Presseschau 16.06.2017

"Sprichst du Deutsch?" - Drei Männer greifen 22-Jährigen in Jena an +++ Ense: Graffiti-Schmierereien in der "Ense-Passage" entdeckt +++ Verdacht auf 50 „Reichsbürger“ im öffentlichen Dienst +++ Weitere Neonazis der „Freien Kameradschaft Dresden“ vor Gericht.

 

"Sprichst du Deutsch?" - Drei Männer greifen 22-Jährigen in Jena an

In Jena haben drei Männer einen 22-Jährigen angegriffen, nachdem er zugab, kein Deutsch zu sprechen. Der junge Mann war in der Nacht zum Donnerstag im Damaschkeweg zu Fuß in Richtung Anna-Siemsen-Straße unterwegs. Auf der Höhe der Apotheke umzingelten ihn drei Männer. Die fragten ihn, ob er Deutsch spreche. Er verneinte die Frage, woraufhin einer der Unbekannten ihm mit der Faust ins Gesicht schlug.

 

Ense: Graffiti-Schmierereien in der "Ense-Passage" entdeckt

Wie die Kreispolizeibehörde Soest mitteilte, wurden die veschiedensten Graffiti-Schmierereien und auch vereinzelt Hakenkreuze in der Zeit zwischen Mittwochabend, 19 Uhr, und Donnerstagmorgen, 4 Uhr, an Flächen aufgesprüht.

 

Verdacht auf 50 „Reichsbürger“ im öffentlichen Dienst

Sie lehnen den deutschen Staat ab, einige arbeiten aber für ihn: Es gibt 50 Verdachtsfälle von Reichsbürgern im öffentlichen Dienst. Die tatsächliche Zahl soll aber höher liegen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lässt mehrere Dutzend Fälle von rechtsextremistischen „Reichsbürgern“ untersuchen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sein sollen. „Zurzeit werden insgesamt 50 Fälle auf Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst geprüft“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums (BMI) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Laut BMI stammen die Zahlen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

 

Weitere Neonazis der „Freien Kameradschaft Dresden“ vor Gericht

Einen Monat nach Beginn des ersten Prozesses am Amtsgericht kommen weitere mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen „Freien Kameradschaft Dresden“ auf die Anklagebank. Am Dresdner Landgericht wird ab 23. Juni gegen einen 19- und einen 27-Jährigen verhandelt. Den Dresdener Neonazis werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Sie sollen seit Sommer 2015 mehrfach Asylbewerber und andere Menschen angegriffen, drangsaliert und verprügelt haben.

 

Enschede: „Patrioten“ und Hooligans in Aktion am Sonntag

Am Sonntag findet im niederländischen Enschede nahe der Grenze zu Deutschland ein Pegida- und HoGeSa-ähnlicher Aufmarsch statt. Auftreten soll auch die Bremer Band „Kategorie C“ (KC).In den Niederlanden und Deutschland wird zur Teilnahme an der zentral im Stadtzentrum stattfindenden Versammlung mobilisiert. Diese soll am 18. Juni um 14.00 Uhr beginnen, als Organisatoren werden auf entsprechenden Ankündigungen „Pegida Nederland“ mit Unterstützung durch die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) genannt. In Deutschland werben unter anderem der HoGeSa-Mitbegründer Dominik Roeseler aus Mönchengladbach sowie die von diesem mitverantwortete Facebook-Seite „Deutsche Patrioten“ für den Aufmarsch.

 

Rechtsextreme fühlen sich von der AfD eingeladen

Die AfD hat offiziell einen Abgrenzungsbeschluss gegen Rechtsextremisten, auch gegen die "Identitäre Bewegung". Doch ist nicht das Papier wert, auf dem er steht. Auch nicht in Berlin-Brandenburg, wo sich zahlreiche Rechtsextremisten in der AfD tummeln, weil sie sich eingeladen fühlen. Die AfD ist der politische Arm einer Bewegung, die tief im Rechtsextremismus verwurzelt ist. An manchen Orten mehr, an anderen weniger. In Berlin sind es nur einzelne Parteifunktionäre, die selbst Rechtsextremisten sind, andere sympathisieren mit ihnen. Zum Beispiel mit den aktivistischen rechtsextremen "Identitären". Die werden zwar wegen ihrer medial wirksamen Inszenierungen überschätzt. Aber als kreative Sturmtruppe haben sie der AfD bislang gute Dienste geleistet.

 

"Identitäre": Heimatliebe ist nicht nur Männersache

In ihren medienwirksamen Aktionen greifen die völkisch nationalistischen»Identitären« nicht selten geschlechterpolitische Themen auf. Sie versuchen dabei einerseits Frauenrechte zu instrumentalisieren, andererseits werfen sie »den Linken« vor, nicht nur mit »Multikulti« sondern auch mit der Pluralisierung von geschlechtlichen Identitäten »Gleichmacherei« zu betreiben. Die Wissenschaftlerin Judith Götz beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit Frauen im Rechtsextremismus. Sie spricht von den »Identitären«, denn mit dem Begriff »Identitäre Bewegung« würden sich die Rechtsextremen nur größer machen wollen, als sie eigentlich sind.

Zur Gegenaktionen zur "Identitären"-Demo in Berlin am morgigen Samstag lesen Sie heute noch einen Artikel auf Belltower.News.

 

Gefälschte Briefe bringen den AfD-Landesvorstand massiv in Bedrängnis

Eine Affäre um offenbar gefälschte Behördenbriefe belastet den Landesvorstand der niedersächsischen AfD. Der parteiinterne Ärger ist so groß, dass Kritiker des AfD-Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel in der heutigen Bundesvorstandssitzung beantragen wollen, den Landesvorstand zu suspendieren und einen Zwangsverwalter einzusetzen. Hintergrund ist der Unmut in weiten Teilen der Landespartei über die schlampige und nachlässige Vorbereitung der kommenden Wahlen. Die im Februar beschlossene Landesliste für die Bundestagswahl ist immer noch nicht bei Landeswahlleiterin Ulrike Sachs eingereicht worden, inzwischen wird die Zeit für eine möglicherweise notwendige Wiederholung der Listenaufstellung knapp, denn bis 17. Juli müssen alle Unterlagen spätestens eingereicht sein. Als das Politikjournal Rundblick vorgestern über die parteiinterne Kritik an diesen Versäumnissen berichtete, warf AfD-Generalsekretär Jens Kestner dem Rundblick „Fake News“ vor und verbreitete über die AfD-Homepage zwei Schreiben der Landeswahlleiterin, in denen der Eingang bestätigt und eine Überprüfung und Unbedenklichkeit der Landesliste bescheinigt wurden. Damit sollte die angebliche Haltlosigkeit der Rundblick-Darstellung belegt werden. Wie sich jetzt herausstellt, handelt es sich bei diesen beiden Schreiben offenbar um Fälschungen. Die Landeswahlleiterin teilte am Donnerstag mit, dass sie Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Hannover eingereicht hat. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge erklärte dem Rundblick, diese Anzeige werde jetzt „sorgfältig geprüft“.

 

Risse in der bürgerlichen AfD-Fassade in Zwickau

In den Flügelkämpfen verortet sich der Zwickauer Kreisverband im gemäßigten Lager. Dabei gibt es sogar Kontakte in die Neonazi-Szene.

 

Rheinfelden: AfD-Treffen und Gegendemonstration stehen an: Eine Stadt fährt Achterbahn

Am Samstag finden in der Innenstadt ein prominentes AfD-Treffen, eine Gegendemonstration und ein Stadtfest statt. Wie konnte das passieren?

 

250 Teilnehmer bei AfD-Kundgebung mit Spitzenkandidat Gauland in Gera

Mit Reden und einer Demonstration schwört die Partei ihre Anhänger in Gera auf die Bundestagswahl ein. Gegenprotest bleibt überschaubar. „Merkel muss weg!“ und „Wir sind das Volk.“ – Unter den bekannten Sprechchören setzten sich gestern Abend die laut Polizei etwa 250 Anhänger der Partei Alternative für Deutschland vom Geraer Markt aus in Bewegung. Hier war dem Demonstrationszug eine Wahlkampfkundgebung der Partei zur anstehenden Bundestagswahl vorausgegangen.

 

Vorsitzender des Zentralrats der Muslime: "Unsere Moscheen sind nicht mehr sicher"

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagt, in Deutschland werde zu wenig gegen rechtsextreme Gewalt getan. Moscheen und Muslime seien viel zu oft das Ziel solcher Angriffe. Dabei gäbe es ein einfaches Mittel, um gerade Ersttäter abzuschrecken. Doch der Ruf nach mehr Polizeischutz verhallte meist ungehört, was auch Mazyek kritisiert: "Das verstärkt das Gefühl, Religion zweiter Klasse zu sein.“ "Eine Mehrheit der Anschläge mit rechtsradikalem Hintergrund wird von Ersttätern verübt", sagte Mazyek zur Rheinischen Post. "Die haben keine lange kriminelle Vergangenheit, sondern handeln aus Wut und meist spontan heraus." Durch Polizeistreifen vor Moscheen ließen sich diese Rechtsextremen eigentlich gut abschrecken, argumentiert Mazyek. Doch Forderungen seitens der Muslime an die Polizei nach mehr Kontrollgängen fänden schlicht keinen Widerhall.

 

Grüne Esoterik und braune Philosophie?

Die Esoterikszene ist für manche vielleicht etwas verwunderlich: Sie glaubt an Übernatürliches, predigt Liebe und fordert die Rückbesinnung auf altes Wissen. Die meisten halten sie für unpolitisch. Aber ist sie das wirklich? Bei genauem Hinsehen findet man in dieser Szene auch politische Inhalte und immer öfter sogar extremes und antisemitisches Gedankengut.

 

Polens Regierungschefin empört mit Rede in Auschwitz

Der Vorwurf ist heftig: Kritiker beschuldigen Beata Szydlo, das Gedenken an die Opfer zu instrumentalisieren. Mit Äußerungen auf einer Gedenkfeier am Vernichtungslager Auschwitz hat die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo am Mittwoch scharfe Kritik auf sich gezogen. Kritiker warfen der rechtsgerichteten Regierungschefin vor, das Gedenken an die Opfer von Auschwitz für eine Rechtfertigung der Anti-Flüchtlings-Politik ihrer Regierung zu instrumentalisieren. Szydlo hatte in ihrer Rede in Auschwitz gesagt: "In unserer turbulenten Zeit müssen wir aus Auschwitz die Lehre ziehen, dass wir alles tun müssen, die Sicherheit und das Leben unserer Bürger zu verteidigen." Mit dem Sicherheits-Argument rechtfertigt Szydlo immer wieder die Weigerung ihrer Regierung, Flüchtlinge in Polen aufzunehmen. Ihrer Argumentation zufolge stellen Flüchtlinge ein generelles Sicherheitsrisiko dar.

 

Debattenkultur: Betreiber AfD-naher Facebook-Seite droht mit "rückenbrechender Klage" gegen Berichterstattung 

Nach kritischen Berichten hat der Medienschaffende Imad Karim, im Hauptberuf Werbefilmer, hat dem Rheinneckarblog eine "rückenbrechende Klage" angekündigt und diese Ankündigung vor einigen Tagen relativiert. "Seine Anwälte", darunter der bundesweit bekannte Joachim Nikolaus Steinhöfel, hätten ihm mangels Erfolgsaussicht abgeraten. Der AfD-nahe "Regisseur" betreibt weiterhin eine Facebook-Seite namens "Deutschland - mon Amour", die menschenverachtender und rechtsradikaler Hetzte Raum gibt.

 

Clausnitz: Ehemaliger Heimleiter fühlt sich vom Landkreis gemobbt

Thomas Hetzes Vertrag wurde jüngst nicht verlängert. Seine AfD-Mitgliedschaft sei ihm negativ ausgelegt worden, sagt er. Das Landratsamt schweigt zu den Vorwürfen.

 

Österreich: SPÖ erwägt Bündnis mit islamfeindlicher FPÖ

Es war ein No-Go. 30 Jahre lang hat sich die SPÖ auf Bundesebene an ihr parteiinternes Verbot einer Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ gehalten. Das kann jetzt anders werden. Vier Monate vor der Parlamentswahl in Österreich haben die Sozialdemokraten die Weichen für eine mögliche Koalition auch mit der islamfeindlichen FPÖ gestellt. Statt des bisher für die SPÖ geltenden Verbots einer Zusammenarbeit auf Bundesebene sollen künftig ein Wertekompass und mehrere Koalitionsbedingungen die Grundlage für parteipolitische Bündnisse sein. Damit wird eine seit 30 Jahren geltende Doktrin der SPÖ im Grundsatz geändert. Die Partei hatte 1986 ein Bündnis mit der FPÖ beendet, nachdem der höchst umstrittene Jörg Haider Chef der Rechtspopulisten geworden war. Ein SPÖ-Parteitag hatte später prinzipiell eine solche Zusammenarbeit auf Bundesebene ausgeschlossen.

 

Ungarn: Jobbik - auf dem Weg zur Volkspartei?

„Die Entwicklung zur Volkspartei halte ich für einen natürlichen Reifeprozess. Eine Partei tritt aus der Pubertät ins Erwachsenenalter”, sagte Jobbik-Chef Gábor Vona im September letzten Jahres im linksliberalen Fernsehsender ATV. Heute betrachtet die Jobbik diesen Prozess als beendet. Doch ist die einstige rechtsradikale Partei heute wirklich als Volkspartei zu betrachten? Daran zweifeln noch viele.

 

Aktivist gegen Hate Speech: Der Fall des Gerald Hensel

Ein Kommunikationsprofi wollte rechten Internetseiten den Geldhahn abdrehen. Doch er löste einen Shitstorm aus und verlor seinen Job. Und nun? 

 

Heiko Maas: „Hatespeech“-Bekämpfer als Hassobjekt

Bundesjustizminister Heiko Maas veröffentlicht ein Buch gegen AfD und Pegida. Und erntet einen digitalen Shitstorm erster Güte. Wenn die besorgten Bürger am rechten Rand im „linksversifften Mainstream“ der politischen Klasse einen Lieblingsfeind ausgemacht haben, dann ist es Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Und das nicht erst, seit er für seinen Entwurf zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken als „Zensurminister“ verunglimpft wird. Schon die ersten Pegida-Proteste Ende 2014 bezeichnete er als „Schande für Deutschland“, als Parteikollegen noch das Gespräch suchten. So hatte er im Talk bei Günther Jauch im Oktober 2015 nur ein Wort für die Erfurter Kundgebungen des deutschlandfahnenhissenden AfD-Politikers Björn Höcke übrig: „Widerlich.“ Die klare Positionierung gegen Rechts brachte Maas nicht nur Respekt und Beifall, sondern auch zunehmend Morddrohungen ein, sogar eine Pistolenkugel fand er im Briefkasten seiner Privatwohnung. Sich davon einschüchtern zu lassen, würde ihm nicht in den Sinn kommen. Im Gegenteil: Jüngst und gerade rechtzeitig zur heißen Wahlkampfphase ist sein Buch „Aufstehen statt wegducken – Eine Strategie gegen Rechts“ im Piper-Verlag erschienen, das im Angesicht eines europaweiten Rechtsrucks die Zivilgesellschaft in die Pflicht nimmt: „Wir dürfen der lautstarken Minderheit nicht länger die politische Arena überlassen.“ Eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen. Doch der nachdrücklichste Beweis für die Relevanz dieser Forderung findet sich in den vernichtenden Amazon-Bewertungen zum Buch, in denen genau jene lautstarke Minderheit mit fragwürdigem Vokabular und kruden Thesen den Ton angibt.

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