Mainstream-Rapper verbreiten nationalistische Thesen, Nazi-HipHopper sampeln Goebbels. Wie das die Szene verändert, beschreibt QuietStorm, HipHop-Künstler und Aktivist gegen Rechtsextremismus, im Interview.
Tibor Sturm nennt sich als HipHop-Künstler QuietStorm und engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus und Rassismus, unter anderem als Teil der Brothers Keepers und mit Seminaren in Schulen. Mit ihm sprachen Simone Rafael und Naomi Ibrahim.
Wie zeigt sich Rechtsextremismus im HipHop?
Rechte Thesen werden derzeit im HipHop immer populärer. Mainstream-Rapper wie Fler verbreiten als Hauptaussage nationalistisches und rassistisches Gefasel über weiße Haut, blaue Augen und grüne Pässe und ist damit enorm erfolgreich. Die Kids, die das hören, haben den Eindruck, dass solche Einstellungen okay sind, weil sie die Lieder auch auf MTV sehen, und werden motiviert, nach mehr HipHop mit rechtsextremen Texten zu suchen. Im Internet sind solche Tracks jederzeit und für alle verfügbar.
Ist Fler rechtsextrem? Und was ist mit anderen HipHoppern, die rechtsextreme Texte fabrizieren?
Nein, wie ich ihn kennengelernt habe – und auch andere Mainstream-Rapper, die mit rechtsextremen Themen und Symbolen kokettieren – ist er nicht rechtsextrem, sondern erfüllte nur die Vorgaben seiner Plattenfirma Aggro Berlin, die ihr Geld damit verdient, immer massivere Skandale zu inszenieren. Er selbst durchschaut nicht, was er damit anrichtet, wenn er singt, er wäre „stolz und deutsch“. Von B-Tight weiß ich, dass ihm auf Konzerten selbst ganz anders wird, wenn ihm 2.000 weiße Kids hasserfüllt vom „Neger in Dir“ entgegen brüllen.
Es gibt aber auch richtig rechtsextreme HipHopper, die von ihrer Botschaft überzeugt sind. Deren Werke sind allerdings hauptsächlich im Internet zu bekommen, die haben meist keine Plattenfirma. Der bekannteste ist King Bock, dessen zweites Album „Walter Steinar Königssee“ gerade von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde. Der hat in seinen Texten klare NS-Bezüge und sampelt auch Goebbels-Zitate in seine Musik.
Wie begründen diese Menschen eigentlich, dass sie Rassismus und Neonazismus in eine Subkultur tragen, die ursprünglich schwarz geprägt ist?
Ach, das ist leicht, die betrachten das einfach geschichtlich: Die Schwarzen in den USA haben mit HipHop gegen ihre Ghettoisierung und Ohnmacht demonstriert, und die deutschen Rechtsextremen sehen sich in der deutschen Gesellschaft auch ghettoisiert und wollen von der maroden Regierung befreit werden. Darüber hinaus gibt es natürlich den praktischen Faktor: HipHop ist inzwischen Mainstream-Musik mit riesigen Verkaufszahlen. Deshalb bietet die rechtsextreme Szene auch hier eine entsprechende subkulturelle Ausprägung an: Neonazistischen Rap, eine eigene Kleidermarke wie „Rizist“ (was sich auf „Rassist“ bezieht). Du kannst Nazi werden, aber bei Deinem Style bleiben.
Was richten rechtsextreme, neonazistische, antisemitische Texte in der Szene an?
Gerade wenn bekanntere Künstler solche Texte rappen, hat das einen enormen Legitimierungseffekt. Bei Rappern der Nation of Islam, dem frühen 50 Cent oder Bushido finden sich zum Beispiel oft antisemitische Äußerungen. Dann denken die Fans: Wenn der das sagt, sag ich das auch. Über das Internet verbreiten sich gerade umstrittene oder verbotene Tracks extrem schnell und jenseits jeglicher Kontrollierbarkeit. Und je mehr Lieder jemand findet, die in eine solche Richtung gehen, desto mehr fühlt er sich bestärkt.
Dazu kommt, dass Plattenfirmen im Moment extrem auf Skandale aller Art setzen. „Conscious Rap“ mit inhaltlich schlauen Texten findest Du in vielen Kellern und Proberäumen, aber derzeit kaum in den Charts oder im Bewusstsein.
Hat sich die Szene dadurch verändert?
Als noch Acts wie Freundeskreis oder Blumentopf in der Szene Stars waren, dachten die Nachwuchsrapper im Jugendzentrum noch nicht, „Ich fick Deine Mutter“ gehört zum Rap-Standard-Repertoire.
Aber warum sind gewaltverherrlichende, sexistische, rassistische Rap-Texte so erfolgreich?
Ich glaube, es spricht eine gewisse Gaffer-Mentalität daraus: Alle regen sich auf, hören aber immer und immer wieder zu. Und bietet solche Musik ein Ausbrechen aus dem eigenen, engen Horizont. Der kleine Bankazubi denkt sich vielleicht die Beschimpfungen, die sein HipHop-Star sich auf der Bühne auszusprechen traut. Die mediale Öffentlichkeit tut ein Übriges: Skandale bringen Schlagzeilen, Schlagzeilen bringen Verkaufszahlen, und den Plattenfirmen geht es am Ende immer ums Geld.
Hast Du eine Idee, warum oft auch Jugendliche mit Migrationshintergrund rassistische Musik wie Fler hören, die sich eigentlich gegen sie selbst richtet?
Wenn ich sie frage, sagen sie meist: Der Sound gefällt mir. Fler hört man doch überall, der ist doch gar nicht rechts. Aber ich glaube, es ist auch der Geusen-Effekt: Wenn ich mir die schlimmsten Beleidigungen, die ich zu hören kriege, selbst aneigne, ist es nicht mehr so schlimm und ich bleibe Herr der Lage. Wie Schwarze, die sich „Nigger“ nennen.
Was meinst Du, kann man diesem erschreckenden Trend zu mehr Menschenfeindlichkeit im HipHop entgegen setzen?
Das ist schwer. Verbote sind in Zeiten des Internet kaum mehr durchzusetzen, werden auch nicht durchgesetzt und beenden ja auch höchstens das Problem der leichten Kontaktaufnahme. Plattenfirmen könnten musikalisch etwas dagegen setzen, kredible HipHop-Künstler mit positiven Botschaften fördern. Aber auch selbst dann ist es schwer in einer Zeit, in der vielen Eltern nicht nur egal ist, welche Musik ihre Kinder hören, sondern auch, was sie sonst tun.