Fest steht: Es sind alte Inhalte in neuem Gewand. Derzeit sprießen zahlreiche Gruppen der so genannten "Identitären Bewegung" aus dem Boden, vor allem im Internet ist das Phänomen zu beobachten. Die "Identitären", wie sie sich selbst nennen, vermengen Elemente unterschiedlicher Jugend-Popkultur mit mehr oder minder subtiler Islamfeindlichkeit.
Von Alice Lanzke
Ein gelbes Lambda auf schwarzem Grund: Das Symbol prangt auf zahlreichen Bannern und Bildern, die via Facebook, Blogs und anderen Internetmedien schnell Verbreitung finden. Es ist das Logo der "Identitären Bewegung", einem selbstgewählten Sammelbegriff für eine wachsende Zahl von Gruppen, die sich ebenfalls mit dem Lambda in der markanten Farbgebung schmücken. Seit einigen Wochen ist das Phänomen in Deutschland zu beobachten, seinen Ursprung hat es in Frankreich: Hier sorgen die Strömungen "Jeunesses Identitaires" und "Bloc identitaire" seit einiger Zeit für Aufruhr, etwa durch die Besetzung eines Moscheedachs. Es folgte die Gründung identitärer Gruppen in Österreich, die etwa mit einer rassistischen Tanzeinlage in Wien schockten.
Nun ist die identitäre Bewegung auch in Deutschland angekommen. So stürmten drei mit Guy Fawkes- und Scream-Masken verkleidete Männer die Eröffnungsveranstaltung der "interkulturellen Wochen" am 30. Oktober in der Frankfurter Zentralbibliothek und wedelten dabei mit Schildern, auf denen "Multikulti Wegbassen" und "IBD" stand – die Abkürzung für "Identitäre Bewegung Deutschland". Gleichzeitig dröhnte Musik aus einem Ghettoblaster. Der skurrile Auftritt ist symptomatisch für die identitäre Bewegung: Aktions- und Partyelemente werden vermengt mit kryptischen Botschaften, bei denen sich der politische Gehalt nicht sofort erschließt. Kein Wunder also, dass selbst einschlägige rechtsextreme Medien noch rätseln, wie das Phänomen zu bewerten sei. Überraschend sind in jedem Fall die Geschwindigkeit und die Professionalität, mit der sich die Bewegung vor allem im Internet ausbreitet. Schon gibt es die ersten T-Shirts und andere "Fanartikel" mit dem Logo der Bewegung zu bestellen. Dies lässt vermuten, dass ein gut organisiertes Netzwerk dahinter steht, dass den massenhaften Output schon länger vorbereitet hat.
Was will die identitäre Bewegung?
Die politischen Ziele der identitären Bewegung sind auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen. Und das macht sie so gefährlich. Die Parole "100 % Identität – 0% Rassismus" klingt erst einmal unverfänglich. Dass die Parole nur als Deckmantel für antimuslimischen Rassismus dient, wird in der weiteren Beschreibung erst auf den zweiten Blick deutlich. Man muss es schon bis zum Ende der Beschreibung schaffen, um die typischen Schlagworte zu entdecken: "Wir wollen das Überleben unseres Volkes und aller Völker Europas und den Schutz unseres Kontinents vor Überfremdung Massenzuwanderung und Islamsierung!" (Fehler im Original). Das Thema "Volkstod" wird gut verdeckt und ist trotzdem ein eindeutiger Verweis auf die Nazi-Inhalte.
Klickt man sich durch die Website der "Identitären Bewegung Deutschland" werden die Motive eindeutiger:
"Uns Identitären geht es um den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität, die heute durch den demographischen Kollaps, die Massenzuwanderung und die Islamisierung bedroht ist. Wir lieben unser Land und stehen zu unserer Tradition. Wir sind Patrioten. Als Patrioten können wir unser Heimat in der Stunde der Gefahr nicht im Stich lassen. Jeden Identitären drängt es zur Tat."
Auf dieser und anderen einschlägigen Seiten wird über eine vermeintlich all umfassende und "erstickende" Political Correctness gewettert und ein "manischer Antifaschismus" angeprangert, der alles und jeden "als Nazi diffamiere". Konkret heißt es dann zum Thema Forderungen:
"Wir wollen eine kulturell-geistige Revolution, die Werte wie Tradition, Heimat, Familie, Kultur, Volk, Staat, Ordnung, Schönheit u.v.m. wieder zu positiven, erstrebenswerten Begriffen statt zum Gegenstand für‘s Kabarett und die PC-Inquisitoren macht."
Durch den vordergründig angegebenen Ausschluss von Rassismus versuchen die Identitären anschlussfähig zu erscheinen. So wird betont, dass man jeden chauvinistischen Rassismus oder jeden Nationalismus, der andere Kulturen abwerte, ablehne. Schon im nächsten Atemzug wird aber betont, dass der größte Rassismus in Deutschland von "migrantischen Banden gegen Deutsche" ausgehe – die Gegensätze und Widersprüchlichkeiten in diesen Aussagen scheinen die Identitären nicht zu kümmern. So wird einerseits die Ungleichheit jedweder Gruppen abgelehnt, gleichzeitig will man aber lieber "unter sich" bleiben.
Die symbolischen Bezüge der Identitären
Wie bereits erwähnt, ist das Symbol der "Identitären Bewegung" das griechische Lambda. Dieses zierte auch die Schilde spartanischer Soldaten und wurde im Zuge des Hype um den Film "300" von Zack Snyder populär. Die Bezugsebene ist gerade in Zusammenhang mit dem Film klar: Da wehrt sich eine tapfere zahlenmäßig unterlegene Truppe gegen die anstürmenden fremden Horden – das Edle und Gute gegen das Fremde, Barbarische.
Überhaupt betten die Identitären ihre Botschaften gerne in (populär-) kulturelle Bezüge ein. So sind Motive aus dem Blockbuster "Avatar" beliebter Bestandteil von Fotomontagen der Identitären. Auch hier wird eine scheinbare Parallele zwischen Filmhandlung und Position der Identitären aufgebaut: Das reine Naturvolk, das sich gegen die feindliche Invasion wehrt. Die Benutzung dieser bekannten und populären Figuren soll die Anschlussfähigkeit der Identitären vergrößern.
Wie ist die Identitäre Bewegung zu bewerten?
Noch ist unklar, wie anschlussfähig die Identitären tatsächlich sind. Es ist zu befürchten, dass das jugend-affine Auftreten, die Aktionen mit "Event-Charakter" und die sehr gut gemachten Online-Kampagnen eine entpolitisierte Zielgruppe ansprechen könnten, zumal immer wieder ein vermeintliches Rebellentum propagiert wird. Insgesamt richten sich die Identitären so mehr an die gesellschaftliche Mitte, in der islamfeindliche Botschaften durchaus auf fruchtbaren Boden fallen könnten – vor allem, wenn sie derart geschickt verpackt sind. Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass zwar viele lokale, identitäre Gruppen aus dem Boden schießen, dass aber entsprechende Facebook-Seiten selten mehr als eine Handvoll Mitglieder haben. Es bleibt also zu hoffen, dass auch dieses Phänomen so schnell wieder verschwindet, wie es aufgetaucht ist.