Zwei Tage nachdem die ersten Flüchtlinge in das neue Heim in Hoyerswerda gezogen waren, wurde ein marokkanischer Bewohner auf dem Marktplatz der Kleinstadt tätlich angegriffen. Die Polizei ermittelt nun gegen einen 37-jährigen Deutschen, den der Betroffene noch am Tatort mit seinem Handy fotografieren konnte.
Von Laura Piotrowski
Etwa 60 Menschen versammelten sich am vergangenen Samstag vor dem Flüchtlingsheim in Hoyerswerda, sogar der Pressesprecher der Stadt war gekommen. Die Unterkunft wurde erst vor kurzem offiziell eingeweiht, am vergangenen Mittwoch zogen die ersten 36 Bewohner in das noch unfertige Haus ein. Zwei Tage später war Khalid A. aus Marokko auf dem Marktplatz der Stadt unterwegs, als ein deutscher Mann mit dem Fahrrad an ihm vorbei fuhr. Der Mann verpasste ihm zunächst einen Schlag auf den Hinterkopf, kehrte dann zurück und versetzte ihm einen zweiten Schlag in die Nierengegend. Noch am Tatort konnte der Angegriffene geistesgegenwärtig sein Handy zücken und fotografierte den Angreifer, so dass die Polizei diesen nach kurzer Zeit identifizieren konnte. Laut Polizeiangaben ist der Mann bekannt, gehöre aber nicht zu den ortsansässigen Neonazis. Trotzdem ermittelt nun der Staatsschutz.
Heimbewohner sind seit dem Angriff verunsichert
Zur Kundgebungen gesellten sich auch einige Bewohner des Flüchtlingsheims, um mit den Anwesenden zu sprechen. Eine Gruppe Pakistaner berichtete, dass seit ihrem Einzug jeden Abend ein Auto vor dem Heim hielt, die Insassen "Ausländer raus!" riefen und weiterfuhren. Auch der junge Marokkaner Khalid kommt mit einigen Freunden vorbei, im Gespräch mit Belltower.news erzählte er von dem Angriff auf ihn. Er berichtete zudem, dass die Polizei entschied, ihn nicht ins Krankenhaus zu bringen, so dass er nun kein ärztliches Attest für seine erlittenen Verletzungen hat. Ihn und seine Freunde hat der Angriff verunsichert. Sie sind noch neu in der Stadt, haben vorher zwei Monate in der Erstaufnahmestelle in Chemnitz gelebt. Das Leben dort hat ihnen besser gefallen. Sie denken, dass es in Hoyerswerda viele gute, aber auch schlechte Menschen gibt. Aber ihnen fehlen die Möglichkeiten zur Verständigung, nicht mal einen Café könne man sich bestellen. Auch vermissen sie Freizeitangebote, im Heim gibt es keine Sporteinrichtungen oder Fernseher. Da Asylsuchende anfangs nicht arbeiten und nur selten Schulen besuchen dürfen, sind die Tage lang.
Hoyerswerda will diesmal Vieles besser machen als 1991
Pfarrer Jörg Michel von der evangelischen Gemeinde betreut derzeit das Heim und berichtete vom überstürzten Einzug der Flüchtlinge: "Die Heimleitung wurde vergangenen Mittwoch morgen angerufen und eine Stunde später war der Bus mit den ersten Bewohnern da. Überall im Heim ist Staub, zwei Etagen sind noch gar nicht freigegeben. Die Heimleitung ist mit dem Problemfall sichtlich überfordert, man muss noch viel lernen." Aber gemeinsam mit der Willkommensinitiative “Hoyerswerda hilft mit Herz” organisiert der Geistliche nun Sport- und Sprachangebote, außerdem soll es Alltagslotsen geben, die Heimbewohner auf ihren alltäglichen Wegen zum Arzt, ins Amt oder beim Einkaufen begleiten und ihnen die Stadt zeigen. In den nächsten Tagen ist ein großes Willkommensfest geplant. Hoyerswerda will diesmal Vieles besser machen, nachdem das letzte Flüchtlingsheim in Folge der tagelangen Ausschreitungen 1991 geschlossen und die Bewohner aus der Stadt gebracht werden mussten. Der private Heimbetreiber sei offen für die Angebote der Initiative, auch die Kooperation mit der Stadtverwaltung laufe gut.
Nach dem Angriff bleibt der Lauf der Ermittlungen abzuwarten. Mathias Buchner von der Initiative zur Erinnerung an das Pogrom 1991 erklärte gegenüber Netz-gegen-nazis.de: "Dass der junge Mann den Täter sofort abfotografiert hat, war eine mutige Reaktion. Wir fordern von der Polizei nun genauso entschlossen gegen den Schläger vorzugehen."