Greiz: Mit Fackeln gegen das Flüchtlingsheim (Video-Still)
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"brennt die scheiße schon vorher ab": Rassistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge

Mehr als 1.000 Menschen haben am Wochenende gegen ein Flüchtlingsheim in Schneeberg demonstriert. Eine geplante Unterkunft in Pätz ruft menschenverachtende und gewaltbereite Reaktionen bei Facebook hervor. Kaum ein anderes Thema eignet sich derzeit so gut zur rassistischen Stimmungsmache für NPD und Konsorten wie die Flüchtlingsdiskussion – mit erschreckenden Ergebnissen.

Von Alice Lanzke

"brennt die scheiße schon vorher ab", "Wo kein Haus ist, kann auch keiner wohnen!!", "Das heißt ab nächsten Jahr Haus immer abschließen und den Hund abrichten....", "Sie können auch nach 100jahren keine deutschen sein wenn ein Esel im Pferdestall geboren wird bleib er trotzdem ein ESEL"

Was derzeit auf Facebook-Seiten wie "Nein zum Heim in Pätz" an menschenverachtenden und rassistischen Kommentaren zu lesen ist, macht einfach nur fassungslos. In der Diskussion um neue Flüchtlingsheime bilden sich besorgniserregende Allianzen, die fast schon einem Muster zu folgen scheinen: Pläne für eine neue Einrichtung werden bekannt, eine vermeintliche Bürgerinitiative gründet sich und hetzt on- wie offline gegen die Heime, in denen verfolgte, oft traumatisierte Menschen einen Platz bekommen sollen.

Nicht erst seit der Katastrophe von Lampedusa, bei der 400 Menschen ertranken, ist eine Diskussion über die Flüchtlingspolitik in Gang gekommen. Zuvor hatten die Proteste um das Heim in Berlin-Hellersdorf die Debatte angeheizt.

Beifall für Rassismus

Während sich die Situation rund um das Haus in Hellersdorf anscheinend beruhigt hat, vergeht doch kein Tag, an dem nicht andere Einrichtungen in den Schlagzeilen stehen. An diesem Wochenende waren es vor allem das geplante Heim in Pätz und ein Flüchtlingsheim in Schneeberg.

In Pätz nahe dem brandenburgischen Königs Wusterhausen sollen 150 Asylsuchende untergebracht werden. Neonazis hetzen massiv gegen diese Pläne – und erhalten dabei Unterstützung aus der Bevölkerung. Eine Infoveranstaltung am vergangenen Donnerstag geriet zur Lehrstunde dieser Unterstützung: Laut eines Berichts des "Tagesspiegel" reagierte die Hälfte der anwesenden 150 Bürgerinnen und Bürger zustimmend auf rassistische Rufe – so etwa auf die Aussage eines jungen Mannes mit einem T-Shirt "Weltmeister 1945", der meinte, dass das Heim besser in Hoyerswerda und Rostock aufgehoben wäre – eine Anspielung auf die Pogrome gegen dortige Flüchtlingsheime in den 1990er-Jahren. Nicht der einzige menschenverachtende Zwischenruf des Abends: So rief ein Neonazis auf die Frage des Bürgermeisters, wie lange die Flüchtlinge blieben: "Bis es wieder brennt." Ein anderer ergänzte, man könne ja nach Berlin-Kreuzberg fahren, wenn man "Kanacken sehen will".

Die NPD als Brandstifter

Natürlich klatschen nicht alle Bürgerinnen und Bürger Beifall, wenn solche rassistischen Auswürfe die Runde machen, ganz im Gegenteil: An vielen Orten gelingt es, eine Willkommenskultur für die Flüchtlinge zu schaffen, wie etwa ein Beispiel aus Wandlitz zeigt. Auch bei der Infoveranstaltung in Pätz gab es ruhige Stimmen, die eine sachliche Auseinandersetzung anmahnten und dafür Zustimmung ernteten – allein: Diese Stimmen gehen im hysterischen Empörungstaumel der Heimgegnerinnen und Heimgegner unter – die dabei von NPD und Konsorten befeuert werden. Schon lange hat die NPD das Potenzial der Flüchtlingsdiskussion zur Verbreitung der eigenen rassistischen Propaganda erkannt. So hatte die rechtsextreme Partei zusammen mit anderen entsprechenden Gruppierungen dazu aufgerufen, nach Pätz zu kommen.

Auch auf den entsprechenden Facebook-Seiten sind NPD-Mitglieder aktiv – wenn sie auch peinlich darauf achten, nicht als Parteiangehörige erkannt zu werden. Meist genügt jedoch ein Klick auf das Profil, um zu erkennen, woher der Wind weht. Da reichen auch alle Beteuerungen der entsprechenden Seiten-Admins nicht aus, man gehöre doch keinem politischen Lager an. Aufschlussreich ist da auch, welche Kommentare nicht gelöscht werden:

"deutschland muss niemand mehr in den arsch kriechen", "Unbescholtene Bürger als Nazis zu bezeichnen war schon immer die Masche der linken Meinungsmacher und Umerzieher", "man muss ja kein nazi sein aber ganz ehrlich manchmal wunscht man sich doch adolf zurück", "Für die Linken soll es scheiße regnen" (Alle Fehler im Original, Anm. d. Red.)

Mit Fackeln gegen das Flüchtlingsheim

Doch nicht nur auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken findet die Hetze ihren Ausdruck. So demonstrierten am Samstag mehr als 1.000 Menschen in Schneeberg im Erzgebirge gegen das Flüchtlingsheim. Auch hier zündelte die NPD an entscheidender Stelle: Sie hatte die Kundgebung mit dem harmlos klingenden Namen "Schneeberger Lichtellauf" angemeldet – ein Fackelmarsch gegen das hiesige Heim. Wie der "Störungsmelder" berichtet, fanden sich in der Menge zahlreiche örtlich bekannte Neonazis. Einige der Demonstrierenden hätten die aggressive Stimmung genutzt und mehrfach versucht, Journalisten und vereinzelte Gegendemonstranten mit Fackeln zu bedrängen. Dass die Ordner nicht eingriffen, ist kein Wunder: Laut "Störungsmelder" handelte es sich dabei ausnahmslos um organisierte Rechtsextreme.

Die Polizei war mit gerade einmal 130 Beamtinnen und Beamten vor Ort – wenigstens gelang es ihnen, zwei der zahlreichen Hitlergrüße aus der Demonstration strafrechtlich zu verfolgen.

Was tun?

Egal ob nun Pätz, Schneeberg, Greiz oder anderswo: Der Hass auf die Flüchtlinge ist nicht nachvollziehbar. Es scheint, als ob rassistische Vorurteile, Sozialneid, fehlende  und Fehlinformationen sowie die Abwesenheit von Mitmenschlichkeit eine explosive Mischung bilden. Gerade im Internet kommt eine Empörungsspirale hinzu, bei der sich immer neue Postings gegenseitig hochschaukeln. Das Ergebnis macht Angst. Umso wichtiger ist es, sich diesen Auswürfen entgegenzustellen – on- wie offline. So ermüdend und mühselig es ist, bleibt es doch wichtig, etwa auf den entsprechenden Facebook-Seiten argumentativen Gegenwind aufzubauen und klarzumachen, dass die Nazi-Parolen gegen die Flüchtlingsheime keine Mehrheitsmeinung sind. Bei Kundgebungen gegen Heime ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen – durch Proteste gegen rechte Aufmärsche oder eigene Demos. Ein gutes Beispiel ist die Bürgerinitiative "Hellersdorf hilft", die Anfang Juni als Kontrapunkt zu den massiven Anfeindungen rund um das Heim im Berliner Bezirk gegründet wurde: "Hellersdorf hilft" geht es darum, eine Willkommenskultur für die Flüchtlinge zu schaffen. Im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnetes Engagement: Die Initiative erhält Ende Oktober den diesjährigen Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus, ausgelobt von der Jüdischen Gemeinde Berlin und dem Förderkreis "Denkmal für die ermordeten Juden Europas".

"Asylbewerber sind zu teuer." "Es kommen immer mehr." "Und alle wollen zu uns!" Solche Vorurteile sind in den deutschen Köpfen verankert. Das zeigen Studien, einseitige Presseartikel und Auftritte des Bundesinnenministers. Schluss damit: Jetzt kommen die Fakten - eine übersichtliche Aufbereitung des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses.

Mehr aus der Presseschau:

Das Thema Flüchtlinge war auch ein Schwerpunkt der heutigen Presseschau. Hier der Überblick:

Hetze gegen Flüchtlinge: Ein echtes 90er Revival?

Wenig überraschend versuchen NPD und andere Neonazis von den Debatten über die Flüchtlingspolitik in Europa zu profitieren. Alles also wie gehabt? Die Nazis morden, der Bürgermob klatscht, der Staat schiebt ab? Nicht ganz. (Publikative.org)

Hetze gegen Flüchtlingsheime in Pätz und Schneeberg

Was gegenwärtig in Pätz nahe Königs Wusterhausen passiert, erinnert an die Situation in Hellersdorf vor einigen Wochen. Die Verwaltung in Pätz hatte am Donnerstagabend zu einer Informationsversammlung über ein Heim für Flüchtlinge eingeladen, das bald öffnen wird. Eine Bürgerinitiative hatte sich da schon gebildet, die anonym auf Facebook gegen das Heim hetzt. Mit der berüchtigten Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf, die Stimmung gegen das dortige Heim macht, ist sie vernetzt, auch das optische Erscheinungsbild ähnelt ihr sehr. (taz, neues deutschland, Tagesspiegel) Unterdessen haben in Schneeberg am Sonnabendabend etwa 1.000 Menschen gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in der Stadt protestiert. Nach Angaben der Polizei waren 130 Beamte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Demnach gab es zwei Anzeigen wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organe. Die Veranstaltung in Schneeberg war von einem Kreistagsmitglied der NPD organisiert worden. (MDR Online, Freie Presse, Zeit Online) Bereits am Freitag waren knapp 900 Menschen auf den Schneeberger Markplatz geströmt, um ein Zeichen für Toleranz und gegen Rassismus zu setzen. Sie folgten damit einem Aufruf aller demokratischen Fraktionen im Schneeberger Stadtrat. (Freie Presse) Unterdessen wurde in einem Obdachlosen- und Asylbewerberheim in Wehr  in der Nacht zum Samstag ein Brand gelegt, der aber bereits vor dem Eintreffen der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, sie schließt einen rassistischen Hintergrund nicht aus. (Badische Zeitung)

Lampedusa-Flüchtlinge: Festung Hamburg steht

300 Westafrikanerinnen und Westafrikaner, die vor dem libyschen Bürgerkrieg geflohen waren, kämpfen in Hamburg um ein Bleiberecht. Um sie herum ist eine breite Unterstützerbewegung entstanden. (taz) So wächst der Druck auf Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), sich zur Zukunft der Lampedusa-Flüchtlinge zu äußern. Am Freitagabend haben erneut rund 1.000 Menschen an einem Protestzug durch die Innenstadt teilgenommen. Sie kritisierten auf ihrer Abschlusskundgebung an den Landungsbrücken die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats. (NDR Online) Unterdessen werfen die Flüchtlinge dem Hamburger SPD-Senat wegen der anhaltenden Polizeikontrollen Rassismus vor. (Weser-Kurier) Sie gehen jetzt auch rechtlich gegen die Kontrollen vor. (Holsteinischer Courier)

Rostock: Demonstration für mehr Solidarität mit Flüchtlingen

Für mehr Solidarität mit Flüchtlingen sind am Sonnabend in Rostock etwa 1.000 Menschen auf die Straße gegangen. Sie forderten unter anderem eine menschenwürdige Willkommenskultur, eine bessere Flüchtlingspolitik und ein tatsächliches Recht auf Asyl. Ein Bündnis gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen hatte die Demonstration organisiert, darunter auch die Antifa Rostock und die Initiative Stop it. (Tagesschau-Video, NDR Online) In Berlin haben die Flüchtlinge am Brandenburger Tor derweil ihren Hungerstreik nach zehn Tagen vorerst ausgesetzt. Um ihren Forderungen nach Asyl und einer Arbeitserlaubnis Nachdruck zu verleihen, halten sie sich eine Fortsetzung offen. (Spiegel Online, Tagesspiegel)

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