Monatsüberblick aus dem Mai 2015 zum Thema Antisemitismus: Kriminalstatistik legt offen, dass Zahl antisemitischer Straftaten im letzten Jahr deutlich gestiegen ist. 70 Jahre Kriegsende und 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Israel und Deutschland – israelischer Präsident Rivlin zu Besuch in Berlin. Antisemitismus, der sich hinter Israelkritik verbirgt und jüdisches Leben in Europa und Russland.
Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland steigt binnen eines Jahres um 25%
Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist nach Informationen der Passauer Neuen Presse im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Es habe insgesamt 1.596 Fälle gegeben, dies sei ein Zuwachs von 25,2 Prozent, berichtet die Zeitung und beruft sich auf die neue Kriminalstatistik, die am Mittwoch den 6. Veröffentlicht wurde.
Die Zeit
|Eine Auflistung antisemitischer Gewalttaten in Deutschland finden Sie bei der Antonio Amadeu Stiftung
"Es lässt sich kein Schlussstrich ziehen" – Gedenken zum Kriegsende
Der Historiker Heinrich August Winkler hat im Bundestag des Endes des Nationalsozialismus gedacht. Er sprach von einer anhaltenden Verantwortung aller Deutschen. Winkler warnte auch vor Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Der Historiker sagte, die jüngsten Ausbrüche von Hetze und Gewalt seien eine Mahnung, "die eigentliche Lehre der deutschen Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 zu beherzigen: die Verpflichtung, unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten".
Die Zeit
Israelischer Präsident Rivlin zu Besuch in Berlin: Warnung vor wachsendem Antisemitismus
50 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland kommt Präsident Rivlin zu Besuch nach Berlin. Er warnte in Berlin noch einmal vor Passivität oder Verleugnen des grassierenden Antisemitismus, gemeinsam mit Bundespräsident Gauck: "Vor allem in Europa sollten die Alarmglocken ertönen". „Die antisemitischen Ressentiments und antijüdischen Aggressionen in Teilen Europas bereiten mir natürlich sehr große Sorge", sagte Bundespräsident Joachim Gauck. Im Schulterschluss mit seinem israelischen Kollegen Reuven Rivlin appellierte er eindringlich an die Bürger, jeder Form von Judenhass und Rassismus entgegenzutreten. Beide riefen im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung und dem israelischen Blatt "Yedioth Ahronoth" zu erhöhter Wachsamkeit auf.
Deutsche Welle
Die Antisemitismus-Kommission der Bundesregierung wird um zwei jüdische Mitglieder erweitert
Die Psychologin Marina Chernivsky und der Direktor der Stiftung »Topographie des Terrors«, Andreas Nachama wurden nachträglich benannt in der Antisemitismus-Kommission der Bundesregierung mitzuarbeiten, nachdem das American Jewish Commitee, die Amadeus Antonio Stiftung und der Gründungsdirektor des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien, Julius H. Schoeps scharf kritisiert hatten, dass keine jüdischen Experten mitwirkten. »Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßt es ausdrücklich, dass nachträglich zwei jüdische Experten in die Antisemitismus-Kommission der Bundesregierung berufen wurden«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. »Die Psychologin Marina Chernivsky kann direkt Erfahrungen aus der Praxis schildern, während der Direktor der Stiftung ›Topographie des Terrors‹, Andreas Nachama, auch wissenschaftliche Erkenntnisse beisteuern kann. Über Antisemitismus sollte nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg, sondern unter Einbeziehung der jüdischen Gemeinschaft gesprochen werden«, betonte Schuster.
Jüdische Allgemeine
Kommentar: „Pegida“ rechts liegen lassen
Die Bewegung ist nicht nur islamfeindlich, sondern oft auch antisemitisch – trotz anderslautender Bekundungen. Dass sie für sich auch die vermeintliche Tradition des »christlich-jüdischen Abendlandes« in Anspruch nimmt, darf nicht über den antisemitischen Bezug vieler ihrer Anhänger hinwegtäuschen. Dafür gibt es zahlreiche Belege, etwa unter den Anhängern der rechtsextremen Bewegungspartei »Die Rechte«, die nach Dresden pilgern und von Anfang an einen Großteil der Mitläufer von Pegida in Nordrhein-Westfalen ausgemacht haben.
Jüdische Allgemeine
Buchvorstellung: „Israel ist an allem schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird.“
Georg Hafner und Esther Schapiras Buch ist eine Anklageschrift gegen den Antisemitismus hinter den Tiraden der "Israelkritik" und zugleich Aufklärungsversuch über die Geschichte des israelisch-arabischen Konflikts. Anhand einer deprimierend großen Menge von Beispielen machen die Autoren deutlich, wie weitverbreitet hierzulande offene und versteckte antijüdische Affekte und Ressentiments sind – die sich freilich meist hinter der vermeintlich ehrbareren Fassade der "Israelkritik" verbergen. Schnell wird klar, dass der Kreis derer, die mit obsessiver Redundanz gegen Israel Stimmung machen, keineswegs auf extremistische Muslime beschränkt ist. Nicht nur sind sich Rechts- und Linksradikale in kaum einem anderen Punkt so einig wie in der Verdammung des "imperialistischen Zionismus".
Die Welt
Interview: Avi Primor, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland - Über Antisemitismus und Israelkritik
„Natürlich gibt es Antisemiten, die die Kritik, die heute gegen die israelische Politik geäußert wird, für ihre Thesen nutzen. Das ist eine gute Deckung. Viele Kritiker in Deutschland und auch anderswo sind aber die besten Freunde Israels. Doch natürlich ist es sehr bequem für diejenigen, die die Kritik nicht hören wollen, zu sagen: Das ist alles antisemitisch. Denn wenn man das sagt, meint man, dass die Kritik nicht rational ist – man muss sie nicht ernst nehmen und sich nicht damit auseinandersetzen. Man kritisiert uns nicht, weil wir etwas Falsches tun, sondern weil wir so geboren sind. Dazu kann man nichts sagen – sehr bequem. Natürlich ist das langfristig gesehen verheerend. Einmal habe ich in einer Kneipe ein Gespräch gehört, in dem gesagt wurde: Die Juden haben wieder Dreck am Stecken. Das ist keine sachliche Kritik, sondern antisemitisch. Aber ich finde, das ist die Meinung der Minderheit.“
Weserkurier
Kommentar: Ist es Zeit für Juden, Europa zu verlassen?
Davidsterne werden unter dem Schal verborgen, Käppchen abgesetzt: In den jüdischen Gemeinden in Deutschland und anderen Ländern Europas kursiert die Angst. Sollten Juden Europa besser verlassen? Fünfzig Jahre lang habe die Erinnerung an den Holocaust antisemitische Auswüchse auf dem Kontinent gebremst, doch die Mordanschläge von Paris, Toulouse und Kopenhagen wiesen auf ein neues Phänomen, eine Allianz aus angstvollen Inländern und Migranten, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen sähen.
Deutschlandradio Kultur
Reportage: Noch immer auf der Hut - Jüdisches Leben in Russland
Viele Juden loben, dass sich das religiöse Leben im heutigen Russland besser als je zuvor entfalten kann. Doch euphorisch werden sie nicht. Sie fürchten, dass sie unter der Isolierung Moskaus leiden könnten und der Antisemitismus zurückkehrt, wenn der Staat sich einen neuen Feind sucht.
Deutschlandfunk
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