Das Internet ist für „Autonome Nationalisten“ und andere „Freie Kameradschaften“ ein zentrales Medium. Hier werden Informationen über die Bewegung an sich und deren Entwicklung ausgetauscht. Veranstaltungshinweise mobilisieren zu Demonstrationen oder Konzerten. Verschiedene zentrale Webseiten ermöglichen die Vernetzung der „autonomen“ regionalen Gruppen. Lebhaft diskutiert werden auch Ansichten über das Selbstbild und Selbstverständnis des eigenen Neonazismus.
Von Hannah Frühauf
Vernetzung im Internet
Zentrale Rollen im Netzleben der „Autonomen Nationalisten“ spielen beispielsweise die Webseiten „widerstand“ und „logr“. Die Seite „widerstand“ hat nach eigenen Angaben das Ziel „eine bundesweite Infrastruktur für nationale Aktivisten zur Verfügung zu stellen“. Die Seite enthält einen Neonazi-Newsticker, der aktuelle Nachrichten rund um die rechtsextreme Welt zusammenstellt und aktuelle Veranstaltungshinweise. Auch ein Online-Radio wird über die Webseite betrieben – ganze 878 Lieder werden den rechtsextremen Hörerinnen und Hörern hier angeboten. Neben einem Forum zum internen Austausch können die Besucherinnen und Besucher der Seite ein Bilder- und Videoarchiv nutzen. Über den Menü-Punkt „Kontakt in deine Region“ kann man bequem per Mausklick eine Stadt auswählen und gelangt so direkt zu einer entsprechenden, lokalen Neonazi-Gruppe. Weiter gibt es eine „Topliste“ - hier entsteht quasi die „Hitparade“ der beliebtesten Neonazi-Webseiten. Homepages lokaler Gruppen oder Kameradschaften, Neonazi-Versandbetriebe oder rechtsextreme Mobilisierungsseiten können sich hier registrieren und einen „Topliste-Button“ auf ihrer eigenen Seite installieren. "Fans" der unterschiedlichen Seiten können dann über das Anklicken des Buttons dafür sorgen, dass die Seite unter den „TopTen“ landet. Momentan führt der „Resistore-Vertrieb“, ein Neonazi-Versandbetrieb, die Liste an. Gefolgt wird er von der Homepage der „Nationalen Sozialisten Rostock“.
Bloggen für Neonazis
Die Seite „logr“ ist ein Blog-Anbieter. Neonazis können über diesen Anbieter ihre eigenen Blogs erstellen. Die Seite der AN-Schüler CD „Jugend in Bewegung“ – eine rechtesextreme Propaganda-CD - wird beispielsweise über „logr“ betrieben. Auch die Mobilisierungsseite zum „Antikriegstag 2011“ in Dortmund findet über diesen Blog-Hoster statt. Seit Jahren versuchen die „Autonomen Nationalisten“ mit dem „Antikriegstag“ in Dortmund ein Neonazi-Großereignis zu etablieren. Auch die Homepages „Art of Resistance. Nationale Kunst“ und „Straßenkunst“ werden über diesen Anbieter betrieben. Beide Seiten dienen dazu, den neuen „Lifestyle“ der „Autonomen Nationalisten“ und anderen „Freien Kameradschaften“ - vor allem in Kombination mit rechtesextremen Inhalten - zu präsentieren, auszutauchen und zu verbreiten. „Widerstand“ und „logr“ werden Medienrecherchen zufolge von einem bekannten Neonazi aus Dortmund betrieben.
Selbstdarstellung im Netz: „Wir holen uns die Jugend da ab, wo sie sich befindet“ (Freie Kräfte Celle)
Es gibt keine offizielle Selbstdefinition seitens der „Autonomen Nationalisten“ und anderer „Freier Kameradschaften“. Schließlich zeichnet sich die Bewegung ja gerade dadurch aus, dass sie schwer greifbar ist: „Autonome Ortsgruppen, […] können […] frei agieren und nicht wie Parteien und Vereinigungen dem Wertediktat des Staates unterliegen“, heißt es dazu auf der Homepage der „Autonomen Nationalisten Ahlen“. Dennoch findet man auf den Webseiten lokaler Gruppen immer wieder Ansätze von Selbstbeschreibungen: „Es ist egal wie du aussiehst und was für Musik du hörst. Einzig und allein die Ideologie und das Wohl deines Volkes sollte dir am Herzen liegen, wenn du bei uns mitmachen willst“. Mit dieser „Anything goes“-Beschreibung werben die „Freien Kräfte Königs-Wusterhausen“ auf ihrer Homepage um neue Anhänger und fassen die wichtigste Botschaft der „Autonomen Nationalisten“ zusammen: Alles ist erlaubt, so lange man von Herzen ein Neonazi ist. Einen Grund für diese neue Offenheit liefern die „Autonomen Nationalisten Wetzlar“: „Wir wollen erreichen, dass national-denkende Menschen den Anschluss an unsere revolutionäre Bewegung möglichst einfach finden können“. Wenn die einzige „Hürde“, der Gruppe anzugehören, daraus besteht, ein Rechtsextremer zu sein, bequemt dies den Einstieg in die Neonazi-Bewegung natürlich ungemein. Man muss nicht aussehen wie der „Führer“ persönlich und kann statt „Kehrreim“ oder „Weltnetz“ auch einmal „Refrain“ und „Internet“ sagen. Die „Autonomen Nationalisten Wetzlar“ beschreiben auf ihrer Homepage einen “Do it yourself”-Aktivisten“, der „ aktiv und vor allem kreativ politische Arbeit betreibt, ohne sich an feste Organisationen binden zu müssen“. Die Autonomie des Neonazis besteht also in der Möglichkeit „seine eigene Kreativität in seine Aktivitäten einfließen zu lassen“ und gleichzeitig im Schutze der Anonymität seine menschenverachtende Ideologie verbreiten zu können - denn wer “ offiziel überhaupt nicht existiert“, kann auch nicht verboten werden.
Autonom und National? Die Bewegung erklärt sich im Internet
Die „Modernisierung“ des Neonazismus durch die „Autonomen Nationalisten“ wird nicht von allen Rechtsextremen begrüßt. Diskussionen darüber werden vor allem im Internet angeregt geführt. Häufig enden diese in einem pathetischen Kompromiss frei nach dem Motto „So lange es der Sache dient, ist alles erlaubt“ - zwischen einem „Autonomen Nationalisten“ und einem „traditionellen“ Neonazi besteht dann zwar Uneinigkeit darüber, wie Neonazismus ausgelebt werden sollte, doch an der Tatsache, dass er ausgelebt werden sollte, besteht auf beiden Seiten kein Zweifel. In einem Interview der „Freien Nationalisten Witten“ mit der Neonazi-Band „Blue Max“ fragt der Interviewer die Band, was sie darüber denken, dass es einen „NS-Schwarzen Block“ nach Vorbild des Schwarzen Blocks der Linken gibt. Die Band antwortet: „Uns würde es stören so, rum zulaufen wie irgendwelche Linke aber es geht jeder seinen Weg den er für richtig halten tut“ . Im „Thiazi-Forum. Germanische Weltnetzgemeinschaft“ - einer einschlägigen Neonazi-Diskussionsplattform im Internet – erklärt der „Autonome Nationalist“ Magog einem, über die Autonomie besorgten Altnazi, wie die „Autonomen Nationalisten“ zum „Führerprinzip“ stehen: „Was das Führerprinzip der ANS angeht, kann ich nur sagen, dass die Gruppierung sich im Moment eben an keine Partei oder Person hält, weil es im Moment einfach noch nicht den/das richtige gibt, an das man sich bedingungslos halten kann. In einem NS Staat wären sie aber jeder Zeit bereit sich genauso in die Volksgemeinschaft einzugliedern wie jeder andere auch!“. Das alte Ziel „NS-Staat“ bleibt also beibehalten, der Weg dahin wird lediglich modernisiert.
„Autonomer Nationalismus“ – keine Weltschauung und keine Subkultur
Immer wieder betonen die „Autonomen Nationalisten“, dass ihr moderner Lebensstil nicht mit ihrem Neonazi-Dasein im Widerspruch steht. Dazu heißt es auf der Homepage der „Autonomen Nationalisten Wetzlar“: „Der Nationale Sozialismus ist eine progressive Weltanschauung, das heißt, dies muss sich auch im Erscheinungsbild bemerkbar machen“. Wichtig ist ihnen dabei, dass ihre Bewegung nicht mit einer eigenen Ideologie in Verbindung gebracht wird, sondern als Teil der rechtsextremen Bewegung verstanden wird: „Der Autonome Nationalismus bezeichnet eine Agitationsform, welche sich die letzten Jahre innerhalb der nationalen Bewegung entwickelt hat. Eine eigene Weltanschauung o.Ä. ist mit AN nicht gemeint“. Die Betreiber der Seite „Strassenkunst“, auf der Graffitis, Sprühschablohnen und Zeichnungen mit rechtsextremen Motiven gesammelt und bereit gestellt werden, gehen ganz offen mit dem Widerspruch des modernen „Lifestyle“ der „Autonomen Nationalisten“ und den alten Inhalten des Nationalsozialismus um: „Wir nannten das Ganze „strassenkunst...“ weil wir uns nicht anmaßen wollen solche Art von Kunst mit wirklich deutscher Kunst zu vergleichen oder gleichzustellen. Es ist lediglich eine Plattform auf der Leute ihre Entwürfe und Bilder veröffentlichen sollen, um zu zeigen, wie kreativ der nationale Widerstand ist“. Dies macht noch einmal deutlich: Für die „Autonomen Nationalisten“ ist der moderne „Lifestyle“ nur Mittel zum Zweck. Der Eindruck, dass mit den „Autonomen Nationalisten“ eine Subkultur entstehe, soll daher in jedem Fall vermieden werden. In dieser Hinsicht sind die „Autonomen Nationalisten Ahlen“ kritischen Beobachtern aus den eigenen Reihen sogar dankbar: „Die autonomen Nationalisten, sowohl im Kollektiv als auch im Individuum, bezeichnen eine Aktionsform- nicht mehr und nicht weniger. Es ist jedoch als Positiv zu bewerten, dass diese Entwicklung hin zur Subkultur von vielen Aktivisten erkannt und verhindert wird“ .
Das Internet wird von den „Autonomen Nationalisten“ als Werbeplattform in eigener Sache und als Mittel zur Positionierung innerhalb der Neonazi-Bewegung genutzt. Die Neonazis haben bereits gemerkt, dass sie nicht unverblümt ihre rassistischen Botschaften verbreiten können, so heißt es bei „widerstand.info“: „Zum Schutz aller Mitglieder und Besucher werden nur Seiten zugelassen, die nach BRD Recht nicht strafbar sind. Seiten die erst nach der Anmeldung illegale Inhalte auf ihren Seiten veröffentlichen werden gelöscht“. Slogans wie „Gegen System und Kapital. Uns Kampf ist national!“ oder „Nationaler Sozialismus Jetzt!“ welche im Internet verbreitet und in Form von Graffitis, Sprühschablonen, Aufklebern usw. im „realen“ Leben umgesetzt werden, stehen für einen subtilen Rassismus mit klarer Botschaft – die Handschrift der „Autonomen Nationalisten“.
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