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"Demo für Alle" in Berlin: Homo- und Transfeinde geben Unterschriften gegen "Ehe für Alle" ab

Seit Anfang September tourt die homo- und transfeindliche "Demo für Alle" durch Deutschland. Anlässlich der Bundestagswahl fährt ein sogenannter "Bus der Meinungsfreiheit" durch die Republik. Insgesamt gab es Kundgebungen in zehn Städten, alle wurden von lautstarken Gegenprotesten begleitet. Am Freitag (15.09.2017), einen Tag vor dem fundamentalistischen “Marsch für das Leben”, bei dem Abtreibungsgegner durch Berlin ziehen, war der letzte Stopp des Busses in Berlin.

Von Stefan Lauer

Organisiert wird die Bewegung von der katholischen Aktivistin Hedwig von Beverfoerde. Angelehnt an die französischen Proteste gegen die Eheöffnung für homosexuelle Paare, hatte sie in Stuttgart die "Demo für Alle" mitangestoßen, um den 2013 angekündigten Bildungsplan zu verhindern. Laut dem Plan sollten baden-württembergische Schulkinder erfahren, dass es homo- und transsexuelle Menschen gibt und sie dann auch zu allem Überfluss akzeptieren. Inakzeptabel für die katholische Landadlige.

Hedwig von Beverfoerde bei ihrem Redebeitrag vor dem sogenannten "Bus der Meinungsfreiheit"

Das ehemalige CDU-Mitglied (bis 2016) von Beverfoerde ist Mitgründerin und war Sprecherin der "Bürgerinitiative Familienschutz". Die wiederum ist Teil der "Zivilen Koalition" und wird heute durch Sven von Storch vertreten, dem Ehemann von Beatrix von Storch.

Das erklärte Ziel der aktuellen Bus-Aktion: die "Ehe für Alle" noch irgendwie verhindern. Von Beverfoerdes Auftritt in Berlin ist auch deshalb das große Finale der Deutschlandtour, weil in der Hauptstadt eine Petition namens "Ehe bleibt Ehe" mit 220.000 Unterschriften abgegeben werden soll. So wird es zumindest auf der Facebookseite der Bustour angekündigt. Schon seit mehreren Jahren sammeln die Aktivisten Unterschriften.

Screenshot der Facebookseite der Organisatoren (15.09.2017)

Schaut man sich aber die Website der Petition auf dem Portal "Citizen Go" an, sind es eigentlich nur 194.020 Unterschriften (Stand 15.09.2017). Das Ziel von 200.000 wurde bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht erreicht.

Screenshot der Petition bei "CitizenGo"

Der von den Fundamentalisten so bezeichnete "Bus der Meinungsfreiheit" ist dabei an den "Anti-Trans-Bus" der spanischen Organisation "HazteOir.org" ("Verschaff' dir Gehör"") angelehnt. Der spanische Bus durfte unter anderem nicht durch Madrid fahren, weil er mit menschenverachtenden und transfeindlichen Slogans beklebt war. Das für Sicherheit zuständige Ratsmitglied in Madrid, Javier Barbero, bezeichnete das Fahrzeug als "Bus der Schande". Später fuhr der gleiche Bus auch in den USA, Chile und Mexiko. Immer wieder kam es zu massiven Gegenprotesten.

Aus der spanischen Anti-Trans-Gruppierung geht dann auch das Petitionsportal "Citizen Go" hervor, dass die aktuelle Aktion über Twitter und Facebook unterstützt. Der Deutschland-Chef der Website, Eduard Pröls, ist persönlich an Bord. Pröls trommelt offenbar schon seit Jahren gegen die "Ehe für Alle" und hat mit von Beverfoerde jetzt die perfekte Partnerin gefunden.

Etwa 200 Menschen versammelten sich zu friedlichem Gegenprotest

Genau wie in den neun anderen deutschen Städten, wurde der von Gegnern so bezeichnete “Bus der Schande” auch in Berlin von lautstarken Gegenprotesten empfangen. Etwa 200 Menschen hatten sich mit Regenbogenfahnen und Transparenten eingefunden. Zur Gegendemo hatten zahlreiche Berliner Verbände und Parteien aufgerufen, unter anderem das Aktionsbündnis gegen Homophobie, die Berliner Aids-Hilfe e.V., die Veranstalter des CSD, die AktivistenGruppe “Enough is Enough”, der LSVD, die FDP Schöneberg und die LGBT*-Vertreter von SPD und den Grünen und die Ibn Rushd Goethe Moschee.

Ganz persönlich wurden die Fundamentalisten um von Beverfoerde von Anja Kopfbinger (Bündnis 90 / Die Grünen) aus dem Berliner Abgeordnetenhaus begrüßt: “Herzlich Willkommen und Tschüß”, so Kopfbinger, “Berlin braucht keine Hinterwäldler von der Schwäbischen Alb. Ihr Lieben, wir wollen euch hier nicht.”

Anja Kopfbinger begrüßt die Anti-Homo-Aktivisten persönlich und bittet darum, dass sie gleich wieder verschwinden

Bevor die Fundamentalist_innen dieser Bitte Folge leisteten, gab es dann allerdings doch noch eine kurze Kundgebung, die immer wieder durch Zwischenrufe von Gegendemonstrant_innen und Trillerpfeifen gestört wurde. Wirklich neues war dabei nicht zu hören. Die Anti-Homo-Aktivisten wiederholten die Geschichte von der angeblich jahrtausende alten Ehe, die durch homosexuelle Aktivist_innen in Gefahr gebracht würde, Kinder würden durch Aufklärung über Homo- oder Transsexualität gefährdet, Frühsexualisierung drohe und Kinder, die nur mit einem Elternteil oder, noch schlimmer, mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, seien stärker durch Drogen, Kriminalität und gar Selbstmord gefährdet.

Abschiedsfoto mit den gesammelten Unterschriften. Hedwig von Beverfoerde mit offenem Ordner. In blau mit Zopf: Eduras Pröls, Chef der deutschen Version von "Citizen Go" 

Manfred Spieker, emeritierter Professor für christliche Sozialwissenschaften und seit dem Beschluss zur Eheöffnung in Deutschland Ex-CDU-Mitglied, konnte dann auch noch allen Ernstes verkünden, dass Sexualkundeunterricht zwar ein Pflichtfach an deutschen Schulen sei, aber genauso verpflichtend sei es, nur über Heterosexualität aufzuklären.

Von Beverfoerde forderte bevor sie die Veranstaltung beendete, von Angela Merkel persönlich, die Entscheidung des Bundestags zur “Ehe für Alle” vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.

Obwohl danach die Bustour ofiziell beendet war, dürfte den Homohassern der Abschied nicht schwergefallen sein, vermutlich wird man sich schon am Samstag im Kampf gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen beim “Marsch für das Leben” wiedersehen. 

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