NPD-Plakate in Berlin: Rassismus gegen die Bedeutungslosigkeit

Im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern versuchte sich die NPD noch als Kümmerer-Partei zu inszenieren oder nahm gar Sachthemen auf Plakate. Berliner Wählerinnen und Wähler kriegen nun den puren Krawall und Hass: Weil die NPD in Berlin bei nicht deutlich rechtsextremen Menschen kein Kreuz auf den Wahlzettel bekommt, setzt die rechtsextreme Partei im Plakatwahlkampf 2011 auf die Essenz ihrer Ideologie für den harten Kern ihrer Stammwähler: Unverschleierten Rassismus und Antisemitismus. Eine Plakatanalyse.

Von Simone Rafael

Anders als in Bundesländern, in denen die NPD sich Chancen auf Stimmen von Protest- oder Nichtwählern ausrechnet, agiert sie in Berlin schon seit Jahren vor allem für eine gefestigt rechtsextreme Stammwählerschaft. Das heißt, sie braucht hier kein Blatt vor den Mund zu nehmen und setzt auch im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf 2011 zum 18. September 2011 auf ihre "Kernkompetenzen": Antisemitismus mit NS-Bezug und aggressiven Rassismus. Das Lösungswort im Kreuzworträtsel der Wahlkampfzeitung heißt "Adolf", und auf dem am meisten diskutierten NPD-Plakat grinst Udo Voigt vom Motorrad in die Kamera unter dem Slogan "Gas geben" - bevorzugt gehängt vor dem Jüdischen Museum oder dem Holocaust-Mahnmal.

Den latent subtileren Wahlkampf mit Ängsten übernehmen bei dieser Abgeordnetenhauswahl die rechtspopulistischen Konkurrenten "Pro Berlin" und "Die Freiheit". Bei der NPD geht es im Plakatwahlkampf dagegen so zu:


Das meistdiskutierte Plakat der NPD in Berlin. Mehrere Menschen und Institutionen stellten Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) nannte die Aktion "volksverhetzend". Die Opfer der Nationalsozialisten, die in Gaskammern ermordet wurden, würden durch die Plakate verhöhnt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wollte die Plakate mit diesem Motiv abhängen. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte: Keine Volksverhetzung. Die Begründung: Mehrdeutigkeit. Es sei zwar möglich, dass die NPD Assoziationen zum Massenmord an den Juden wecken wolle; allerdings sei auch nicht auszuschließen, dass sie damit nur eine "eher volkstümliche Formulierung" der Beschleunigung politischer Entscheidungen meine. Sind Aussagen wie die Plakatmotive der NPD mehrdeutig, dürften Gerichte nicht alleine von einer Deutung ausgehen, die strafbar sei, hieß es in der Begründung der Kammer (Quelle: Spiegel online). Seitdem hat die NPD noch viel mehr davon im Stadtbild verteilt. Zynische und menschenverachtende Provokation, gerade noch im Limit des Legalen: Das hat die NPD über Jahre perfektioniert.

Quelle: Die Partei

Mit Satire reagierte "Die Partei" vom ehemaligen "Titanic"-Chefredakteur Martin Sonneborn: Sie erstellten und plakatierten - auch vor der NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick - eigene "Gas geben"-Plakate - mit dem Motiv des zerschellten VW Phaeton des FPÖ-Rechtspopulisten Jörg Haider, der bei diesem Autounfall ums Leben kam.


Auch um dieses Plakat ging es vor Gericht: Ein schwarzer Mann, eine Frau mit Kopftuch und ein Mann mit Schnurrbart werden im Stürmer-Karikaturen-Stil auf einem fliegenden Teppich porträtiert; dazu wird ihnen ein "guter Heimflug" gewünscht und damit impliziert, dass Deutschland nicht ihre Heimat sei und sie hier nicht bleiben sollten. Das Berliner Oberverwaltungsgericht sah auch dieses Motiv noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die gelte auch für "scharfe und übersteigert formulierte Aussagen". Bereits im Jahr 2008 urteilte das Oberlandesgericht München angesichts eines sehr ähnlichen Motives ebenso. Die Berliner BIG-Partei hat hier passenderweise ein Anti-Rassismus-Plakat als Kommentar geklebt. Leider verteilt sie selbst homophobe Flyer und agiert so selbst problematisch, was Diskriminierungen angeht.


Eine Variation des "Fliegenden Teppichs", garniert mit der Forderung nach einem Zuwanderungsstopp. Die "Argumentation" ist auch hier: MigrantInnen - in diesem Fall sind es Frauen mit Kopftüchern, gemeint als Musliminnen - gehören nicht nach Deutschland, sondern haben ihre Heimat anderswo auf der Welt - dorthin sollen sie zurückkehren oder von dort gar nicht erst einreisen. Was mitschwingt: Bisher könne jede und jeder einfach nach Deutschland kommen - völlig bewusst an der politischen Realität vorbei.


Rassismus mit Law-and-Order-Unterton: Hier wird, um den puren Rassismus ein wenig zu brechen, die Variante gewählt, die Abschiebung straffällig gewordener Migranten in schlechten Reimen zu fordern. Was im Plakat mitschwingt: Migranten und Migrantinnen seien eh kriminell. Die Argumentation für Sicherheit und Ordnung und gegen Kriminalität ist immer wieder eine interessante Forderung für eine Partei, die selbst viele mit der Justiz in Konflikt gekommene Mitglieder und Funktionäre hat.


Hier die Variation, die auch im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern Verwendung fand. Sie stieß in Berlin-Kreuzberg, wo dieser Aufkleber verklebt wurde, nicht auf Gegenliebe.


Auch dieser Aufkleber eine Variation der vorangegangenen Themen: Hier wird als scheinbares Gegensatzpaar "Soziale Sicherheit" vs. "Multikulti" aufgemacht. Impliziert wird also: Wenn es keine Zuwanderung und kulturelle Vielfalt gäbe, gäbe es mehr soziale Sicherheit in Deutschland. Dies knüpft an vielfach als haltlos erwiesene Argumentationen an, Zuwanderer nähmen den in Deutschland Wohnenden die Arbeitsplätze weg. Dabei ist Zuwanderung für den Wohlstand der deutschen Wirtschaft und damit auch der sozialen Sicherheit ein entscheidender Faktor.

Aber hat die NPD denn gar keine anderen Inhalte in ihrem Berliner Wahlkampf? Doch. Wenige, aber es gibt ein paar. Die betrachten wir in Teil 2 auf netz-gegen-nazis.de.

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