Nach der brutalen Ermordung der 12-Jährigen Franziska aus Möckenlohe (Landkreis Eichstätt) hat ein von der Polizei auf der Flucht verhafteter Mann ein Geständnis abgelegt. Erste Recherchen zeigen: bei dem mutmaßlichen Mörder handelt es sich um einen 26-jährigen Neonazi aus Neuburg.
Von Robert Andreasch, a.i.d.a.-Archiv
Das Verbrechen:
Am Samstagnachmittag hielt sich die zwölfjährige Siebtklässlerin Franziska mit einer Freundin beim Skatepark in Nassenfels auf. Doch die Mädchen fühlten sich von einem Mann in einem grünen Pkw verfolgt und bedroht. Die engagierte Fußballerin und Schulsanitäterin Franziska schrieb von ihrem Handy aus über diese Beobachtung und Befürchtung, dann machten sich die Mädchen auf den Heimweg in ihre Heimatdörfer. Da Franziska nicht zuhause ankam, startete die Polizei eine große Suchaktion. Am Sonntag Nachmittag gegen 16.30 Uhr fanden zwei Fischer die Leiche des Mädchens im Wasser am Südufer des Ratheiweihers, eines Kiesweihers zwischen Neuburg und Karlshuld.
Der Fundort der Leiche, die massive Verletzungen aufwies, ist nach ersten Ermittlungsergebnissen der Polizei wohl auch der Tatort gewesen. Nach weiteren Zeugenaussagen fahndete die Polizei dann am Sonntagabend nach einem grünen Toyota, der im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gestohlen worden war. Gegen 20.50 Uhr widersetzte sich der Fahrer dieses gesuchten Wagens auf der Bundesstraße 16 südlich von Neuburg einer Polizeikontrolle und versuchte, mit einer Geschwindigkleit von 200 km/h zu flüchten. Er konnte jedoch nach einer Verfolgungsjagd gegen 21.10 Uhr zwischen Donauwörth und Auchsesheim (im Landkreis Donau-Ries) durch die Polizei gestellt werden. Am Montagnachmittag wurde gegen den 26-jährigen Mann Haftbefehl wegen Verdachts des Mordes erlassen. In seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung machte der Verhaftete Angaben zur Sache und legte ein Teilgeständnis ab. Der 26-Jährige wurde in eine Haftanstalt überstellt.
Der rechte Hintergrund des mutmaßlichen Mörders:
Die kurze Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt vom 17. Februar 2014 enthält keinerlei Hinweise auf den Hintergrund des mutmaßlichen Mörders, der nach mehreren Medienberichten wegen Körperverletzungs- und Sexualdelikten vorbestraft sein soll. Erste Recherchen belegen jedoch: es handelt sich um einen Neonazi und NPD-Sympathisanten.
In seinem facebook-Profil hält der aus Egweil stammende und in Neuburg lebende 26-jährige Stefan B. mit seiner rechten, frauenverachtenden und gewalttätigen Einstellung nicht hinterm Berg. Unter anderem hat er einen sexistischen Song des Rappers "Frauenarzt" ("Komm Mäuschen, hab keine Angst, komm mit mir (…) Ich habe ziemlich dicke Eier und nen steifen harten Schwanz, Ich hab ein stehen, Lass Dich gehen, Sag warum bist du so frigide? Warum bist du so verklemmt? Warum bist du so gehemmt? Meine Latte in der Hose, Die will gern mal mit dir reden, Also mach den Mund weit auf, Dann kann ich sie dir hinein schieben" [und noch schlimmere Zeilen, Anm. R. A.]) sowie einen "Böhse Onkelz"-Liedtext ("Narben") gepostet. Zu sehen ist auch ein Foto, bei dem ein großes Messer mit Holzgriff in einer großen Schnittwunde, das heißt in einem menschlichen Leib steckt.
Außerdem hat B. ein Bild von einem Revolver veröffentlicht, versehen mit der Textzeile "HASS und VERGELTUNG haben WIR uns GESCHWOREN". Tatsächlich stammt die Phrase aus einem längeren Text, vollständig heißt die Passage: "Deutschland in deiner schwärzesten Stunde, Du bist verlassen, doch nicht allein; Mit Dir sind treue Kameraden im Bunde; Der morgige Tag wird unser sein; Haß und Vergeltung haben wir uns geschworen; Unsere Nerven, die wurden zu Stein; Doch tief in dem Stein, da brennt noch ein Feuer; Die Flamme der Freiheit lodert und raucht". Es handelt sich bei diesen Zeilen um den Liedtext des Songs "Vergeltung" der deutschen Neonaziband "Landser".
"Geliked" hat Stefan B. neben Seiten wie "Finger weg von unseren Kindern" rechte oder rechtsaffine Facebook-Seiten, z. B. die offizielle Facebook-Präsenz der NPD, das "Hooligan Streetwear"-Klamottenlabel und Verschwörungstheoretisches, z. B. eine Seite der "Reichsbürger" in schwarz weiß-rot oder den "Widerstand gegen die NWO" ["New World Order", Anmerkung R. A.]..
Im virtuellen Raum ist Stefan B. Mitglied der großen antimuslimisch-rassistischen Gruppe "Patrioten Österreichs". Da wird für den Wiener Burschenschafterball ("Akademikerball") geworben und gegen die EU, gegen "Dreckspack", "Abschaum" und "Asylschmarotzer" gewettert ("irgendwann gibts richtig Fremdenhass und das Volk protestiert dagegen. Und dann sind Alle plötzlich Nazis! Jagt die Sozialschmarotzer und auch gleich unsere Volksverräter aus dem Land"), so mancher Gewaltphantasie freier Lauf gelassen ("nutzt endlich die Vielzahl unserer guten DEUTSCHEN Bäume !!!") sowie für die vom Schweizer Holocaustleugner Bernhard Schaub gegründete "Europäische Aktion" Werbung gemacht.
Mit der bayerischen und bundesweiten Neonaziszene vernetzt:
Mit 27 Gleichgesinnten bildete der nun inhaftierte Ex-Türsteher Stefan B. zudem seit Mitte Januar eine von ihm gegründete "nationale Vereinigung" im sozialen Netzwerk Facebook. Als Mitglied mit dabei: das Facebook-Profil von "Ingolstadt Tk". "Ingolstadt Tk" ist die Online-Präsenz eines Ingolstädter Neonazis, der mit dieser Seite seit Juni 2013 eine Kameradschaftsorganisation in Ingolstadt aufzubauen versucht. Eine Zeit lang wurde auch eine gleichnamige Domain im www betrieben, die Homepage ist mittlerweile jedoch zweimal umgezogen.
Im Grundsatztext der Neonazi-Kameradschaft heißt es: "Wir wollen genau aufzeigen, wie die selbsternannten Demokraten die Lebensgrundlagen unseres Volkes zerstören und es systematisch vernichten. Mittlerweile ist jedes zweite Kind in Ingolstadt aus einer ausländischen Familie. Wohin der Weg geht, wisst ihr sicher. Wenn ihr der Meinung seid, dass Ingolstadt auch in 100 Jahren noch eine deutsche Stadt sein soll, seid ihr bei uns genau richtig. Das Überleben unserer Familien und unseres Volkes muß mehr wert sein als alle Aktienpakete oder Spekulationen der Welt!"
Im letzten Jahr halfen die Ingolstädter um "Ingolstadt Tk" nach Eigenangaben der NPD beim Unterstützungsunterschriftensammeln für die Landtagswahl. Im Facebook-Profil ist erkennbar, wie eng das Netzwerk mit der bayerischen und bundesweiten Naziszene bereits geknüpft ist. Zu den Online-Freund_innen von "Ingolstadt Tk" gehören bekannte bayerische Rechtsaußen wie Karl Richter (stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender, "Bürgerinitiative Ausländerstopp"/BIA), Vanessa Becker ("Freies Netz Süd"/FNS, BIA-Kandidatin), Alexander Donninger (bekannter FNS- und BIA-Aktivist), Matthias Polt (NPD-Bezirksvorsitzender), Wolfgang F. (Ex-"Fränkische Aktionsfront") und der Ingolstädter/Weißenburger FNS-Aktivist Martin B. genauso wie Funktionäre aus dem Bundesgebiet, z. B. Jens Pühse (NPD) oder Maik Scheffler vom "Freien Netz Sachsen".
Dieser Text erschien zuerst am 18.02.2014 auf www.aida-archiv.de. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Ergänzung vom 21.02.2014:
Laut Presseberichten ist der aktuelle Ermittlungsstand, dass der 26-jährige Täter das 12-jährige Mädchen missbrauchte, bevor er brutal mit einem Holzpfahl auf sie einschlug, bis sie starb. Dass es Franziska traf, war offenbar ein schrecklicher Zufall. Stefan B. kannte sein Opfer nicht. Was die Sexualdelikte in seinem Vorstrafenregister anbelangt, ist nun bekannt geworden, dass er nicht nur verurteilt wurde, weil er Frauen über das Internet mit obszönen Texten zum Sex aufgefordert hat. Er handelte als Heranwachsender auch einmal mit kinderpornografischen Schriften. Ebenfalls im Internet, berichtet die Augsburger Allgemeine. Laut BILD ist er Vater von zwei Kindern (6 und 9 Monate).