiensystem gesehen werden. Zweitens scheint es fraglich, ob Macron auf die Unterstützung der Linken und Konservativen zählen kann.

Daher sind Prognosen für die Stichwahl am 7. Mai kaum möglich. Entscheidend wird die Frage sein, wie stabil das Bündnis gegen Le Pen ist und ob der gemeinsame Nenner „Len Pen verhindern“ ausreicht, um genügend Wähler_innen zu mobilisieren.

 

Die Prozentzahlen (Stand 24.04.2017) sind keine endgültigen Ergebnisse und können sich noch verändern. Der Einzug Marine Le Pens und Emmanuel Macrons in die Stichwahl am 7. Mai ist jedoch nach den bisher ausgezählten Stimmzetteln sicher.

 

Weitere Informationen zur Wahl und den Kandidat_innen gibt es hier.

 
drucken