Bürgernah und moderat? Die Kandidaten der NPD in Bayern

Zahlreiche Neonazis treten bei der bayerischen Landtagswahl für die NPD an. Rechtsextreme Sprüche und die Mitgliedschaft in mittlerweile verbotenen Neonazi-Organisationen finden sich bei einigen der Kandidaten. Und selbst verurteilte Neonazi-Schläger dürfen mitmachen.

Von Haidy Damm

Als Karl Richter Anfang Mai 2008 im Münchener Stadtrat auf das Grundgesetz vereidigt werden soll, kommt es zum Eklat: Er reckt den Arm so nach oben, dass man den Schwur auch als Hitler-Gruß deuten konnte. Richter war zuvor für die NPD-Tarnliste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) in das Stadtparlament gezogen. Die CSU-Fraktion stellte anschließend Strafanzeige, Richter selbst feierte seinen „Erfolg“: "Wir werden dieses Mandat dazu benützen ein Pfahl im Fleisch der anderen zu sein".

Wenige Monate später im bayerischen Fernsehen: Der Spitzenkandidat der bayerischen NPD, Sascha Roßmüller legt einen erfolgreichen Wahlkampfauftritt hin: Ausgerechnet im öffentlich-rechtlichen Bayrischen Rundfunk konnte sich der stellvertretende Bundesvorsitzende kurz vor der Wahl in Szene setzen und die NPD als bürgernahe Partei präsentieren. Die beiden Moderatoren waren sichtlich überfordert, einzig der Kandidat der ÖDP zog die Konsequenz, in seiner Redezeit vor den Rechtsextremen zu warnen – danach verließ er das Studio. Mit der Sendung brüstet sich nun jedenfalls die bayerische NPD auf ihren Internet-Seiten. Über Roßmüllers Vergangenheit und Richters rechtsextreme Provokationen dagegen schweigt die Partei.

Der 36-Jährige Roßmüller ist schon lange in der Neonaziszene aktiv. Der ehemaliger Bundeschef der NPD-Jugend Junge Nationaldemokraten war 1991 Gründungsmitglied der zwei Jahre später verbotenen Gruppe „Nationaler Block (NB)“. In der Verbotsverfügung heißt es, der Verein zeige eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus und richte sich aggressiv-kämpferisch gegen die verfassungsgemäße Ordnung. Roßmüller, der sein Geld als Referent der sächsischen NPD-Landtagsfraktion verdient, tritt im Wahlkreis Straubing an. Dort trifft er auf einen alten Weggefährten: Fred Eichner (geb. 1960) war einst Leiter des „Nationalen Blocks“. Sein damaliger Stellvertreter, Günter Kursawe (geb. 1959) tritt für die NPD im Wahlkreis Aschaffenburg-Ost an.

Auch Karl Richter (geb. 1962) wird für den Landtag kandidieren. Richter stammt zwar aus München, war aber seit dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag 2004 als Chef des dortigen Beraterstabs der Landtagsfraktion tätig. Jetzt kandidiert er in München-Ramersdorf zur Landtagswahl.

Richter, der jahrelang das rechtsextreme Theorieblatt "Nation & Europa" verantwortete, gilt in der Szene als Vorzeigeintellektueller. Seit Anfang Juni ist er auch noch stellvertretender Chefredakteur der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme". Seine Publikationen und Reden nutzt er immer wieder für rechtsextreme Ausfälle. Schon 2005 war Richter wegen Volksverhetzung verurteilt worden. In „Europa & Nation“ hatte er geschrieben: „Solange es Juden gibt, haben sie ein Problem mit ihrer Umwelt. Daran ist nicht nur der Antisemitismus der Nicht-Juden schuld... sondern mindestens im gleichen Maße der Exklusivitätsanspruch der Juden selbst. Nirgendwo steht freilich geschrieben, dass sich Deutsche mit ihrer Sonderrolle als Dauer-Bösewichte in der neuen Holocaust-Religion abfinden müssen.“

Der NPD-Ideologe gefällt sich scheinbar in der Rolle des intellektuellen Provokateurs. Ernsthafte Kommunalpolitik dagegen hat er nach Einschätzungen von Beobachtern bisher nicht betrieben.

Auf den Listen der NPD, die sich bürgerlich zu geben versucht, kandidieren auch verurteilte Neonazi-Schläger: zum Beispiel Norman Bordin (geb. 1976) und Björn-Christopher Balbin (geb. 1971). Beide waren 2001 an einem brutalen Skinhead-Überfall auf einen Griechen in München beteiligt. Balbin wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Bordin, mittlerweile NPD-Funktionär und Mitgründer der "Bürgerinitiative Ausländerstopp", wurde nach dem Überfall verhaftet, verprügelte in der Zelle einen unbeteiligten Mithäftling und wurde zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.

Seinen Plan, als Mitarbeiter Karl Richters ins Münchner Rathaus einzuziehen, hat die Stadtratsmehrheit erst einmal vereitelt, indem sie die Geschäftsordnung änderte: Stadtratsmitarbeiter dürfen neuerdings keine erheblichen Vorstrafen mehr aufweisen. Distanzieren will sich Richter nicht von Bordin, wie er in der JN-Zeitschrift „Hier&Jetzt“ erklärte: „Bordin hat sich als fähig, zuverlässig und effizient erwiesen, das ist alles.“ Zu den möglichen Ergebnissen der Landtagswahl äußert sich Richter im gleichen Interview verhalten: „Eine authentische Oppositionspartei wie die NPD müsste in dieser Situation eigentlich nur ihre Hausaufgaben machen, sich bürgernah, unideologisch und verständlich artikulieren, das wäre schon der halbe Erfolg. Über Prozente und Wahlchancen brauchen wir an dieser Stelle nicht spekulieren.“

Bordins Nachfolger bei den „Jungen Nationaldemokraten“, Matthias Fischer (geb. 1977), kandidiert für den Landtag im Wahlkreis Fürth. Fischer war Anführer der 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ (F.A.F.), einer der aktivsten Neonazigruppen in Franken. In seiner Antrittsrede als neuer JN-Chef kündigte Fischer an: „Neben den zahlreichen Aktivitäten auf der Straße müssen nun auch verstärkt wieder die Köpfe geschult werden, um so neues Führungspersonal für die Mutterpartei zu bieten und damit die Entradikalisierung der Partei zu verhindern.“

Das klingt alles andere als bürgernah und moderat.

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