Interne Dokumente der AfD Sachsen bringen Parteisprecher Bernd Lucke und Landesvorsitzende Frauke Petry in Erklärungsnot.
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Ein schwieriger Start - die AfD im Sächsischen Landtag

Der Jubel in den Reihen der Alternative für Deutschland war groß als die ersten Prognosen für die Sächsische Landtagswahl bekannt gegeben wurden. Am Ende des Abends stand fest, dass die junge Partei 9,7 % der Stimmen erzielt hatte und mit 14 Abgeordneten erstmals in einen Landesparlament einziehen konnte. In den folgenden Tagen bekamen die Neuparlamentarier allerdings direkt kräftigen Gegenwind zu spüren. Die Gruppierung „Anonymus Austria“ nutzte ein Datenleck und veröffentlichte Mitgliederlisten und interne Papiere der AfD Sachsen. Einige der dadurch bekanntgewordenen Informationen bringen die Partei durchaus in Erklärungsnot. Die politische Vergangenheit eines Abgeordneten führte zudem bereits zu einem ersten Amtsverzicht.

Von Marc Latsch

Im Wahlkampf musste sich die AfD immer wieder mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie am rechten Rand um Wähler buhlen würde. Eine gewisse Nähe einiger AfD-Slogans zu zentralen Vorstellungen des NPD-Wahlprogramms lässt sich auch durchaus erkennen. Dennoch distanzierte sich die Parteispitze wiederholt öffentlich von jeder rechtsextremen Tendenz in ihren Reihen. Doch nur wenige Tage nach der Landtagswahl stolpert die Partei über die früheren Mitgliedschaften eines ihrer Abgeordneten. Detlev Spangenberg hätte mit seinen 70 Jahren eigentlich das Anrecht auf den Posten des Alterspräsidenten im sächsischen Landtag besessen, wird hierauf aber verzichten. Grund hierfür sind Enthüllungen zur Vergangenheit Spangenbergs. Er soll Mitbegründer des „Bündnis für Freiheit und Demokratie“ gewesen sein, dass sich dafür einsetzt Deutschland in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen. Außerdem kandidierte er für den Verein „Bündnis Arbeit, Familie, Vaterland“ des früheren CDU-Abgeordneten Henry Nitzsche, der nach rechtslastigen Äußerungen 2006 aus der CDU austrat.

Identitäre und Rechtsrocker

Dass die Partei bei der Auswahl ihrer Neumitglieder nicht immer ganz genau hinschaut, wird auch an den von der Hackergruppe „Anonymous Austria“ veröffentlichten Mitgliederlisten der AfD Sachsen deutlich. Hier findet sich mit Paul M. aus dem Kreisverband Zwickau ein Rechtsrockmusiker. Er war Mitglied der rechtsextremen Band „Blitzkrieg“ und besitzt außerdem ein eigenes Label, das eng mit bekannten Neonazilabels und entsprechenden Versandfirmen zusammenarbeitet. Außerdem wurde gegen ihn im Zusammenhang mit der Unterstützung der verbotenen Organisation „Blood & Honour“ ermittelt. Ähnlich subtil ist auch die Faktenlage bei Hans Holger M. Der Dresdener war in der „Wiking-Jugend“ aktiv; einer Organisation die sich selbst als legitimen Nachfolger der Hitlerjugend bezeichnete und mittlerweile verboten ist. Diese Fälle könnten noch als Fahrlässigkeit und Folge einer mangelhaften Recherche der Partei durchgehen. Anders verhält es sich hingegen bei Felix Koschkar. Das Leipziger AfD-Mitglied ist aktuell auch führendes Mitglied der „Identitären Bewegung“ in Sachsen. Das paneuropäische rechtsextreme Netzwerk wird wegen seiner Nähe zu Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Eine Verbindung, die dem Sächsischen AfD-Landesverband wohl unproblematisch erscheint.

Die „deutschenfeindliche Straftat“

Doch nicht nur bedenkliche personelle Verstrickungen hat das Datenleck der AfD Sachsen hervorgebracht, auch die Inhalte der Arbeitspapiere zeigen durchaus Rechtsaußen-Tendenzen.

In den Bereichen Innere Sicherheit und Recht wird innerhalb der Partei eine „Law and Order“-Politik vorangetrieben. Die Kernforderungen der Arbeitsgemeinschaften umfassen neben einer stärkeren Polizeipräsenz und vermehrter Videoüberwachung auch das Durchführen von „zeitnahen Abschiebungen“. Das Asylrecht solle  konsequent angewendet werden und Asylverfahren beschleunigt werden -  ihr Ergebnis soll zudem einspruchslos sein. Zudem wünschen sich die Parteifunktionäre „anlassbezogene und zeitlich begrenzte Grenzkontrollen“ zurück, Schengen light sozusagen.

Im selben Positionspapier wird auch ein Klassiker rechtsextremer Forderungen geliefert: Die Einführung des Kriteriums „deutschenfeindliche Straftat“. Zudem soll der Migrationshintergrund nach Herkunftsland in der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ erfasst werden. Überzeugte NPD-Anhänger dürften sich auch über zwei weitere Ansätze der AfD freuen. Kindergeld soll demnach für Kinder nichtdeutscher Staatsbürger nur noch in dem Maße ausgezahlt werden, wie es in deren Heimatländern üblich ist. Dabei darf der Maximalbetrag von 75 % des deutschen Kindergelds nicht überschritten werden.

Außerdem soll in der Schule nicht mehr so viel von der „Schreckensherrschaft der NSDAP“ berichtet werden. Das Thema besitze keine so große Bedeutung für unser Land. Viel wichtiger sind da doch die Sternstunden des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert, auf ihnen soll in Zukunft der deutliche Schwerpunkt im Geschichtsunterricht liegen. Diese und weitere abstruse Forderungen der Partei, so wird beispielsweise noch eine „in Sachsen gültige Leitkultur in Bezug auf das anzustrebende Verhalten von Kindern und Jugendlichen" gefordert, zeigen eins ganz deutlich: Das Problem der Alternative für Deutschland sind nicht einige personelle Randphänomene, die sich in ihren Reihen verirrt haben. Das Problem ist die Partei selbst und ihre inhaltliche Ausrichtung, die mit einer offenen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts absolut nicht vereinbar ist.

Update 09.09.2014

Die AfD-Mitglieder und das Strafrecht: Ein massiver Angriff auf Grundrechte

Auch die Leipziger Internetzeitung berichtet heute über die Papiere des AfD-Leaks und beleuchtet die dort niedergeschriebenen Ideen unter dem ebenfalls interessanten Aspekt der Verfassungsgemäßheit, also ob diese beziehungsweise welche dieser Ideen mit dem Grundgesetz vereinbar sind  (l-iz.de).

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