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Monatsüberblick Dezember 2015: Rassismus und Feindlichkeit gegen Flüchtlinge

Darin: Sächsische Verhältnisse: Wenn die Polizei Willkommensfeste als Provokation straft, wenn Eltern Busse für Flüchtlinge fordern, damit ihre Kinder die nicht treffen, wenn Deutsch-Lehrer_innen, Bürgermeister und Journalist_innen bedroht werden und Siebtklässler Flüchtlingsmädchen krankenhausreif mobben. 2015 gab es 789 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte bis November, sagt das BKA im Dezember. Rechte Frauen heizen die Stimmung gegen Flüchtlinge an, und der Presse glauben in der Flüchtlingsberichterstattung immer weniger Menschen - Pegida wirkt.

Zusammengestellt von Simone Rafael

Abteilung "Sächsische Verhältnisse"

In Sachsen passieren aktuell nicht nur besonders viele flüchtlingsfeindliche Straftaten - auch gesamtgesellschaftlich ist der Rassismus stark verankert. Im Dezember zeigten dies die folgenden Beispiele:

 

Gewalt gegen Flüchtlinge

 

Was sagen Expert_innen?

ZEIT ONLINE: Was sind das für Leute, die Flüchtlingsunterkünfte angreifen?
Sozialpsychologe Andreas Zick, Uni Bielefeld: Da sind zunächst Rechtsextreme. Sie begehen die Taten vor allem in Gruppen, beziehungsweise einzelne Täter begehen die Taten für die Gruppe oder Bewegung. Solche auf Terror ausgerichteten Täter interessiert die Meinung der Bevölkerung weniger. Sie brauchen ein eigenes Milieu, das sie unterstützt. Allerdings nimmt dort, wo sich rechtsextreme Gruppen festgesetzt haben, die Zivilcourage ab und verschiebt sich die Wahrnehmung davon, was "normal" ist. Neu ist, dass die Sicherheitsbehörden beobachten, dass inzwischen auch bisher unbescholtene oder nicht einem extremistischen Milieu zugeordnete Personen Asylbewerberunterkünfte angreifen. Bei diesen Tätern spielt eine wesentliche Rolle, ob sie sich in ihrer Haltung von ihrer Umwelt bestätigt fühlen. Offensichtlich ist die bislang eher aus dem rechtsextremen Spektrum bekannte Propaganda, man würde die Volksmeinung vollstrecken, in die Mitte gerückt. In unserer jüngsten repräsentativen Umfragestudie aus dem vergangenen Jahr antwortet fast jeder fünfte Befragte, dass die Wut der Bürger auf die Zuwanderung verständlich ist.

Deutschlandfunk: Extremismus, der sich selbst nicht extremistisch findet. Wie kann es sein, dass man Mordanschläge auf Flüchtlinge verübt und gleichzeitig nichts gegen Fremde haben will?
Extremismus-Forscher Hajo Funke, FU Berlin: Ja, das ist ja nicht glaubwürdig. Es war ja so, das ist ja sehr gut rekonstruiert worden, dass sie sich hineingesteigert haben. Sie sind über die hergezogen im Chat. Sie haben "Adolf Hitler, Sieg heil" geschrieben und Hakenkreuze ausgetauscht und haben dann an dem Abend sich betrunken und in einer Art kollektivem Rausch mit Rockliedern der Band "Kategorie C" zugeschlagen, und zwar zu dritt. Dass sie danach im Gefängnis sitzend alles relativieren wollen, das kann man fast verstehen. Aber die Tatsache selbst, dass sie sich zu einer rechtsextremen oder mit Neonazi-Einspielung, Adolf Hitler und dergleichen Szene entwickelt haben in dieser Nacht, ist unbestreitbar, und wenn sie das bestreiten, dann wissen sie nicht, was sie getan haben. Es ist ein Akutverlust humaner Orientierung.

FOCUS Online: Was sind die entscheidenden Faktoren dafür, dass jemand, der so denkt, tatsächlich eine Straftat begeht?
Rechsextremismus-Experte Matthias Quent, Uni Jena: Man braucht grundsätzlich drei Dinge, um terroristische Gewalttaten zu verüben: Eine Ideologie, eine unterstützende Gruppe und ein Individuum, das zu den Taten bereit ist. Ideologie und Individuen gibt es schon lange, aber das wachsende unterstützende Umfeld ist derzeit der entscheidende Faktor für den rasanten Anstieg rechter Gewalt.
FOCUS Online: Was bedeutet das für rechtextremistisch motivierte Vorfälle?
Quent: Grundsätzlich denke ich, wird die Gewalt mit der Umverteilung der Flüchtlinge auf ländliche Gebiete in Zukunft eher noch zunehmen. Vor allem in den ländlichen Gegenden keimt das rechte Gedankengut. Außerdem gibt es dann weniger Schutzmaßnahmen für die Flüchtlinge als in den zentralen Aufnahmelagern und Sammelunterkünften.

 

Rechte Frauen: "Feminismus" gegen Flüchtlinge

Frauke Petry und Marine Le Pen geben vor, die Gesellschaft vor dem muslimischen Mann schützen zu wollen. Was haben die Populistinnen mit Frauenrechten zu tun? Wie sie da so sitzt. Die Ellenbogen ausfährt, anderen ins Wort fällt, laut ihre Position verteidigt, jedes Gegenargument mit einem Augenrollen und gönnerhaftem Lächeln vom Tisch fegt. Der Auftritt von AfD-Sprecherin Frauke Petry bei hart aber fair könnte gut und gerne als Lehrvideo für eines der viele Seminare eingesetzt werden, die seit einiger Zeit Konjunktur haben und in etwa solche Titel tragen: "Wie Frauen sich im Beruf durchsetzen" oder "Gekonntes Auftreten. Wie Frauen sprechen müssen, damit Männer sie verstehen". Auch die beiden Le-Pen-Frauen, Marine und ihre Nichte Marion, sind Frontfrauen. Um ihre Vision eines nationalistischen Frankreichs zu verwirklichen, haben sie auch nicht davor zurückgeschreckt, mit engsten Familienmitgliedern zu brechen: Familienoberhaupt Jean-Marie wurde im August dieses Jahres kurzerhand aus der von ihm gegründeten Partei ausgeschlossen, um potenzielle Wähler der bürgerlicheren Schichten nicht durch seine antisemitische Parolen zu verschrecken. Ist das nicht ein Widerspruch? Selbstbewusste Weiblichkeit, die Rassismus, Antisemitismus, Menschenhass und rechtspopulistische Parolen verbreitet? Und ist das nun der schon öfter beschworene Feminismus von rechts?

 

Allensbach-Studie: Mehrheit fühlt sich über Flüchtlinge einseitig informiert

Eine Mehrheit der Deutschen ist der Ansicht, dass die Medien kein zutreffendes Bild der Flüchtlinge zeichnen, so eine Allensbach-Umfrage. 

  • 39 Prozent der erwachsenen Bevölkerung finden, an dem von Pegida propagierten Vorwurf der „Lügenpresse“ sei etwas dran, Medien verdrehten Sachverhalte und verheimlichten wesentliche Informationen; in Ostdeutschland halten sogar 44 Prozent diesen Vorwurf für zutreffend. 
  • Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung halten die Berichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und der Tagespresse im Allgemeinen für zuverlässig  - ein Drittel also nicht. 
  • Das Urteil variiert jedoch mit dem Thema. So wird die Berichterstattung der letzten Monate über die Flüchtlingssituation überwiegend kritisch bewertet. 42 Prozent der Bürger sind mit der Berichterstattung zufrieden, 51 Prozent in Teilen oder gänzlich unzufrieden.
  • Überdurchschnittlich kritisch äußern sich hier die politisch interessierten Bevölkerungskreise, von denen 39 Prozent eine positive Bilanz ziehen, während 58 Prozent Kritik üben. 
  • Viele hatten in den letzten Monaten den Eindruck, die Berichte seien zu einseitig. Im Oktober waren davon 47 Prozent der Bevölkerung überzeugt, jetzt noch 41 Prozent. Allmählich wächst hier wieder das Vertrauen, ausgewogen informiert zu werden. 
  • Nach wie vor konstatiert die Mehrheit jedoch Mängel: So sind 53 Prozent überzeugt, dass die Zusammensetzung der Flüchtlinge eine andere ist, als aufgrund insbesondere vieler Bilder zu vermuten ist.
  • http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/allensbach-umfrage-zu-medienberichterstattung-in-fluechtlingskrise-13967959-p2.html

 

Was tun?

 

Neues Bündnis: "einprozent.de"

Organisatoren der Proteste in Lichtenau bekennen sich zu bundesweiter Bewegung - Wissenschaftler ordnet Initiative rechtem Spektrum zu. Seit acht Wochen gehen hunderte Bürger jeden Freitag auf die Straße, um gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im ehemaligen Penny-Markt zu protestieren. Am vergangenen Freitag gaben die Organisatoren bekannt, dass sie das Bündnis "Einprozent.de" unterstützen. "Freie Presse" gibt Antworten auf Fragen zu dieser bundesweiten Bewegung und der aktuellen Situation in Lichtenau. Wofür steht Einprozent.de? Das Projekt ist von Asylkritikern ins Leben gerufen worden, mit dem sie juristisch, medial und politisch gegen die ihrer Meinung nach falsche Flüchtlingspolitik in Deutschland etwas unternehmen wollen. Ein Prozent der Deutschen soll mobilisiert werden. Deshalb wird über das Internet Geld gesammelt, um asylkritische Demonstrationen zu filmen, die Proteste zu vernetzen und Verfassungsbeschwerde einzureichen.

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