Die Muslim-Jewish-Conference tagte im August in Berlin. Hier zu sehen: Die Facebook-Präsenz der Organisation.
Screenshot 10.09.2015

Menschenfeindlichkeit August 2015: Islamfeindlichkeit

Monatsüberblick zu Islamfeindlichkeit im August 2015: 23 Angriffe auf Moscheen und islamische Einrichtungen im ersten Halbjahr 2015. Muslim-Jewish Conference in Berlin: Gegen Islamophobie, Antisemitismus und Hate Speech - unter massiver Geheimhaltung. Prävention gegen Diskriminierung, antimuslimischen Rassismus und Missbrach von Religion in Solingen. Das letze Buch des "Charlie-Hebdo"-Chefredakteurs Stéphane Charbonnier alias Charb erscheint auf Deutsch und ist ein Manifest für den Glauben, dass Reden und Zeichnen gegen Hass trotz allem hilft.

23 Angriffe auf Moscheen und islamische Einrichtungen im ersten Halbjahr 2015

Wer meint, Rassist_innen hätten hierzulande aktuell genung mit Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte zu tun, irrt leider: Im ersten Halbjahr gab es 23 Angriffe auf islamische Einrichtungen, so die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag. Wie oft Muslime wegen ihres Glaubens bedroht werden, wird aber bisher nicht erfasst – das soll sich ändern. Im selben Zeitraum hätten 64 Kundgebungen gegen eine angebliche Islamisierung Deutschlands stattgefunden, die von Rechtsextremisten beeinflusst oder gesteuert wurden; das geht aus Antworten auf verschiedene parlamentarische Anfragen hervor (vgl. ZEITWelt).

Zwei Angriffe gab es auch im August - sogar an einem Wochenende, in Baden-Württemberg und Berlin:

Am Wochenende 15. / 16.08.2015 wurden zwei Moscheen, die der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB angehören von bisher noch unbekannten Tätern attackiert. In einem Fall wird wegen Volksverhetzung ermittelt. In der Nacht von Samstag (15.08.) auf Sonntag kam es zu einem Übergriff auf eine kleine Moscheegemeinde in Öhringen, Baden-Württemberg. Dort wurde eine Umspannstation außerhalb des Areals der Moschee mit den Worten: „Scheiß Islamisten, sollen verrecken! verrecken“ beschmiert. Außerdem soll in der gleichen Nacht ein Toilettenhäuschen auf einem Parkplatz in der Nähe der Moschee mit der identischen Parole besprüht worden sein, teilte der Pressesprecher der Polizeistelle IslamiQ mit. Ausgehend von dem gleichen Wortlaut und der gleichen Sprühfarbe der Schmierereien geht die Polizei von einem Zusammenhang beider Fälle aus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung und fahndet nach noch unbekannten Tätern. Ein islamfeindlicher Hintergrund der Tat wird nicht ausgeschlossen. In der darauffolgenden Nacht von Sonntag (16.08.2015) auf Montag wurden die Fensterscheiben und die Eingangstür der Orhan-Gazi-Moschee in Berlin mit Pflastersteinen eingeworfen. Außerdem wurde die Hausfassade mit dem Schriftzug „IS und AKP angreifen“ beschmiert. Die Polizei ermittelt noch gegen die unbekannten Täter und geht von einem politischen Hintergrund der Übergriffe aus. Der Koordinator der DITIB Landesverbände Murat Kayman zeigt sich besorgt über diese Entwicklung: „Wir haben wiederholt gewarnt, wie gefährlich die verantwortungslose Ausgrenzungspraxis der Medien ist, wenn sie zu Unrecht unsere Gemeinden als fremdbestimmte, ausländische Enklaven stigmatisieren. Das sind Menschen, die nur ihren Glauben leben wollen, aber durch die Medien zu Lagern politischer Auseinandersetzungen und damit zu Zielen gemacht werden.“ (vgl. islamiq.de)

Muslim-Jewish Conference in Berlin: Gegen Islamophobie, Antisemitismus und Hate Speech - unter massiver Geheimhaltung

Die Idee ist fantastisch, aber das finden nicht alle: Deshalb trafen sich in Berlin junge Muslim_innen und Jüd_innen aus aller Welt zu einer einwöchigen "Muslim Jewish Conference", aber unter Geheimhaltung und ohne uneingeweihten Orte und Referent_innen zu nennen. Dabei ist Dialog zum Abbau von Vorurteilen aktuell nötiger denn je. Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in aller Welt seit einigen Jahren angespannt wie lange nicht mehr: Zwischen Israel und Palästina ist die Aussicht auf Versöhnung wieder in die Ferne gerückt, und erstmals seit Jahrzehnten fühlen sich viele Juden in Europa nicht mehr sicher – angesichts des wachsenden Antisemitismus, der nicht zuletzt in muslimischen Communities verbreitet ist. Motto der Konferenz, die erstmals in Deutschland stattfand, war "Wir reden miteinander, nicht übereinander. 166 Aktivist_innen aus 44 Ländern nahmen teil. „Wir sind viele aktuelle und künftige Multiplikatoren, viele sind später im diplomatischen Dienst”, sagt MJC-Generalsekretär Sichrovsky. „Zu uns kommen Teilnehmer aus Libyen, aus Jordanien, aus einigen afrikanischen Ländern, aus Pakistan und und und. Wenn die in ihren Ländern erzählen, dass sie eine ganze Reihe junger jüdischer Menschen getroffen haben, mit denen sie gemeinsam Projekte anschieben wollen, kann das schon etwas bewirken.” So habe die MJC inzwischen ein weltweites Netzwerk aus jungen Juden und Muslimen aufgebaut, aus dem bereits einige lokale und internationale Initiativen und Projekte hervorgegangen sind (vgl. Berliner Zeitung)

Solingen: Prävention gegen Diskriminierung, antimuslimischen Rassismus und Missbrach von Religion

Interessantes Projektporträt aus Solingen in der Rheinischen Post: Das Projekt "Nicht in meinem Namen!" arbeitetn zu den Themen Diskriminierung, antimuslimischen Rassismus und Missbrach von Religion. Die Islamwissenschaftlerin Hanna Attar gibt Schulworkshops, unterstützt Anti-Rassismus-AGs, plant mit Jugendlichen Flashmobs zum Thema, um mit der Mehrheitsgesellschaft über "normalen" und gewaltbereiten Islam ins Gespräch zu kommen - um verzerrte Wahrnehmungen zu gerade zu rücken. "Ich habe das Gefühl, dass die Bereitschaft zum Dialog in der letzten Zeit auch zunimmt. Aber dennoch ist Islamfeindlichkeit aktuell ein großes Problem." in Problem, das gerade viele Jugendliche belastet, das hört Hanna Attar in ihren Gesprächen in der Anlaufstelle "Jump In" der Awo in Solingen immer wieder: "Sie erfahren verschiedene Diskriminierungen, nehmen das wahr und es beschäftigt sie." Im schlimmsten Fall könnten Frust und Wut dazu führen, dass junge Menschen in gefährliche, extremistische Gruppen gerieten. (vgl. Rheinische Post).

„Charlie-Hebdo“-Chef Charbonnier: Die Islamophobie und ihre Nutznießer

Im August erschien in Deutsch der „Brief an die Heuchler“ des ermordeten Chefredakteurs von „Charlie Hebdo“: Stéphane Charbonnier alias Charb setzte darin auf die Vernunft der Muslime. Die Stuttgarter Zeitung schreibt dazu: "„Brief an die Heuchler“ zielt auf konkrete, eher französische als deutsche Konflikte, ist aber immer vom Glauben getragen, dass das Zeichnen, Schreiben, Reden noch hilft und man mit dem Bleistift noch nicht gegen Kalaschnikows vor der Tür, mit Karikaturen noch nicht gegen Todesschwadronen im Land antreten muss. Charb beharrt darauf, dass die Islamisten eine extreme Minderheit seien. „In Wirklichkeit“, schreibt er, „gibt es nicht viele gläubige Muslime, die alle religiösen Vorschriften befolgen. In ihrer Mehrzahl sind sie keine Mitglieder in religiösen Vereinen, ob diese nun gemäßigt sind oder nicht.“ Folglich klagt er, das ist die Stoßrichtung seines Textes, jene an, die in Frankreich rassistische Haltungen oder Äußerungen immer häufiger als „islamophob“ charakterisieren, seien sie nun tiefgläubige Muslime oder liberale Atheisten. So, meint Charb, trete der reale Angriff auf Menschen hinter den behaupteten Angriff auf die Religion zurück. Ganz im Sinne der Islamisten werde so die Religion über das Individuum gestellt und zugleich den Radikalen die Deutungshoheit über das Empfinden der Mehrheit zugesprochen: „Wer sind die Menschen mit Islamophobie? Das sind Personen, die behaupten, Muslime seien blöd genug, beim Anblick einer skurrilen Zeichnung in helle Aufregung zu geraten. Eine Zeichnung, die Muslime in ihrer Mehrheit nur sehen konnten, weil sie auf allen Kanälen gezeigt wurde.“ (vgl. Hagalil.com).

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