Symbolbild Kita und Diskriminierung
Screenshot Facebook, 06.11.2018

Handlungsmöglichkeiten der Praxis: Flüchtlingsfeindliche Postings

Was tun, wenn sie ein rassistisches Posting sehen - und es ist von einer Kollegin aus der Kita? Diese Fragen beantworten Prof. Dr. Esther Lehnert (Alice Salomon Hochschule Berlin), Prof. Dr. Heike Radvan (Brandenburgische Technische Universität Cottbus - Senftenberg) und Simone Rafael (Belltower.News).

 

Der Text ist ein Auszug aus der Broschüre "Ene, mene, muh - und raus bist du! - Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik" der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung (September 2018). 

 

Ebene IV: Umgang mit rechtsextrem engagierten Kolleg*innen und arbeitsrechtliche Fragen

Fall IV.3: Flüchtlingsfeindlic​he Postings

 

Sie sind Erzieherin in einer Kita. Auf Facebook sehen Sie ein Posting einer Kollegin, das ihre Arbeit betrifft: »Wenn wir tatsächlich demnächst mit Flüchtlingskindern arbeiten müssen, werden die schon sehen was sie davon haben. Ich werde ihnen das Leben zur Hölle machen.«

 

Ein solches Posting ist grundsätzlich schockierend, unabhängig davon, ob ihnen die schreibende Person bekannt ist. Schockierend ist es, weil es eine offene rassistische Herabwürdigung von Kindern beinhaltet sowie die Drohung, die ablehnende Haltung an geflüchteten Kindern und/oder ihren Eltern auszuleben. Handelt es sich um eine Kollegin, kommt eine persönliche Ebene hinzu und damit eine Verantwortlichkeit. Diese persönliche Ebene bringt manche Menschen dazu, zu schweigen. Das ist kontraproduktiv und widerspricht fachlichen Standards. Die persönliche Ebene kann durchaus eine Chance beinhalten. Wenn ein persönlicher Kontakt vorhanden ist, besteht die Möglichkeit, über das Posting zu sprechen. Diese Diskussion sollte – bei persönlicher Bekanntschaft – nicht in der Facebook-Öffentlichkeit geschehen, also nicht durch einen öffentlichen Kommentar oder gar Streit unter dem Posting, sondern per Privatnachricht und/oder als persönliches Gespräch. Hierbei empfiehlt es sich, nach den Beweggründen zu fragen und verständlich zu begründen, warum der Post rassistisch und problematisch ist. Weiterhin gilt es, eine kritische Reflexion anzuregen und Hilfe anzubieten. Sie können darauf hinweisen, dass es dem persönlichen und beruflichen Ansehen der Erzieherin selbst schadet, gegen Geflüchtete zu hetzen – und auch dem Arbeitgeber, soweit er in ihrem Profil benannt wird. Sollte sich die Erzieherin einsichtig zeigen und den Post löschen, müssen keine weiteren arbeitsrechtlichen Schritte bedacht werden. Gleichzeitig sollten sie jedoch das Thema Anti-Rassismus als Querschnittsthema in ihr Team im Sinne von Fortbildungen und Auseinandersetzungen einbringen. Außerdem sollten Sie im Weiteren die Online-Aktivitäten und Offline-Positionierungen der Kollegin im Auge behalten.

Sollte die Erzieherin ihren Post verteidigen oder sogar weitere rassistische Aussagen machen oder ist das Posting nur ein rassistischer Vorfall in einer ganzen Reihe von Vorfällen (online oder offline), ist ein Gespräch mit der Kitaleitung angebracht. Wir verweisen an dieser Stelle auf die weiter oben genannten Schritte. Die Leitung sollte ein Gespräch mit der Erzieherin suchen, die Tragweite ihrer Handlung sowie den Konflikt mit dem berufsethischen Selbstverständnis von Pädagog*innen und dem Leitbild der Einrichtung verdeutlichen. Für Leitungskräfte ist es hilfreich, über mögliche arbeitsrechtliche Schritte bezogen auf den Online-Bereich und die damit verbundene aktuelle Rechtsprechung informiert zu sein. Die Leitung der Einrichtung sollte sich ggf. mit ihrem Träger oder Dachverband absprechen, um juristische Expertise im Zuge einer angestrebten Kündigung hinzuzuziehen. Seit einiger Zeit ist es unter bestimmten Bedingungen möglich geworden, Arbeitsverträge zu kündigen, wenn die
Arbeitnehmer*in sich in sozialen Netzwerken rassistisch, antisemitisch oder menschenfeindlich hetzend äußert – allerdings muss bei einem Posting in sozialen Netzwerken der Bezug zur Einrichtung klar vorhanden sein, etwa durch Nennung des Arbeitgebers.

Sie sollten allerdings auch über einen Umgang nachdenken, wenn eine Trennung nicht möglich ist. In diesem konkreten Fall spricht die hetzende Person eine Bedrohung gegenüber geflüchteten Kindern aus, mit denen sie möglicherweise zeitnah arbeiten wird. Sie verlässt damit jede fachliche und menschenrechtliche Ebene. Offensichtlich ist es nicht empfehlenswert, sie mit geflüchteten Kindern arbeiten zu lassen. Auch ihr Umgang mit anderen Kindern in Bezug auf Ausgrenzung und Diskriminierung sollte betrachtet werden. Bei größeren Trägern kann vielleicht eine andere Aufgabe im Bereich der Verwaltung gefunden werden. Das Posting ist zwar rassistisch, aber nicht strafrechtlich relevant. Es nützt also nichts, das Posting beim sozialen Netzwerk zu melden oder bei der Polizei anzuzeigen. Dies gilt auch für Postings die rassistisch argumentieren, aber noch keine Drohung beinhalten, wie »unsere Einrichtung zerfällt aber für die ist Geld da« oder ähnliche. Wenn es in einem sozialen Netzwerk in einer Gruppe geschieht, besteht die Möglichkeit, es den Administrator*innen der Gruppe als unangemessen zu melden, um ein solches Posting zu löschen. Sie sollten allerdings einen Screenshot anfertigen, falls Sie einen Beleg für das Posting brauchen, etwa für ein späteres Gespräch mit der Kitaleitung. Bei Unsicherheiten, ob ein Posting strafrechtlich relevant ist, gibt es Adressen im Internet27, die helfen können. Hier sitzen Expert*innen und Jurist*innen, die versuchen, strafbare oder  jugendgefährdende Inhalte aus dem Netz zu bekommen.

Des Weiteren verfügen Sie auch über Handlungsmöglichkeiten, wenn eine Ihnen nicht bekannte Erzieherin diesen Inhalt posten würde. Natürlich könnten Sie diese mit einer persönlichen Nachricht anschreiben oder unter ihrem Posting kommentieren – allerdings ist die Bereitschaft, sich mit Kommentaren von Fremden auseinanderzusetzen, in der Regel eher gering. Sollte die Erzieherin ihren Arbeitgeber im Profil angegeben haben, können Sie ihn über das Verhalten der Mitarbeiterin informieren. Denn wenn Sie, als außenstehende Person, diese Verbindung herstellen können, dann ist es auch für den Arbeitgeber relevant, da auch Eltern sich an dieser öffentlichen Äußerung stören können. Zu beachten ist allerdings, dass Menschen im Internet manchmal
falsche Arbeitgeber angeben. Daher ist es wichtig, nicht zum Shitstorm auf eine Einrichtung oder einen Träger aufzurufen (»XY beschäftigt Rassistinnen!«), sondern das Gespräch zu suchen.

 

MEHR FALLANALYSEN UND HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER PRAXIS:

Ebene I: Pädagogisches Handeln mit Kindern

Fall I.1: »Morgenkreis«

Fall I.2: »Nationalsozialistische Symbole und problematisches Verhalten«

Fall I.3: »Kinder aus völkischen Elternhäusern«

Ebene II: Elternarbeit

Fall II.1: »Frühzeitiges Erkennen von Rassismus«

Fall II.2: »Bildung für das eigene Kind«

Fall II.3: »Besorgte« Mutter und Vielfaltserziehung 

Ebene III: Arbeit im Team und mit Träger

Fall III.1: »Feindschaft gegenüber Geflüchteten«

Fall III.2: »Wahrnehmung von Rassismus«

Ebene IV: Umgang mit rechtsextrem engagierten Kolleg*innen und arbeitsrechtliche Fragen

Fall IV. 1 und 2: »Aktivistinnen in der Kita«

Fall IV.3: »Flüchtlingsfeindliche Postings«

 

MEHR AUS DER BROSCHÜRE AUF BELLTOWER.NEWS:

 

INHATE DER FACHSTELLE GENDER, GMF UND RECHTSEXTREMISMUS AUF BELLTOWER.NEWS 

 

DIE BROSCHÜRE ALS PDF ZUM DOWNLOAD:

http://www.gender-und-rechtsextremismus.de/w/files/pdfs/fachstelle/kita_internet_2018.pdf

 
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