„Greifswald Nazifrei“ – Massenblockade am 1. Mai

Das Bündnis „Greifswald Nazifrei“ ruft zur Blockade des geplanten NPD-Aufmarsches am 1. Mai in Greifswald auf. Unter dem Motto „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“ will die NPD in Greifswald aufmarschieren. Am heutigen Freitag hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern das Verbot aufgehoben. Die rechtsextreme Demonstration findet statt.

Von Hannah Frühauf

Ziel des Bündnisses „Greifswald Nazifrei“ ist es, durch eine große Menschenblockade den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai zu verhindern. „Nazis blockieren! … bitte setzen“ lautet der Aufruf der Initiatoren. Alle Menschen, die sich gegen die menschenverachtenden Ideologien der Neonazis wehren möchten, werden damit aufgefordert, an der Blockade teilzunehmen. Den Rechtsextremen soll kein Raum in Greifswald überlassen werden. Dabei sollen die Proteste friedlich und gewaltfrei ablaufen.

Mahnwache, um Solidarität mit Flüchtlingen zu zeigen

„In erster Linie hoffen wir natürlich, den Aufmarsch komplett verhindern zu können", so Cornelia Schulze, Pressesprecherin des Bündnisses. Eine weitere Aktion des Bündnisses ist die Organisation von Mahnwachen. Eine Mahnwache soll neben einem Flüchtlingsheim gehalten werden. „Die Route des NPD-Aufmarsches führt dort direkt vorbei. Aus Solidarität mit den Bewohnerinnen und Bewohnern möchten wir daher dort eine Mahnwache organisieren“, so die Pressesprecherin.

NPD-Aufhänger: Angst vor der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Unter dem Motto „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“ will die NPD in Greifswald (Schönwalde) aufmarschieren. Das Motto ist eine Anspielung auf die ab 1. Mai in Kraft tretende Arbeitnehmerfreizügigkeit. Menschen aus den EU-Beitrittsländern Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn können ab dann unabhängig von ihrem Wohnort überall in Europa arbeiten. In Mecklenburg-Vorpommern nimmt die NPD besonders die Grenzregion zu Polen als Aufhänger, um gegen Ausländer und die EU zu hetzen. Der Aufmarsch am 1. Mai ist für die NPD in Mecklenburg-Vorpommern auch ein wichtiger Wahlkampftermin im Hinblick auf die Landtagswahlen am 4. September 2011. Im Jahre 2006 war die NPD mit 7,3 Prozent in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt worden.

Präsenz der Neonazis in Greifswald

„Auf dem Weg zur Uni laufe ich tag täglich an etlichen Neonazischmiererein vorbei – auch die Universitätsgebäude selbst werden durch rechtsextreme Parolen verunstaltet“ so Schulze. Pünktlich zu den letzten beiden Semesteranfängen beschmutzten Neonazis mit ihren Botschaften die Bürgersteige vor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Sprüche wie „Komm in die Bewegung Ersti“ - dazu eine Internet-Adresse - waren dort zu lesen. Vor zwei Jahren wurde ein Gebetsraum, der in einen Hörsaal der Uni angegliedert ist, mit den Worten „Ausländer raus“ beschmiert. Begleitet werden diese Vorfälle mit Mutmaßungen über eine NS-Hochschulgruppe in Greifswald. „Es wird immer wieder von einer NS-Hochschulgruppe gesprochen, welche Personen genau dahinter stecken ist aber nicht ganz klar“, beschreibt Cornelia Schulze die Situation.

Neben den Schmierereien bereiten vor allem die bedrohenden und gewalttätigen Aktivitäten der Neonazis den Greifswaldern Sorge. In der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2009 wurde vor die Tür des IKuWo (Internationales Kultur und Wohnprojekt) eine tote Katze gelegt - in deren Kopf ein Nagel steckte. An dem Nagel heftete ein Aufkleber der Antifa Greifswald. „Dies war eine schockierender Vorfall für uns alle, das IKuWo ist ein individuell gestaltetes und bemaltes Haus und steht für kulturelle Offenheit und Vielfalt “ so Schulze. Das IKuWo wurde in der Vergangenheit bereits mehrmals Zielscheibe von rechtsextremen Übergriffen. Ein weiteres Beispiel ist die Unterwanderung demokratischer Veranstaltungen durch Neonazis. Vor einigen Wochen, am 5. April, fand ein Treffen des städtischen Bündnis „Greifswald ist bunt – kein Ort für Neonazis“ statt. Die Veranstaltung musste anfangs unterbrochen werden, da Anwesende den Neonazi Marcus Gutsche erkannten. Er wurde daraufhin des Saales verwiesen. Marcus Gutsche ist ein Berliner Neonazi und ehemaliges Mitglied der rechtsextremen „Kameradschaft Tor“. Die Kameradschaft wurde 2005 verboten. „Ein aktuelles Beispiel betrifft einige Mitglieder unseres Bündnisses persönlich“, erzählt Cornelia Schulze, „Vor ein paar Tagen sollten Plakate, die für unsere Blockade werben, in der Stadt aufgehängt werden. Nachdem meine Kollegen mit dem Plakatieren fertig waren, lauerte ihnen eine Gruppe von Neonazis auf. Glücklicherweise konnten sie fliehen und niemand wurde verletzt“.

Unterstützung aus der Bevölkerung

Im Vorfeld hat „Greifswald Nazifrei“ einige Informationsveranstaltungen in verschiedenen Städten organisiert. Während der Blockade sollen die Neonazi-Gegner durch eine "Vokü" ("Volksküche") versorgt werden. Außerdem ist die medizinische Versorgung durch Sanitäter vor Ort gesichert. Sollten Teilnehmende der Blockade eine Schlafgelegenheit benötigen, können sie die Bettenbörse in Anspruch nehmen, die das Bündnis organisiert.

Neben einzelnen Persönlichkeiten wie dem Pfarrer Mathias Gürtler aus Greifswald oderSteffen Bockhahn, MdB aus Rostock für "Die Linke", unterstützt ein breites Spektrum an Vereinen und Initiativen die Blockade. Etwa 1.000 Polizisten werden am 1. Mai in Greifswald im Einsatz sein. Offiziell haben sich 500 Neonazis angemeldet. Zwar wurde der Aufmarsch der NPD von Stadtverwaltung unter Bürgermeister Arthur König (CDU) verboten – die NPD hat aber bereits Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht.

Die Veranstalter der Blockade hoffen natürlich auf zahlreiche Unterstützer. Cornelia Schulze erzählt: „Letzte Woche hatten wir ein Probesitzen auf dem Fischmarkt in Greifswald. Dabei wurden wir unter anderem von einem Mann, der eine Jacke der Marke Thor Steinar trug, beobachtet und fotografiert. Trotzdem lassen wir uns nicht unterkriegen. Eine ältere Dame spazierte an uns vorbei, hob ihren Daumen und rief uns zu ‚Super Aktion!’ – solche Momente sind es, die uns ständig motivieren weiter zu machen“.

Mehr im Internet:

| Greifswald Nazifrei!

| "Greifswald ist bunt - kein Ort für Neonazis" auf Facebook

Der 1. Mai bundesweit

Nicht nur in Greifswald wollen Neonazis den 1.Mai nutzen, um ihre Ideologie auf die Straße zu tragen. Hier der aktuelle Stand:

Heilbronn: Neonazi-Demonstration "Fremdarbeiter stoppen" angemeldet und erlaubt, Proteste organisieren "Heilbronn sagt nein" und "Heilbronn stellt sich quer". Artikel auf Mut-gegen-rechte-gewalt.de

Bremen: NPD-"Sozialkongress" für den 1. Mai angemeldet, aber nur in Außenbezirken Demonstration erlaubt. Daraufhin Anmeldung zurückgezogen und für den 30.04. angemeldet. Proteste organisieren "Keinen Meter!" und "Antifa Bremen", Artikel auf Mut-gegen-rechte-gewalt.de.

Halle: Neonazi-Demonstration angemeldet und genehmigt. Proteste organisieren "Halle gegen rechts" und "Neonazis in Halle - Nazis blockieren".

Ergänzung 29.04.2011:

Das Verwaltungsgericht Greifswald hebt das Verbot auf und erlaubt die rechtsextreme Demonstration (Endstation rechts).

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Artikel aus und über Mecklenburg-Vorpommern

| Initiativen gegen Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern

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