Das nächste Nazi-Großereignis in Thüringen: Das "Fest der Völker" in Pößneck

Das internationale Nazitreffen „Fest der Völker“ findet dieses Jahr am 12. September in Pößneck statt. Das „Fest der Völker“ ist Vernetzungsort für mehrere tausend Neonazis. Ziel ist eine „Europa der Vaterländer“ – Ethnopluralismus in Reinform. Auch 2009 zeigen sich viele Größen der europäische „Blood & Honour“ Szene.

Von Nora Winter

Majestätische Musik erklingt. Die Kamera schlängelt sich durch die Ruinen der Akropolis, ein Athlet wirft in Zeitlupe einen Speer, eine Gruppe Frauen tanzt in synchroner Einheit. Die Mitglieder der nationalen Mannschaften kämpfen um den Lohn als stärkste Nation. Leni Riefenstahl drehte „Olympia – Fest der Völker“ 1936. Die NPD Jena nutzt den Namen für ein internationales Nazitreffen: Seit 2005 treffen sich Rechtsextreme zum „Fest der Völker“ in Thüringen. Als Redner und Bands stehen Neonazis aus ganz Europa auf der Bühne. Oft sind sie Teil des internationalen Blood & Honour Netzwerkes, das trotz Verbots in einzelnen Ländern weiter aktiv ist.

Warum in Pößneck?

Erstmals fand das „Fest der Völker“ im Juni 2005 in Jena statt. 2006 wurde es im Juni wegen der Fußballweltmeisterschaft verboten – fand dann aber im September statt. 2008 musste die NPD auf Altenburg ausweichen. Viele Initiativen hatten gegen das Neonazi-Fest demonstriert. Dieses Jahr muss Pößneck dran glauben. In Pößneck besitzt der NPD-Funktionär Jürgen Rieger ein Schützenhaus. Dieses dient der organisierten Naziszene als Anlaufpunkt und Organisationszentrale. Dabei ist die Naziszene vor Ort laut Bürgermeister Michael Modde relativ schwach: „Bei den Stadtratswahlen trat kein einziger NPD-Kandidat an.“.Frühere Nazikonzerte im Schützenhaus ließ die Stadt verbieten. Der Bürgermeister sieht in der Ortswahl für das „Fest der Völker“ nun eine provokative Retourkutsche: „Wir haben sie in letzter Zeit viel geärgert.“

Ethnopluralismus als modernisierter Rassismus

Erwartet werden in Pößneck am 12. September 2009 bis zu 2000 Neonazis aus ganz Europa. Leitspruch ist „Für ein Europa der Vaterländer“. Das ist auch das Motto der Europäischen Nationalen Front (ENF), einem Zusammenschluss nationalistischer Parteien aus Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich. Kennzeichnend für die ENF und das „Fest der Völker“ ist ein ethnopluralistisches und sozialdarwinistisches Weltbild. Das „Europa der Vaterländer“ soll ein Gegenentwurf zum Kosmopolitismus und zum „Multi-Kulti“ der Europäischen Union sein. Ziel dabei ist eine ethnisch-biologische Homogenität, die nationale Identität schaffen soll. Statt von „Rasse“ wird von „Kultur“ gesprochen. Plastisch heißt das „Deutschland den Deutschen. Die Türkei den Türken“. Es geht also um vermeintliche Homogenität nach innen und maximale Differenz nach außen.

Prinzipiell ist „Ethnopluralismus“ also nur eine modernere Bezeichnung für Rassismus. In der Praxis funktioniert das Konzept bisher nicht. So zerbrach etwa die rechtsextreme Fraktion „Identität Tradition Souveränität“ (ITS) im Europaparlament nach kürzester Zeit wegen gegenseitiger Rassismusvorwürfe.

Die Redner und ihre „arische Hoffnung“

In diesem Jahr ist die NPD sehr mit Wahlkampf beschäftigt. Dafür stehen bereits acht Redner aus sieben europäischen Staaten fest. Die Zusammenstellung illustriert einerseits die Verknüpfung der gewaltbereiten sogenannten „freien Kräfte“ mit Parteiorganisationen und die europäische Vernetzung dieser Organisationen andererseits.

Matthias Fischer etwa ist Kreisvorsitzender der NPD Fürth, aber auch Mitglied der Kameradschaft „Fränkische Aktionsfront“. Ein Tattoo mit der Aufschrift „Aryan Hope“ weist ihn zudem als Anhänger einer gleichnamigen internationalen rassistischen „Kampfgemeinschaft“ aus.

Aus Prag reist Patrik Vondrák an – er engagiert sich im „Blood-and-Honour“-Netzwerk, in der Kameradschaft „Nationaler Widerstand“ („Národní Odpor“) und in der neonazistischen tschechischen Arbeiterpartei.

Varenus Luckmann kommt als Vertreter der schwedischen „Autonomen Nationalisten“, Landsmann Dan Eriksson steht für die Nationaldemokratischen Jugend (Nationaldemokratisk Ungdom) Schwedens, die Jugendorganisation der nationalistischen „Nationaldemokraterna“-Partei.

Antiziganist Bojan Rassate aus Bulgarien ist Mitbegründer und Vorsitzender der „Balgarski Nationalen Sajuz“ (BNS)., die eine zentrale Stellung innerhalb der bulgarischen Naziszene hat.

Der Spanier Enrique Valls redete bereits beim Naziaufmarsch der freien Kameradschaften am 13. Februar in Dresden. Er ist „Jugendbeauftragter“ der nationalistischen und rassistischen „Alianza Nacional".

Der Schweizer Pascal Trost schaffte es, selbst aus der offen rassistischen „SVP“ geworfen zu werden und tritt nun ohne Parteizusammenhang auf.

Diese Zusammenstellung illustriert die Mischung aus Rassisten, Antisemiten, Nationalisten, „Autonomen“ und Parteikräften, die sich am 12. September ein Stelldichein gibt.

„Rock against Communism“ und „Blood & Honour“

Bei der musikalischen Untermalung sieht es ähnlich finster aus. Bisher stehen Rotte Charlotte, Verszerzödes, P.W.A., Eternal Bleeding und Brigada 1238 als Bands auf dem Programm.
Anhand der Bands lässt sich am besten erkennen, was das „Fest der Völker“ ist. Die meisten kommen aus dem R.A.C.(„Rock against Communism“) -Stil oder bezeichnen sich selbst so. „Blood and Honour“ als internationales Neonazi-Netzwerk entstand aus dem RAC-Umfeld.

"Rotte Charlotte", „die Jungs vom Niederrhein“, haben mit Andreas Koroschetz einen NPD-Kandidaten und Kameradschaftsführer an der Gitarre, der auch als „Division Germania“ hetze verbreitet und bei der Neonaziband „Sleipnir“ am Schlagzeug saß.

"Verszerzödes" ist eine der bekanntesten ungarischen RAC-Bands. Sinngemäß übersetzt heißt der Bandname „Blutpakt“. Ihr Album „Hate Parade“ war lange Zeit vergriffen und wurde dann für den deutschen Neonazi-Markt noch einmal aufgelegt.

"PWA"(„Preserve White Aryans“.) aus Estland haben mit „Nordic Blood“ in Deutschland ein Album auf dem Index.

"Brigada 1238" ist eine spanische Band. Die Zahl im Bandnamen bezieht sich auf das Jahr, in dem der König von Aragonien die Stadt Valencia wieder einnahm und die Mauren vertrieb.

Eternal Bleeding“ ist eine NS-Hatecore-Band aus Altenburg, die von dem ehemaligen Sänger der Band „Abolition“, André Steiniger, gegründet wurde. André Steiniger ist seit 2007 Mitglied im Kreisverband der NPD Altenburger Land.

Die Infotische – Antifeminismus und Volkstümelei

Die nötige Propaganda darf auf so einem Festchen nicht fehlen. Dieses Jahr wird verstärkt Antifeminismus und Volkstümelei vertreten. Die Initiative „Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen“ ist frisch gegründet und wettert gegen „Gender Mainstreaming“, da es die „natürlichen Unterschiede“ zwischen den Geschlechtern leugnet und somit die Volksgemeinschaft gefährden würde. Den Untergang der „deutschen Rasse“ lasten sie Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir persönlich an.

Ebenso appelliert die Kampagne „Recht auf Zukunft – Volkstod aufhalten“ an die Frau als Mutter und “Lebensquelle des Volkes“. Die Forderungen erinnern an die Bevölkerungspolitik des Nationalsozialismus.

Auch das österreichische neurechte Blatt „Zur Zeit“ wird vertreten sein. Der Herausgeber der „Zur Zeit“, Andreas Mölzer, war als Mitglied des Europaparlaments Vorstand der rechtsextremen Fraktion ITS (Identität Tradition Souveränität)

Hinter dem Namen „Jugend braucht Perspektiven“ verbirgt sich eine völkisch, rassistische Gruppe, die mit ihrem Forderungen gut zum „Fest der Völker“ passt. Ihr Ziel ist ein nationaler Jugendclub in Berlin, so dass „deutsche Jugendliche“ nicht mit „kriminellen Ausländern“ zusammen sein müssen. Schließlich habe „jede Volksgruppe ihr eigenes Temperament“, was wiederum auf den eingangs geschilderten Ethnopluralismus verweist.

Der „deutsch-ungarische Freundeskreis“ war auch schon 2007 beim „Fest der Völker“. Mitglied ist Zsolt Illés, der auch zum ungarischen „Blood and Honour“-Ableger „Kulturverband Blut und Ehre“ gehört.

Protest und ziviler Ungehorsam

Gegen das Fest der Völker wird schon mobilisiert. Vom 7. bis 11. September wird es eine Aktionswoche geben, am Tag selbst, dem 12. September, eine „Meile der Demokratie“ auf der Ernst-Thälmann-Straße neben dem Viehmarkt.

Wichtig ist es aber, nicht nur ein Zeichen zu setzen, sondern auch zu versuchen, den Nazis den Spaß zu verderben. Es gibt dazu bereits eine Veranstaltungsreihe vom „Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“ in Pößneck. Geplant sind Infoveranstaltungen zu Blockadetrainings, Erster Hilfe auf Demonstrationen und zu Bezugsgruppen als Organisierungsmöglichkeit für Demonstrationsteilnehmerinnen und –teilnehmer. Auf der Homepage der Stadt Pößneck heißt es hierzu: „Bleibt die Hoffnung das die Pößnecker Bürger (und alle anderen) genug Aktionismus verbreiten können um die Rechten ihre Veranstaltung zu vermiesen.“

Thüringen braucht allerdings über die Proteste hinaus auch ein politischea Konzept gegen Rechtsextremismus. Erst im Juli 2009 fand mit dem NPD-Fest „Rock für Deutschland“ eine Großveranstaltung mit 4000 Neonazis statt. Bei der Anzahl der rechtsextremen Übergriffe pro Einwohner steht Thüringen bundesweit an dritter Stelle - nach Sachsen-Anhalt und Sachsen. Und es ist das einzige Bundesland, das weiterhin kein Förderprogramm für die Arbeit gegen Rechtsextremismus besitzt.

Zum Thema:

| Rechtsextremismus in Thüringen

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