Der Traum von der Westausdehnung

Am 28. September wählt Bayern einen neuen Landtag. Die NPD hofft wegen der Rückerstattung von Wahlkampfkosten auf mindestens ein Prozent und langfristig auf den Freistaat als „Brückenkopf“ in den Westen.

Von Britta Schellenberg

Der Mann im blauen Hemd antwortet gelassen auf alle Fragen und schließt verbindlich mit dem Satz: „Laden Sie mich doch danach noch mal ein und dann diskutieren wir das: Ob ich recht hatte oder nicht“. Der Fernseh-Auftritt von Sascha Rossmüller im Bayrischen Rundfunk hat die rechtsextreme Partei möglicherweise einen Schritt näher an ihre Ziele gebracht. Nur eine Woche vor der Landtagswahl gaben die beiden Moderatoren dem NPD-Spitzenkandidat die Möglichkeit, sich moderat, souverän und volksnah zu präsentieren – ohne seine extremen Ansichten zu sehr zur Schau tragen zu müssen. Im Gegenteil: Die Sendung, als ‚Gesprächsrunde mit im Landtag nicht vertretenen Parteien’ konzipiert, dürfte den einen oder anderen Zuschauer Glauben gemacht haben, dass diese Partei häufig zu unrecht verurteilt wird und in der Tat demokratisch einwandfrei und damit wählbar ist. Die Partei hat die Sendung umgehend als Werbespot auf ihre Homepage gesetzt.

Tatsächlich hat sich die NPD-Führungsriege alle Mühe gegeben, um im Freistaat auch bürgerliche Wähler anzusprechen: Die Spitzenkandidaten kommen in Hemd und Anzug daher, sie reden bayrisch, fränkisch oder schwäbisch. Der Werbeslogan „Heimat statt Globalisierung“ klingt für viele akzeptabel. Dennoch bleibt das Programm rechtsextrem. Inhaltlich bleibt sich die Partei treu, ohne zu sehr zu verschrecken: Sie wettert gegen die Globalisierungs- und „Polit-Bonzen“, fordert die Ausweisung von Ausländern, spricht gegen Genfood und Rauchverbot und will die Familien unterstützen.

Versuchter Imagewandel

Rossmüller weiß: Er und seine Partei haben keine Chance ohne Wähler, die gemäßigter sind als die NPD. Jahrelang hatte die NPD in Bayern das Image der ewig-gestrigen, prügelnden Neonazis. Zum Imagewandel gehörte auch die Gründung der ‚Bürgerinitiative Ausländerstopp’ vor einigen Jahren. Mit dem Ziel gegen Ausländer und Muslime Stimmung zu machen, wurden die Initiativen mit finanzieller und personeller Unterstützung der NPD in Nürnberg und in München gegründet. Diese Taktik zeigte Erfolge: Ralf Ollert, Landesvorsitzender der bayrischen NPD und Spitzenkandidat in Franken, sitzt heute mit einem Mitstreiter im Stadtrat von Nürnberg. Karl Richter, NPD-Spitzenkandidat für Franken, sitzt im Münchener Rathaus. Jetzt hat sich die NPD getraut, zu den Landtagswahlen höchst selbst anzutreten. Und zwar flächendeckend, in allen 91 Wahlkreisen.

Dabei spielt NPD ‚daheim’, ihre höchsten Funktionäre sind hier zu Hause. Der Bundesvorsitzende Udo Voigt, der in München studierte, wohnt heute in Moosburg (Oberbayern). Der bayrische Spitzenkandidat Rossmüller ist stellvertretender Parteivorsitzender. Für die nationaldemokratische Jugend zuständig ist der Münchener Neonazi Norman Bordin - als stellvertretender Chef des NPD-Nachwuchses im Bund und als ihr bayrischer Landesvorsitzender.

Wenn nicht heute – vielleicht morgen?

Langfristig träumen die Funktionäre den Traum der Westausdehnung: Großspurig hatte die Partei verkündet, Bayern solle ein „Brückenkopf“ in den Westen werden. Das bayrische Ergebnis bei der Bundestagswahl 2006 schien den Anfang einer realen Chance zu markieren: Die NPD kam auf 1,3 Prozent. Und auch der hohe Mitgliederanteil in Bayern – ein Siebtel der Mitglieder kommt aus dem Freistaat - schien für den Traum zu sprechen. Noch steht die Wahl bevor, doch aufgewacht sind die NPDler bereits: der Einzug in ein westliches Parlament wird wohl nicht erreicht. Jetzt geht es um kleinere Ziele. Die Ein-Prozent-Hürde, um in den Genuss von Wahlkostenerstattung zu kommen. Und zu analysieren, in welchen Gegenden man punkten kann. Denn es gibt einige Gründe, die gegen größere Erfolge in Bayern sprechen:

So gibt es kaum eine Partei, die nicht auf Heimatverbundenheit setzt. Insofern kann sich die NPD mit diesem Thema kaum hervortun. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte unlängst den Bayern eine „besondere Nähe zum Rechtsradikalismus“, hauptsächlich aufgrund ihres ausgeprägten „nationalen Chauvinismus“ bescheinigt. Die CSU-Regierung wies diese Einschätzung empört zurück. Tatsächlich scheint in diesem Zusammenhang die Analyse Günther Becksteins stimmig: „Wir in Bayern leben einen aufgeklärten Patriotismus, und das führt dazu, dass die NPD hier keinen Fuß auf den Boden bekommt“, sagte er unlängst gegenüber Netz-gegen-Nazis. Der Blick der NPD wandert für bayrische Vorlieben einen Tick zu schnell vom heimischen Bavaria zu Groß-Deutschland.

Zudem fehlt der Partei die Verankerung in der Bevölkerung. Von den 35 Bezirksverbänden sind rund ein Drittel nicht aktiv. Und da ist auch noch die Konkurrenz: Gerade im ländlichen Raum, wo die NPD in anderen Bundesländern besonders punkten kann, ist die CSU in Bayern tief verwurzelt. Und die zeigt sich auf dem Land sehr offen zum rechten Rand. Zudem sind selbst die rechtsradikalen Republikaner stärker im ländlichen Bayern verankert. Sie sind zwar politisch eher bedeutungslos, können aber noch Wähler mobilisieren (bei den letzten Landtagswahlen 2,2 Prozent). Da es – anders als zwischen NPD und DVU - mit den Republikanern keinen Wahlpakt gibt, kämpfen sie um Wählerstimmen.

Außerdem gelingt der NPD in Bayern die Anbiederung an die Mitte nicht besonders: Zumindest ist die radikale, ja rechtsextremistisch-paramilitärische Seite der NPD keineswegs kaschierbar: Ob prügelnde Neonazis als NPD-Wahlhelfer auffallen oder ein Kamerad wie Mathias Bauerfeind im Wahlkreis Rhein-Spessart für sich und das Image des aggressiven, anpackenden Straßenkämpfers wirbt. Die rechtsextreme und aggressive Orientierung der Kandidaten und vor allem der Anhänger bei Demonstrationen oder Wahlveranstaltungen schreckt die ‚normalen’ Bürger eher ab.

Interessant in Bayern wird daher zum einen sein, in welchen Gegenden die NPD am besten da steht. Zum anderen wie stark die Partei bei den Erst- und Jungwählern punkten kann. Rechtsextreme Subkultur – unter anderem durch die NPD-Schulhof-CD auch in Bayern lanciert – könnte mittelfristig den Boden für eine entsprechende Wählerschaft bereiten. Also kein zufriedenes Zurücklehnen. Es gibt langfristig keine Entwarnung, auch nicht für Bayern.

Britta Schellenberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des CAP der
Ludwig-Maximilians-Universität München.

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