In Sachsen-Anhalt hat der Landtagspräsident seit dem Einzug der AfD einen Knopf, mit dem er bei Bedarf das Mikrofon der Redner abschalten kann. In Rheinland-Pfalz verweigerten Parlamentarier den AfD-Neulingen den Handschlag zur Begrüßung. Mit dem Einzug der Rechtspopulist_innen hat sich die Stimmung in den Parlamenten verändert. Seit dieser Woche gibt es eine neue Studie der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung, die unter anderem die Arbeit der AfD in den Landtagen untersucht: "Die AfD vor der Bundestagswahl 2017 – Vom Protest zur parlamentarischen Opposition".
Von Stefan Lauer
Die Stiftung arbeitet dabei eng mit dem "Göttinger Institut für Demokratieforschung" zusammen und hat bereits mehrere Studien zu den Rechtspopulisten veröffentlicht. Die letzte fand dabei im Frühjahr 2016 statt, also noch vor den großen Erfolgen der AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Studie untersucht jetzt diese drei Parlamente und analysiert, wie die Landtage und die etablierten Parteien mit der neuen rechtspopulistischen Opposition umgehen.
Einzug und Spaltung
Am 13.03.2016 wurde in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt. In Baden-Württemberg erzielte die AfD 15,1 Prozent der Stimmen, in Rheinland-Pfalz 12,6 und in Sachsen-Anhalt 24,3 Prozent. Die Landtagsabgeordneten, die mit diesen Ergebnissen in die Parlamente einzogen hatten wenig politische Erfahrung. Schnell kam es zu Konflikten. In Baden-Württemberg spaltete sich die Fraktion zunächst wegen den – schon lange im Vorfeld bekannten – antisemitischen Veröffentlichungen des AfD-Abgeordneten Wolfgang Gedeon. Ein Konflikt, der Parteichefin Frauke Petry bis heute schadet. In Rheinland-Pfalz bleibt es ruhiger. Laut der Göttinger Forscher habe die AfD-Fraktion hier "relativ früh eine stabile Organisation entwickelt und eine vergleichsweise hohe Zahl von parlamentarischen Initiativen eingebracht." Durchschnittlich 19 kleine Anfragen wurden von jedem AfD-Abgeordneten zwischen Mai 2016 und Februar 2017 gestellt. Insgesamt waren es 264.
Innenpolitik und dramatische Auftritte
Inhaltlich konzentrieren die drei Fraktionen sich dabei vor allem auf die üblichen Themen der AfD: Geflüchtete, Innen- und Sicherheitspolitik. Die Abgeordneten verfolgten laut Studie eine "robuste Law-and-Order-Politik" und versuchten sich selbst als "Anwalt der Bürger" darzustellen. Dabei schrecken sie auch nicht vor überzogener Symbolik zurück. Im Juni 2016 verließ die gesamte AfD-Fraktion unter Führung André Poggenburgs eine laufende Parlamentssitzung, um an einer Demo gegen Abwassergebühren teilzunehmen. Für Poggenburg ein "Akt zivilen Ungehorsams".
Die anderen Parteien versuchten sich abzugrenzen. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel mit dem neu installierten Knopf, um AfD-Abgeordneten notfalls das Wort entziehen zu können, in Rheinland-Pfalz mit der Verweigerung der Begrüßung. Die Verfasser der Studie sehen das kritisch: "Versuche der formalen Ausgrenzung sowie der politischen Frontenbildung münden allzu leicht im – eben von der AfD reklamierten – Szenario der 'Kartellparteien'".
Selbstabschaffung durch Erfolg
Allerdings kann die AfD mit ihrem Vorgehen auch indirekte politische Erfolge verbuchen. Die Forscher sprechen hier von einem "AfD-Effekt". Auf Landes- und auf Bundesebene wird die Rhetorik in Sachen Asyl und Migrationspolitik der CDU immer härter. Das Asylrecht wird immer weiter verschärft, das Burka-Verbot ist wieder im Gespräch und auch die doppelte Staatsbürgerschaft soll nach dem Willen der Unionsparteien "die absolute Ausnahme bleiben." Eigentlich ein politischer Erfolg der Stimmungsmache, die von der AfD betrieben wird, aber auch ein mögliche Gefahr für die Rechtspopulist_innen. Je weiter die CDU/CSU nach rechts rückt, desto weniger Platz kann die AfD für sich einnehmen, ohne sich noch stärker als bisher an rechtsextreme Positionen anzunähern.
Damit hängt auch die Frage zusammen, wie die Partei sich selbst definiert. Beim letzten Parteitag in Köln wurde über Frauke Petrys Antrag, die AfD perspektivisch regierungsfähig zu machen, nicht mal abgestimmt. Sollte die Partei sich dahingehend umentscheiden, könnte sich das in den Augen der Wähler diskreditieren. Schießt sie sich aber auf permanente Opposition ein, muss sie fast zwangsläufig immer radikalere Forderungen stellen, was wiederum dazu führen könnte, dass sich weitere Wähler abwenden.
Die Forscher befinden aber auch positives für die Demokratie. Die AfD hat den demokratischen Diskurs nur durch ihre Anwesenheit belebt. Seit dem Einzug der AfD wird in den Landesparlamenten "schärfer, aggressiver, aber auch grundsätzlicher und normativer debattiert. Die durch sie angestoßene Polarisierung führt fraglos auch zu einer Vitalisierung und Politisierung der parlamentarischen Auseinandersetzung. Gerade weil die AfD rote Linien der politischen Kultur demonstrativ überschreitet, müssen weltanschauliche Grundlagen argumentativ vergewissert und erneut legitimiert werden."