Einfältige Logik: Lieber "Deutsch" als "Mensch" sein

Ob am Infostand oder in den Parlamenten - die NPD braucht geschulte Aktivisten, die ihre rechtsextremen Ideen in "die richtigen Worte" kleiden. Dafür hat sie intern eine "Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung" herausgegeben.

Im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen hat sich Dr. Wolf Wagner von der Fachhochschule Erfurt mit einigen der darin empfohlenen Sprachregelungen für die NPD-Kader auseinander gesetzt - und mustergültige Antworten gegeben. Belltower.news druckt in loser Folge Auszüge aus dieser Broschüre.

Die Rechtsextremen sagen: „Völker sind konkrete, greifbare Lebenserscheinungen, während es ,den‘ Menschen gar nicht gibt. Es gibt den Deutschen, den Franzosen und den Türken, aber nicht ,den‘ Menschen. Dem Menschen ,an sich‘ kann man gar nicht begegnen, wohl aber dem Russen oder dem Chinesen.“ Was ist davon zu halten?

Diese Aussage will die Gemeinsamkeit der Völker nicht zulassen. Die Deutschen seien etwas ganz anderes als alle anderen Menschen und darum müssten sie sich abseits halten von allen anderen, so die Logik der Rechtsextremen.

Doch schaut man sich diese Logik genauer an, stellt sie sich als ganz und gar unlogisch heraus. „Den Menschen gibt es nicht, es gibt nur den Deutschen, den Franzosen und den Türken“, ist von der Logik her das Gleiche wie wenn ich sage: „Den Baum gibt es nicht. Es gibt nur den Apfelbaum, den Birnbaum und den Pflaumenbaum“, oder: „Schnaps gibt es nicht. Es gibt nur Apfelschnaps, Himbeerschnaps und Nordhäuser Doppelkorn.“ Schnaps ist das, was alle Schnäpse gemeinsam haben, so wie Baum, das Gemeinsame aller Bäume ist.

Mit der gleichen Logik könnte man auch sagen: „Den Deutschen gibt es nicht, es gibt nur Hans, Marie, Ronny und Kerstin.“ Den das Wort „der Deutsche“ soll wie jeder Allgemeinbegriff das benennen, was alle Deutsche gemeinsam haben. „Der Deutsche“, „der Franzose“ und „der Türke“ sind also genau die gleiche Abstraktion von der Einzelerscheinung wie bei „der Mensch“. „Der Mensch“ beschreibt das, was alle Menschen und Völker gemeinsam haben. Wenn es „den Menschen“ nicht gibt, dann gibt es auch nicht „den Deutschen“. Auf den wollen die Rechtsextremen aber auf keinen Fall verzichten.

Wir brauchen solche Allgemeinbegriffe wie „der Mensch“. Anders könnten wir die Welt nicht verstehen. Wir würden vor der Vielfalt und Masse der Einzelerscheinungen überwältigt werden. Dem Kleinkind ist jede Einzelerscheinung, alles, was es das erste Mal sieht, neu. Es sieht, dass jeder Baum, jeder Mensch anders ist als der nächste. Nach und nach lernt es, in Bäumen Gemeinsamkeiten zu sehen und Apfelbäume von Tannenbäumen zu unterscheiden. Es lernt Männer von Frauen zu unterscheiden und die einen Onkel und die anderen Tante zu nennen. Damit hat das Kind erste abstrakte Begriffe gebildet. „Onkel“ abstrahiert von den Unterschieden zwischen den Männern und lässt das Gemeinsame, die Eigenschaft Mann zu sein, übrig. Nur so kann das Kind die Vielfalt der Welt verstehen, begreifen. Wir können dann Menschen von Tieren und Pflanzen unterscheiden, wissen, was Gesetze, was Bäume sind und was Wein und was Schnaps ist. Auch hier sperren sich die Rechtsextremen gegen eine Welt des tatsächlichen Erwachsenseins.

Wolf Wagner ist Professor an der Fachhochschule Erfurt

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre "Was die Rechtsextremen sagen" der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Wir bedanken uns für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.

Zum Thema:

| Teil 1 Die Mär vom "Dikat der West-Alliierten"

| Teil 2 Kindische Sehnsucht nach "Gemeinschaft"

| Teil 4 Vielfalt macht Neonazis Angst

| Teil 5 Unsinnig, überholt und längst widerlegt: Die Idee von der Einteilung in "Rassen"

| "Was die Rechtsextremen sagen..." Broschüre

drucken