Nach Außen gibt sich die NPD immer als Kämpfer für Recht und Ordnung, gegen "böse Kriminelle und Abzocker." Für die Kommunalwahlen in Brandenburg schickt die Neonazipartei jedoch reihenweise bekannte Nazi-Schläger und verurteilte Politkriminelle ins Rennen.
Von Christoph Schulze
„Sicherheit stärken – Verbrechen bekämpfen“, fordert die NPD in ihrem „Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland“. Und wer für Kriminalität und Verbrechen verantwortlich ist, das meint die Partei ganz genau zu wissen. Im Wahlkampf zu den Brandenburger Kommunalwahlen, die am 28. September stattfinden, haben sich die Rechtsextremisten mit folgender Statistik ausgerüstet:
„Ausländer werden 20 mal so häufig tatverdächtig. Deutsche weisen bei einem Bevölkerungsanteil von 98,1 Prozent nur einen Anteil von 55 Prozent der neu ermittelten Tatverdächtigen auf. Ausländer weisen bei einem Bevölkerungsanteil von 1,9 Prozent hingegen einen Anteil von 45 Prozent auf.“
Doch wer in der polizeilichen Kriminalstatistik nachschlägt (von dort will die NPD die Zahlen haben) findet völlig andere Angaben. Gerade 13,4 Prozent beträgt der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger – und davon geht ein sehr großer Anteil auf Verstöße gegen Aufenthalts-, Asyl- und Freizügigkeitsgesetz zurück. Nichts dran also an dem von der NPD eifrig gemalten Bild von skrupellosen Ausländerbanden, die schamlos die „deutsche Bevölkerungsmehrheit“ im beschaulichen Brandenburg abzocken würde.
Der Anteil von verurteilten Kriminellen in den Reihen der NPD dürfte jedenfalls größer sein, als der von Tatverdächtigen unter den wenigen Nichtdeutschen im Bundesland. Die Kandidaten, die die rechtsextreme Partei für die Kommunalwahlen antreten lässt, stellen ein Sammelbecken von Gewalttätern und Neonazi-Aktivisten dar. Erst vor wenigen Tagen wies der Tagesspiegel darauf hin, dass für den frisch gegründeten NPD-Stützpunkt in Guben Alexander Bode antritt, um in die dortige Stadtverordnetenversammlung und in den Kreistag von Spree-Neiße einziehen. Bode, Jahrgang 1979, ist verurteilt als Haupttäter der „Hetzjagd von Guben“, die 1999 international Schlagzeilen machte. Damals veranstalteten Neonazis eine regelrechte Treibjagd und trieben den algerischen Asylbewerber Omar Ben Noui durch die Stadt. Der Mann versuchte panisch in ein Wohnhaus zu fliehen, verletzte sich beim Versuch, die Tür einzutreten und verblutete an den dabei erlittenen Wunden. Die NPD hat sich inzwischen hinter ihren Kandidaten gestellt: Es sei „pervers“, wenn „linke Medien“ diese „Klamotte aus dem Jahre 1999“ wieder auskramen und „vermarkten“ würden.
Bode ist kein Einzelfall. Ebenfalls in Südbrandenburg, in Cottbus, steht Frank Hübner auf der Kandidatenliste der NPD. Der war mal Bundeschef der „Deutschen Alternative“ (DA), einer Minipartei, die wegen ihres offensiven Neonazismus 1992 verboten wurde. Anhänger von Hübners Truppe waren Anfang der 1990er Jahre für zahlreiche Angriffe auf Ausländer und alternative Jugendliche in Cottbus verantwortlich. Die DA (Hauptforderung: „Wiederherstellung des deutschen Reiches“) war informell in die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ des Neonazi-Kaders Michael Kühnen eingebunden. Noch zu DDR-Zeiten war Hübner selbst wegen versuchter Gründung einer neonazistischen Wehrsportgruppe verurteilt worden.
In Königs Wusterhausen wiederum hatte der dortige NPD-Frontmann und Kommunalwahl-Kandidat Michael Thalheim, 37, im Sommer des vergangenen Jahres eine ganze Kampagne für „Sicherheit, Recht und Ordnung“ in der Stadt mit angeleiert. Quasi zeitgleich stand er selbst wegen einer Gewalttat vor Gericht. Sein Verfahren wurde erst gegen die Zahlung von Schmerzensgeld eingestellt. Er hatte auf dem Weg zum Neonazi-„Heldengedenken“ im nahen Halbe 2006 in Königs Wusterhausen eine 21-jährige Frau getreten und verletzt.
Die Liste lässt sich weiter fortsetzen. Im März dieses Jahres hielt die NPD eine Kundgebung in Rathenow ab. Ein Foto der Veranstaltung, welches die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ veröffentlicht hat, zeigt fünf der gut ein Dutzend Kundgebungsteilnehmer nebeneinander hinter einem Transparent stehend. Als da wären: Michél Müller, NPD-Kreischef in Havel-Nuthe saß wegen Körperverletzung im Gefängnis; der damalige Rathenower NPD-Chef Marcell Horlebeck ist verurteilt wegen Körperverletzung; Stefan R. kam bei einem Prozess in Halle mit einer Verwarnung unter dem Vorbehalt einer Geldbuße auf Bewährung davon; Daniel K. und Matthias U. saßen beide wegen Körperverletzung im Gefängnis.
Die NPD tritt bei den Kommunalwahlen in den Landkreisen Uckermark, Spree-Neiße, Oberhavel, Havelland, Oder-Spree, Dahme-Spreewald sowie der kreisfreien Stadt Cottbus an. Dazu gibt es Kandidaturen in den Orten Biesenthal, Hohen Neuendorf, Fürstenberg/Havel, Guben, Königs Wusterhausen, Ludwigsfelde, Nauen und Oranienburg sowie vier weiteren Gemeinden. In anderen Teilen des Landes kandidiert rechtsextreme DVU. Die Parteien haben für die Brandenburger Wahl im Zuge ihres „Deutschlandpakts“ eine Art Nichtangriffsvereinbarung getroffen: Sie kooperieren miteinander, treten nirgends direkt gegeneinander an und lassen teilweise Vertreter der jeweils anderen Partei auf ihren eigenen Listen kandidieren.
Die NPD hat in Brandenburg nach Angaben des Verfassungsschutzes rund 250 Mitglieder. Nach eigenen Angaben wurden von ihr insgesamt 80 Kandidaten aufgestellt. Szenekenner beobachteten jedoch in den vergangenen Monaten eine gewisse Stagnation in der NPD-Parteiarbeit, nachdem sie zuvor eifrig für die Wahlen Strukturen ausgebaut und Aktionen durchgeführt hatte. Dennoch ist zu befürchten, dass etliche NPDler den Sprung in die Kommunalvertretungen schaffen werden. Bei den brandenburgischen Kommunalwahlen gibt es keine Fünfprozenthürde mehr. Bei den letzten Kommunalwahlen 2003 hatte die NPD lediglich 0,03 Prozent der Gesamtstimmen bei den Wahlen für die Gemeindevertretungen und 0,53 Prozent bei den Wahlen für die Kreistage erhalten. Zurzeit hält die NPD nur ein Mandat im Kreistag Oberhavel und zwei im Kreistag Oder-Spree. Ihre Mandate im Kreistag Prignitz und im Gemeinderat von Wittstock gingen der Partei durch die Abspaltung der „Bewegung Neue Ordnung“ beziehungsweise des „Schutzbund Deutschland“ schon 2004 verloren. Den beiden abtrünnigen Funktionären wurden ihre Mandate aber trotzdem noch aberkannt: 2006 wurde der „Schutzbund Deutschland“ rechtskräftig verboten.