Hintergründe statt News: Die NPD in den Medien

Täglich verschickt die NPD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern Pressemitteilungen, wöchentlich stellt sie Anträge im Landtag. Bei anderen Parteien Anlass zur Berichterstattung, bei der NPD nicht. Den Medien sind Hintergründe wichtiger. Doch in der Provinz fehlt es an Journalisten.

Von Janos Burghardt

Um zu verstehen, was den journalistischen Umgang mit der NPD in Mecklenburg-Vorpommern so schwer macht, muss man die Arbeitsweise der NPD-Fraktion verstehen: "Provokation als Prinzip" charakterisiert sie Mathias Brodkorb (SPD), selbst Mitglied im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Um umsetzbare Anträge geht es der Fraktion dabei selten. Einmal fordert sie vom Landtag die Abschaffung der Europäischen Union, ein andermal bekundet sie als Fraktion ihre Solidarität mit Russland nach dem Kaukasus-Konflikt. "Gewisse Anträge der NPD stehen für sich. Auf zehn Zeilen kann man aber nicht erklären, welche Ideologie dahinter steht", sagt Frank Pfaff, Redaktionsleiter der Deutschen Presse Agentur in Mecklenburg-Vorpommern. Die Nachrichtenagentur liest jede Pressemitteilung der NPD, doch nur über die wenigsten schreibt sie. Dabei kommt die Nachrichtenagentur trotzdem ihrer Chronistenpflicht nach: So wird bei politischen Diskussionen über landespolitische Themen auch die Position der NPD in der Berichterstattung berücksichtigt – immerhin vertritt sie sieben Prozent der Wählerstimmen.

Die Tageszeitungen sind mit dem gleichen Problem konfrontiert, können aber auf eine zusätzliche journalistische Stilform zurückgreifen: Den Kommentar. "Man sollte nicht über jedes Stöckchen springen, das die NPD einem hinhält", sagt Jörg Köpke, landespolitischer Korrespondent der Ostsee-Zeitung. Für ihn bedeutet das, nicht über jede Provokation der NPD zu schreiben. Manchmal aber schon, wie im Fall einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus. Weil das Parlament ohne angemessene Reaktion auf den NPD-Boykott der Gedenkminute weiter zur Tagesordnung überging, schrieb Köpke einen Kommentar: "Schweigen ist Silber".

Unmittelbar betroffen: Die Lokalredaktionen

"Die regionalen Tageszeitungen vor Ort sind die Frontschweine. Sie werden zuerst mit den Themen der NPD konfrontiert," sagt Köpke. Dementsprechend können sie nicht vergleichen, wie andere Medien das Thema umgesetzt haben, wenn sie über Schreiben oder Nicht-Schreiben entscheiden. Das kann dann auch mal zu Fehlurteilen führen. Beim Torgauer Boten – einer kleinen Lokalzeitung, die wie die Ostsee-Zeitung zum Axel-Springer-Verlag gehört –, lag man im August 2008 einmal komplett daneben. Eine Pressemitteilung der NPD wurde vollständig und ohne Ergänzung abgedruckt. Dieses Beispiel zeigt ein strukturelles Problem, dass bei den Medien wie auch bei den Parteien auftritt: Auf dem Land sind sie zu schwach vertreten. Entweder fehlt es an fähigen Leuten oder es ist gleich gar kein Personal vorhanden.

Die Schweriner Volkszeitung ist die auflagenstärkste Tageszeitung im Land, doch auch sie berichtet nicht täglich über die NPD. "Wir wollen berichten, was ist – aber kein Transmitter für die Rechtsextremen sein," sagt Thomas Volgmann, Redakteur für Landespolitik bei der Schweriner Volkszeitung. Statt über die politischen Forderungen der NPD zu berichten, soll der hinter der Tagespolitik "verdeckte Rechtsradikalismus", wie Volgmann ihn nennt, mit Reportagen und Experten-Interviews aufgedeckt werden. Doch eine Strategie gibt es nicht. "Was wir über die NPD berichten und was nicht, entscheiden wir täglich neu," sagt Volgmann.

Gut gewappnet

"Wir mussten uns auch erst einmal damit beschäftigen, wie man mit den Rechtsextremisten umgeht", sagt Jürgen Hingst, Vorsitzender der Landespressekonferenz. Kurz vor dem zu erwartenden Wahlerfolg der NPD bei den Landtagswahlen 2006 lud er Hubertus Buchstein, Politikwissenschaftler an der Universität Greifswald, als Redner auf die Jahreshauptversammlung ein. Buchstein forderte von den landespolitischen Redakteuren, die NPD nicht zu ignorieren, sondern sich mit ihr auseinanderzusetzen. Dafür sei es auch nötig, sich mit der deutschen Geschichte zu befassen. "Für die Journalisten im Westen wie im Osten war die NS-Zeit kein Thema mehr", sagt Hingst. Doch das verdrehte Geschichtsverständnis der NPD könne nur entlarven, wer "geschichtsfest" sei.

Nach der Landtagswahl lud die Landespressekonferenz die Vorsitzenden aller Fraktionen zum Gespräch ein, auch den Fraktionsvorsitzenden der NPD. Danach entschied sie sich aber, der NPD keinen Raum mehr zu bieten – die NPD-Fraktion wird seitdem zu keinen Pressekonferenzen und Empfängen mehr eingeladen. "Die NPD ist zwar demokratisch gewählt, aber deswegen noch keine demokratische Partei", begründet Hingst die Entscheidung. Dennoch setzen sich die Journalisten aktiv mit dem Rechtsextremismus auseinander: Die Redaktionen unterstützen sich gegenseitig bei der Recherche und tauschen Informationen aus, um Bruchstellen und Konflikte innerhalb der NPD aufzudecken.

Die Zusammenarbeit findet insbesondere über das Internet statt. Auf Internetseiten wie Endstation Rechts, Recherche Nord und Mut gegen rechte Gewalt werden umfangreich Informationen über die rechtsextreme Szene gesammelt.

Keine Bühne für die NPD

Der NDR nutzte diese Plattformen einmal, um verdeckte Aufnahmen von Versammlungen der Rechtsextremen zu erhalten. Ein Jahr nach dem Wahlerfolg der NPD sendete er dann eine 45-minütige Reportage ("Die neuen Nazis"), in dem ihre Basisarbeit gezeigt wurde: Harmlose Familienfeste in Vorpommern neben scharfen Reden von Udo Pastörs (NPD) vor rechtsextremen Kameradschaften. Für viele Politiker in Schwerin war der Film ein journalistischer Fehltritt: Den Rechtsextremen wurde zu viel Platz eingeräumt, so lautete der Vorwurf. Dem widerspricht Norbert Nieszery (SPD), Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern: "Der Film hat gewirkt, vor allem bei denjenigen, die noch einen Vergleich mit der Vergangenheit haben". Die Reportage wurde mit einem Journalistenpreis ausgezeichnet. Doch es blieb bei dieser einen Reportage.

Das ist auch die Krux in der Berichterstattung über Rechtsextreme. Die Politologin Britta Schellenberg, Leiterin des Projekts "Erfolgreiche Strategien gegen den Rechtsextremismus" an der Ludwig-Maximilians-Universität München, macht als Hauptproblem in der Berichterstattung die fehlende Kontinuität aus. Schellenberg beobachtete, dass nach Wahlerfolgen von rechtsextremen Parteien oder nach Gewalttaten mit ausländerfeindlichem Hintergrund die Berichterstattung hochschnellt, doch nach kurzer Zeit bereits wieder abebbt. Zwei Jahre nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern steht die NPD aber nach wie vor auf der Redaktionsagenda der Medien. Zumindest in Schwerin.

Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht im Online-Dossier "Blick auf Rechtsaußen". Der Autor Janos Burghardt ist einer von 13 jungen Nachwuchsjournalisten der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

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