Neonazistische Hetze und Lebenshilfe: Das Thiazi-Forum

Neben der eher journalistisch aufgezogenen Neonazi-Plattform „Altermedia“ ist das „Thiazi Forum“ einer der wichtigsten Treffpunkte für die deutschsprachige extreme Rechte im Internet. Auf der selbst ernannten „größten Germanischen Weltnetzgemeinschaft“ diskutieren rund 21.000 Mitglieder in über 600 Diskussionsforen zu verschiedenen Themen des rechtsextremen und gesamtgesellschaftlichen Lebens. Bisher übrigens unbehelligt von der Justiz: Die Seite wird in den USA von einem rechtsextremen Server-Betreibern unterhalten, auch wenn die Redaktion und Moderation offenkundig in Deutschland beheimatet ist. Das macht Sanktionen gegen die Seite nahezu unmöglich: In den USA sind rechtsextreme Inhalte von der Meinungsfreiheit geschützt. Deshalb bleibt, wenn Server von Hass-Webseiten in den USA stehen, nur das freundliche appellieren an die Betreibenden, rechtsextreme Inhalte zu löschen – was bei Nazi-Betreibern eine entsprechend aussichtlose Bitte ist.

von Olga Wendtke

Um mehr über diese Internetseite zu erfahren, melde ich mich dort an. Ein fiktiver Benutzername ist aus Zahlencodes uns Szenebegriffen schnell ausgedacht. Um ein Profil anlegen zu können, soll ich verschiedene Daten über meine Person angeben. Als erstes soll ich festlegen, was mein ethnisches Bild, mein Stammesbild oder meine kulturelle, linguistische Gruppe ist, womit ich meine Wurzeln und mein Erbe beschreibe. Ich kann aus verschiedenen Antwortmöglichkeiten wählen, unter anderem „Germanic“. Ich gebe weiter Auskunft über meinen angeblichen Wohnort, meinen Beziehungsstatus und meine Interessen. Nach fünf Minuten aktiviere ich mein Profil und bekomme meine erste Nachricht: „Willkommen in unserer Germanischen Weltnetzgemeinschaft!“

„Bitte wähle die Unterrasse, von der du ausgehst, dazuzugehören.“

Ich klicke mich durch das Forum und bearbeite im „Kontrollzentrum“ weiter mein Profil. Ich war schon schockiert über die Frage nach meinen „Wurzeln“ und meinem „Stammesbild“. Aber als ich dann noch meine „Unterrasse“ wählen soll, von der ich ausgehe, dazuzugehören, bin ich von dieser derart offenen rassistischen Auslegung erschüttert. Um in den verschiedenen Foren mit zu diskutieren, kann ich mein Benutzerbild ändern. Nutzer/innen können unter verschiedene Runen, Bildern von „Personalities& historical figures“ wie Kant und Hegel sowie aus Schwarz-weiß- Fotos von Frauen und Familien wählen. Es sind Fotos von Familien, wie sie in der NS- Zeit propagiert wurden. Hiermit werden verschiedene Neonazitypen bedient: ob heidnischer Nazi, Neurechter Intellektueller oder Neonazihausfrau mit Kindern.

Alles was das Neonaziherz begehrt

Das breite Themenspektrum zeigt sich auch in den Foren. Unter „Aktivismus & Veranstaltungen“ werden Demonstrationen vor- und nachbereitet. Hier werden bestehende Blogeinträge gepostet und persönliche Erfahrungen ausgetauscht. Explizit politische Inhalte werden in den Unterforen zu dem Thema „Politische Diskussionen“ angesprochen. Im Themenbereich „Innenpolitik“ werden „Anleitung zur legalen Holocaustleugnung“ oder aktuelle Diskussionen um die Präsidentschaftskandidatur angesprochen. Unter „Außenpolitik“ finden Mitglieder unter anderem Diskussionen über „Juden in der US- Regierung“ . Jede/r Nutzer/in hat die Möglichkeit, eigene Fragen zur Diskussion zu stellen, die danach diskutiert werden. So fragt am 08.09.2007 der Nutzer „Nordischer Engel“: „Warum werden wir gezwungen, Homosexualität zu akzeptieren?“ Auch fünf Jahre und 1246 Kommentare später wird dieser Beitrag noch rege unter den Nutzer/innen diskutiert. Antisemitische und geschichtsrevisionistische Inhalte werden unter anderem in dem Thread „Holocaust: Betrug des 20. Jahrhunderts?“ ausgetauscht. Auch die Themen Naturschutz und Anthropologie kommen nicht zu kurz. Im Anthropologie Thread werden unter dem Thema „ Jüdische Rassenköpfe“ antisemitische Bilder und Hetzschriften ausgetauscht. Der Nutzer „Marseille“ würde sich in der „realen Welt“ strafbar machen, wenn er damit werben würde, dass die Broschüre "Der Untermensch", herausgegeben vom SS-Hauptamt, bald online einsehbar ist. „Thiazi“ bietet ein antisemitisches Denken eine Plattform. Mit Fotos, die man eigentlich aus dem Geschichtsbuch unter dem Thema „NS- Ideologie“ findet, werden verschiedene „Menschenrassen“ propagiert. In der Galerie werden persönliche Fotos der Nutzer/innen unter der Überschrift „Neues von mir & meiner freundin“ oder „Mein Opa bei der Wehrmacht“ gepostet. Hier werden auch die neuesten Tätowierungen der „Weltnetzgemeinschaft“ präsentiert – auch solche, für die der Träger oder die Trägerin auf der Straße eine saftige Strafe kassieren würde.

Aber auch scheinbar alltägliche Themen finden Anklang. Unter dem Oberbegriff „Heimwerker“ werden „ Hilfestellungen und Problemlösungen für Klein und Groß“ angeboten. Es geht über das Automobil bis zur Gartengestaltung. Der Nutzer „Robbenspanner“ möchte sein Badezimmer neu renovieren und findet in der rassistischen und neonazistischen Community Hilfe bei der Frage nach dem richtigen Werkzeug. In einem geschlossenen Bereich, der erst für angemeldete Personen ab 18 Jahren zugänglich ist, wird sich über die "die schönste Nebensache der Welt" ausgetauscht. Auch die „Kontaktbörse“ ist nur für angemeldete Personen einsehbar. Beide Bereiche sind nur für Mitglieder sichtbar, die einen gewissen „Renommee- Wert“ erreicht haben. Dieser Wert wird von anderen Mitgliedern beeinflusst, da diese Punkte für Kommentare geben können. Da ich keine Lust habe durch rassistische und völkische Kommentare zu „punkten“ bleibt mir dieser Teil also verwehrt.

Sämtliche Spektren der Neonaziszene nehmen kostenloses Angebot an

Das Thiazi-Forum hat es sich zur Aufgabe gemacht, das „germanische Erbe“, die „Entwicklung eines allgermanischen Bewusstseins“ „ sowie die „Verteidigung bzw. Wiederherstellung der germanischen Leitkultur in allen germanischen Staaten, Gemeinschaften und Niederlassungen“ zu unterstützen. Dieses rassistische und nationalistische Ziel wird nicht hinter vorgehaltener Hand verfolgt. Antisemitische, rassistische, sexistische und homophobe Ansichten werden offen und ohne jegliche Hemmungen innerhalb der Community ausgetauscht. Das niedrigschwellige, kostenlos Angebot wird von sämtlichen Spektren der Neonazi-Szene genutzt.

Eine Moderatorin des Neonaziportal soll eine 10-fache Mutter aus Mannheim sein. Anders als bei „Altermedia“, dem größten neonazistischen Internetportal, hat die Staatsanwaltschaft aber wegen der schwierigen Rechtslage noch keine Schritte wegen antisemitischen und volksverhetzenden Äußerungen tätigen können. Jugendschutz.net hat festgestellt, dass „das Thiazi.net das größte Szeneinternetforum ist“, konnte aber auch noch nicht bewirken, diese Hetzseite unzugänglich zu machen.“ Und so können Hobbyhandwerker, Autonome Nationalisten und Hausfrauen weiter ihre antisemitischen und rassistischen Ideologien austauschen.

Ergänzung vom 14.06.2012

Am 14.06.2012 kommt es zu polizeilichen Maßnahmen gegen 26 Verdächtige wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Verbreitung volksverhetzender Medien, besonders Musikdateien. Vier Menschen sind bereits verhaftet, darunter eine 30-jährige Hausfrau Mutter aus Baden-Württemberg, die gemeinsam mit einem 30-jährigen Erzieher aus Mecklenburg-Vorpommern als Hauptverantwortliche für die Website gilt.
| Durchsuchungen bei Verantwortlichen des rechtsextremen Thiazi-Forums

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